Wasser ist auf der Erde keine Mangelware. Um grünen Wasserstoff zu erhalten, ist jedoch viel Energie notwendig, die mittels Wind und Sonne erst erzeugt werden muss.
APA / AFP / Getty Images / John Moore

Wasserstoff spielt bei den bis 2050 angepeilten Netto-null-Emissionen eine wichtige Rolle. Denn eine klimaneutrale Produktion ist nur dann möglich, wenn die Dekarbonisierung der Gesellschaft flächendeckend stattfindet. "Die Technologien dazu sind gar nicht einmal das große Problem", sagt Erwin Reichel von der Wasserstoffinitiative Vorzeigeregion Austria (Wiva). "Es sind eher ökonomische und regulatorische Fragen zu lösen."

Grüne Wasserstoffinitiativen

Reichel koordiniert Österreichs Beitrag zum EU-Forschungsprojekt Hy2market, an dem sich aus dem Inland vier und EU-weit 38 Forschungsinstitutionen und Unternehmen beteiligen. Das mit 14 Millionen Euro dotierte Projekt, das Wasserstoffinitiativen aus acht Ländern vereint, soll in den nächsten drei Jahren Wege aufzeigen, wie die Technologie große CO2-Produzenten in der Industrie klimaneutral machen könnte. Dabei geht es um die Wasserstoffproduktion, Fragen des Transports etwa über Pipeline oder Schiff, aber auch um den Einsatz von Wasserstoff im Großmaßstab. In Österreich steht die Weiterentwicklung von Wasserstofftechnologien für eine klimaneutrale Stahlproduktion im Fokus.

Die Herausforderungen sind groß, der Lohn auch: Kann man die österreichische Stahlproduktion mit ihren zwölf Millionen Tonnen CO2-Ausstoß klimaneutral aufstellen, wären 15 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen eingespart. Rein technisch sei das möglich, sagt Irmela Kofler, Expertin für nachhaltige Stahlproduktion am metallurgischen Kompetenzzentrum K1-Met. "Aber es gibt eine Reihe von Haken und Ösen." Das K1-Met, das unter anderem über FFG und Klimaschutzministerium gefördert wird, nimmt wie die Voestalpine am Hy2market-Projekt teil.

Klimaneutraler Stahl

Roheisen kann nicht nur im Hochofen mit Koks und Kohle "erschmolzen", sondern auch durch "Direktreduktion" gewonnen werden. Bei diesem Verfahren reagiert das Eisenoxid bei hohen Temperaturen mit Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff. Als Abgas entsteht dann nicht Kohlendioxid, sondern Wasserdampf. Stammt der Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, ist das gewonnene Roheisen klimaneutral. Ob dieses Verfahren im Großmaßstab funktioniert, wird in Versuchsanlagen an diversen EU-Standorten bereits erprobt und soll im Hy2market-Projekt weiterentwickelt werden.

Roheisen ist aber noch nicht Stahl. Um diesen zu produzieren, muss Kohlenstoff zugefügt werden. Im Prozess fallen pro Tonne Stahl mindestens 120 Kilogramm CO2 an. Hochgerechnet auf die jährliche Stahlproduktion Österreichs, die rund sechs Millionen Tonnen beträgt, ergibt das ca. 720.000 Tonnen Kohlendioxid. "Die lassen sich nicht eliminieren", sagt Kofler.

Für die klimaneutrale Produktion gebe es aber noch andere Möglichkeiten. Ein vielversprechender Ansatz: Mittels chemischer Tricks kann das prozessbedingte Kohlendioxid im Kreislauf gehalten werden. Dafür wird es zunächst mittels einer Aminlösung aus dem Rauchgas ausgewaschen und zwischengespeichert. Im nächsten Schritt wird es mit grünem Wasserstoff durch einen Nickel-Alu-Keramik-Katalysator geleitet. Wasserstoff und CO2 reagieren und verbinden sich zu Methan. "Dieses kann wieder für die Stahlproduktion im Lichtbogenofen eingesetzt werden", sagt Kofler.

Hochskalieren notwendig

Im Hy2market-Projekt, das für drei Jahre anberaumt ist, will man diese "Carbon Capture and Utilisation"-Technologie skalieren. "In Versuchsanlagen kann derzeit etwa eine Tonne CO2 täglich aus Rauchgas herausgewaschen werden", sagt Kofler. Um aber Kohlendioxid für die gesamte Jahresstahlproduktion im Kreislauf zu halten, müsste eine Industrieanlage samt Katalysatortechnik mindestens um den Faktor 2000 größer sein. Die Anlage müsste unter Umständen aber noch größer dimensioniert werden, um in einer Übergangsphase auch Kohlendioxid aus fossiler Roheisenproduktion im Kreislauf zu halten.

Die Alternative: CO2 könnte übergangsweise auch im Untergrund gespeichert werden. "Theoretisch würde sich Österreichs Geologie für Kohlendioxidspeicherung gut eignen", sagt Kofler. Carbon Capture and Storage (CCS) ist in Österreich bisher aber nicht erlaubt. "Eine Genehmigung würde Zeit verschaffen, um den Kreislaufprozess für Kohlendioxid nachhaltig entwickeln zu können", meint Kofler.

Internationale Strategie

Der Flaschenhals für eine grüne Stahlproduktion bleiben freilich die rauen Mengen klimafreundlich produzierten Wasserstoffs. Für eine klimaneutrale Stahljahresproduktion bräuchte es rund 33 Terawattstunden (TWh) erneuerbare Energie. Das entspricht knapp der Hälfte des derzeitigen österreichischen Gesamtstrombedarfs. Dass man diese Größenordnung an erneuerbarer Energie nicht nur mit neuen Windrädern innerhalb der EU stemmen wird, ist allen Akteuren klar.

Grüner Wasserstoff soll laut Wasserstoffstrategie mittels Elektrolyse in neuen weltweiten Windparks und Photovoltaikkraftwerken produziert und importiert werden. Eine neue Studie sieht Regionen in Vorderasien, Südamerika oder Nordafrika als Favoriten. Mengenangaben bleibt aber auch sie schuldig. (Norbert Regitnig-Tillian, 28.5.2023)