Wer im 19. Jahrhundert etwas auf sich hielt, zog sich in den heißen Monaten des Jahres von der stickigen Stadt aufs luftige Land zurück. Sommerfrische nannte sich das Konzept, das angesichts heißer werdender Sommer für viele auch heute plötzlich wieder reizvoll klingt

Schloss Leopoldsdorf bei Wien; Burgen und Schlösser, historische Immobilien
Das Schloss wird oft als Zweitwohnsitz für die ganze Familie gesucht. Zu haben wäre aktuell das Schloss Leopoldsdorf bei Wien.
Hendrich Real Estate

Beim auf Landsitze spezialisierten Immobilienmakler Fridolin Angerer von Spiegelfeld Immobilien trudeln jetzt wieder mehr Anfragen dazu ein. Die Saison für Zweitwohnsitze beginnt. Der Winter ist immer eine ruhigere Zeit – auch weil manche der Häuser nicht beheizbar sind und die Zufahrt, je nach Abgeschiedenheit, bei Schnee nicht so einfach möglich ist.

Romantische Vorstellung

Aber genau diese Abgeschiedenheit und die Privatsphäre werden von einer Kundschaft gesucht, die in der Regel in Wien zu Hause und auf der Suche nach einem Domizil für das Wochenende ist. Gefragt sind Altbauten mit Charme und Geschichte: "Man soll spüren, dass das für mehrere Generationen gebaut ist", sagt der Immobilienmakler.

Früher sei für Zweitwohnsitze eine Entfernung von einer Stunde zur Stadt das Nonplusultra gewesen, das hat sich in den letzten Jahren auf 90 Minuten ausgedehnt. Auch weil seit Corona viele nicht mehr jeden Tag ins Büro müssen. Auch die öffentliche Anbindung spiele eine wichtigere Rolle. Damit werden beispielsweise das Mariazellerland und die Bucklige Welt immer interessanter.

Traum von der Hütte

Angerer hat urige Bauernhäuser, verschnörkelte Villen und rustikale Hütten im Angebot. Von Letzteren "träumen die Leute immer", entsprechend knapp ist das Angebot. Allerdings holt der Makler seine Kundschaft auch gern auf den harten Holzboden der Realität zurück. Die Vorstellung vom Leben in der Hütte sei oft eine romantische, "aber da muss man ein Holzfeuer machen und ohne WLAN auskommen können".

Der Makler Siegbert Sappert von Hendrich Real Estate hat sich auf ein spezielles Segment bei historischen Immobilien spezialisiert: Burgen und Schlösser. Zwei bis drei davon verkauft er pro Jahr, zehn bis 15 hat er aktuell im Angebot, die Vermarktung kann ein wenig dauern. Mit dem Frühjahr seien wieder einige dazugekommen.

Wie viel kostet es, sich den Traum vom Märchenschloss zu erfüllen? Im Vorjahr habe er "das günstigste Schloss Österreichs" verkauft, erzählt der Makler, es kostete 730.000 Euro. Es gibt aber auch Objekte mit einem Preisschild von 30 Millionen Euro.

Zweit- oder Drittwohnsitz

Die Klientel besteht zu 80 Prozent aus Österreicherinnen und Österreichern, sagt Sappert; häufig sind es Industrielle, die das Schloss als Zweit- oder Drittwohnsitz nutzen wollen. Besonders begehrt sind "kompakte Wohnschlösser" – in Schlossdimensionen sind das 1000 Quadratmeter Wohnfläche und fünf bis zehn Hektar Land, außerdem liegt es maximal eine Stunde von Wien entfernt. Solche Immobilien kommen nicht oft auf den Markt; die Liste der Suchenden, die Sappert über neue Angebote informiert, ist entsprechend lang.

Fridolin Angerer von Spiegelfeld hat derzeit eine "schlossähnliche Villa", die 1930 im Auftrag von Julius Meinl II. im Bezirk Lilienfeld errichtet wurde, im Angebot. Den Preis gibt es nur auf Anfrage. Speziell adelige Familien würden sich gern mit der Geschichte und der Energie eines Ortes beschäftigen. Viele würden sich als "Fortsetzung der Burgherren" verstehen. "Es ist natürlich nett, wenn man sagen kann, dass Maria Theresia einmal auf einen Tee zu Besuch war", sagt Sappert.

Ein immer größeres Thema ist für Käuferinnen und Käufer aber auch, wie die alten Häuser geheizt werden – wenn überhaupt: "Ich habe immer wieder Immobilien, in denen es keine Heizung gibt oder eine sehr veraltete Ölheizung", sagt Angerer. Bei einem aktuellen Objekt, das mittels Flüssiggas geheizt werde, werde bereits überlegt, wo Platz für den Hackschnitzelraum sei. Mittlerweile gibt es aber auch Vorzeigeschlösser, die mittels Wärmepumpe beheizt werden.

Schloss mit Parkgarage

Perfekt renoviert müssen die Objekte jedenfalls nicht sein – häufig wolle eine Familie die Immobilie dann ohnehin noch nach ihrem eigenen Geschmack gestalten. Ob moderner Wohnstandard in alten Gemäuern möglich ist, liegt nicht zuletzt an der Größe der Geldbörse. "Es gibt schon Objekte, bei denen man Abstriche machen muss", sagt Schlossmakler Sappert.

Andererseits wurde bei einem Schloss auch schon einmal eine Parkgarage in harten Waldviertler Granit gesprengt. "Der Eigentümer kann da unten jetzt seinen Tesla anstecken und dann mit dem Aufzug hinauf in die mittelalterliche Burg fahren." (Franziska Zoidl, 28.5.2023)