Aus, vorbei – und tschüss! Es ist erstaunlich, mit welchem Tempo die noch amtierende rote Parteichefin Pamela Rendi-Wagner aus ihrer SPÖ gestoßen wird. Mehr als vier Jahre Parteivorsitz: mit einem Federstrich weg.

Sie wird spätestens Ende Juni auch ihr Mandat im Nationalrat zurücklegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen. Die Partei schweigt: kein Wort des Bedauerns, keine gute Nachred', nichts.

Sehen Sie hier die komplette Stellungnahme von Rendi-Wagner vom Dienstag zum Ausgang der Mitgliederbefragung
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Alles Interesse richtet sich nach Rendi-Wagners Niederlage bei der Mitgliederbefragung nur noch auf die Arena, in der in einigen Tagen auf dem Parteitag die beiden Männer Hans Peter Doskozil und Andreas Babler um den Parteivorsitzsessel der Ex-Chefin rangeln werden. Beiden kam der Name "Pamela Rendi-Wagner" oder "Pam", wie sie die Parteichefin früher verniedlichend gerufen hatten, nicht einmal mehr über die Lippen.

"Es ist peinlich"

Und es ist sogar noch nicht geklärt, ob sie auf dem außerordentlichen Bundesparteitag am 3. Juni überhaupt noch eine Rede halten wird. Das sei noch nicht fixiert, heißt es aus der SPÖ-Bundesparteizentrale. "Es ist peinlich, dass niemand in der Partei und auch nicht die beiden Herausforderer auch nur ein Wort des Dankes, der Wertschätzung, ein Wort der Anerkennung für ihre Arbeit in den letzten Jahren finden. Auch dafür nicht, wie souverän sie das Ergebnis der Mitgliederbefragung gemanagt und akzeptiert hat", sagt der Politologe und SPÖ-Insider Anton Pelinka im Gespräch mit dem STANDARD.

Es sei auch daran zu erinnern, dass Rendi-Wagner nach dem abrupten Abgang von Christian Kern die SPÖ in einer höchst schwierigen Situation übernommen habe. "Warum haben sich nicht die Herren Doskozil und Babler damals um den Vorsitz bemüht?", merkt Pelinka an.

Rendi-Wagner verabschiedet sich aus der Politik
Noch-SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird auch ihr Nationalratsmandat zurücklegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen.
Heribert Corn

Dass sie Rendi-Wagner jetzt de facto kalt fallen ließen, sei jedenfalls "überaus beschämend". Es stelle sich auch die Frage, wie jenes Drittel, das in der Mitgliederbefragung Rendi-Wagner die Stimme gegeben hatte, jetzt reagieren werde, "nachdem die ganze Gruppe praktisch links liegen gelassen wird. Was macht die Frauenorganisation, was die prominenten Unterstützerinnen der Vorsitzenden wie Brigitte Ederer? Ich finde, es ist jetzt an der Zeit, dass die Altvorderen, die Altkanzler, aber auch Heinz Fischer in die Bresche springen und das Wort für Rendi-Wagner ergreifen", sagt der Politologe Pelinka.

"Ich war schockiert"

"Ich war schockiert, als ich das Ergebnis der Mitgliederbefragung hörte. Und bin es eigentlich noch immer. Ich habe sie bis zuletzt unterstützt. Es ist bewundernswert, wie sie die letzten Jahre mit Haltung und Souveränität gemeistert hat", sagt die SPÖ-Nationalratsabgeordnete und Landesfrauenvorsitzende der SPÖ-Tirol, Selma Yildirim. Was sich jetzt in der SPÖ entwickle, dürfe nicht "unser Signal an die Gesellschaft sein. Das ist nicht das Spiegelbild der SPÖ, wir wollen vielfältiger sein. Dass jetzt wieder Männer das Ruder übernehmen, tut wirklich weh", sagt Yildirim im Gespräch mit dem STANDARD.

Nun gehe es nur noch – wie so oft – um die Macht in der Partei. Denn inhaltlich lägen die beiden Kandidaten Hans Peter Doskozil und Andreas  Babler ja nicht wesentlich auseinander. "Für mich ist es nach wie vor schwer nachzuvollziehen, warum eine so starke, moderne junge und kompetente Persönlichkeit wie Rendi-Wagner, die das 21. Jahrhundert für die SPÖ hätte repräsentieren können, dermaßen zum Scheitern gebracht worden ist. Es ist so traurig", bedauert Yildirim. Rendi-Wagner an der Parteispitze,  glaubt Yldirim, "wäre eine große Chance für die SPÖ, eine Ansage für eine moderne SPÖ gewesen".

Aber von Anbeginn sei sie als "zu fein, zu intellektuell, zu bobohaft" geframt worden. "Daraus wurden dann Geschichten gemacht. Dabei ist sie eine beispielhafte Erfolgsgeschichte für eine SPÖ-Politikerin.  Sie kam von unten, und arbeitete sich hoch", sagt die Tiroler Frauenvorsitzende.

Das Fazit des Politologen Pelinka der letzten Entwicklungen in der österreichischen Sozialdemokratie: "Die SPÖ ist, wenn's drauf ankommt, eine Männerpartei. Das ist für die Zukunft ein äußerst schlechtes Signal."

Bundesländer in Männerhand

Pelinkas Befund ist speziell in den Landesparteien deutlich ablesbar. Außer in Vorarlberg werden die Landesparteien allesamt von Männern geführt. Und auch in Vorarlberg wird aller Voraussicht nach noch im Juni ein Mann das Ruder übernehmen und die dortige Parteichefin ablösen. Vorarlberg ist ein exemplarisches, kleines Abbild des Allgemeinzustands der SPÖ.

Bisher führte Gabriele Sprickler-Falschlunger – sie ist Ärztin und Ehefrau von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) – interimistisch die Vorarlberger SPÖ. Sie ist auf der Homepage der Partei nicht präsent. Sprickler-Falschlunger ist aus der Politpension zurückgekommen, weil es ein Vakuum an der Spitze gab.

Sie hatte die SPÖ-Landesorganisation bereits von 2017 bis 2018 geführt. Damals wie heute, um nach jemandem zu suchen, der oder die die Partei langfristig führt.

Ihr erster Nachfolger warf in der Manier des ehemaligen SPÖ-Chefs Christian Kern früher als erwartet das Handtuch. Dann kam Sprickler-Falschlunger eben zurück, um wieder eine Nachfolge zu finden. In der offenbar verkrusteten Partei waren keine Jungen dazu bereit. Jetzt soll es ein Mann werden, Mario Leiter – wie Hans Peter Doskozil ein gelernter Polizeibeamter.

Nachdem er nicht mehr Bludenzer Vizebürgermeister ist, hat er derzeit auch kein politisches Amt mehr inne. Noch im Juni soll er den Vorsitz der kleinen Landespartei übernehmen – damit wären die Chefpositionen der Länder-SPÖ komplett männlich besetzt. (Walter Müller, 26.5.2023)