Die Mühlen in der Gastronomie mahlen langsam. Daran lässt Berend Tusch keinen Zweifel. Vor fünf Jahren habe man ihr Berufsbild leicht verändert, erzählt der Gewerkschafter. Der Weg dahin sei ein sehr mühsamer und gehöre beschleunigt. Noch mehr, wenn es darum gehe, langfristige gesellschaftliche Entwicklungen abzubilden.

Kochlehrling und Köchin in einer Küche
Was und in welchen Restaurants Österreichs Köche künftig lernen sollen, spaltet die Gastronomie.
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Die Diskussion um eine fleischlose Kochlehre zieht in Österreich weite Kreise. Ist sie ein Sprungbrett für junge Gastronomen, um in der Welt der gesünderen Ernährung zu reüssieren? Oder besteht das Risiko, sich mit einer zu einseitigen Ausbildung beruflich die Zukunft zu versperren?

Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

Arbeitnehmervertreter beschäftige diese Frage schon seit Jahren, sagt Tusch. Denn vegetarische und vegane Ernährung sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Für die Gastronomie stecke darin großes Potenzial. Der Gewerkschafter appelliert dennoch daran, Interessen genau abzuwägen. Neue Lehrbilder allein auf Fleischloses zu reduzieren greife aus seiner Sicht zu kurz.

"Was ist mit Ethnoküchen abseits chinesischer Fertigprodukte?" Asiatisches Wissen in den Beruf der Köche einzubinden sei nicht weniger wichtig als veganes Know-how.

Mehr als Schnitzelpanieren

Tusch warnt davor, das eine gegen das andere abzutauschen. Denn letztlich gehe es immer um die Verarbeitung von Lebensmitteln. Hierbei Fleisch und Fisch künftig vollkommen auszuklammern hieße, auf wichtiges Wissen zu verzichten, das viele Fachkräfte im Laufe ihres Berufslebens sehr wohl benötigen könnten – und das weit übers Schnitzelpanieren hinausgehe.

Der Gewerkschafter schlägt vor, die Ethnoküche mitsamt veganen Fertigkeiten in den schon bestehenden Lehrberuf des Systemgastronomiefachmanns, der ebenso drei Jahre währt, zu integrieren. "Bei vielen Jugendlichen käme das gut an."

Was Tusch in der hitzigen Debatte vermisst, ist der Blick auf die Arbeitsbedingungen in den Betrieben. Der beste Lehrberuf helfe nämlich nichts, wenn die Gastronomen ihre Lehrlinge schlecht ausbildeten und sich ihrer vor allem als billige Hilfskräfte bedienten. Defizite gebe es dabei seiner Erfahrung nach reichlich: Jeder wolle fehlerfreien Nachwuchs – doch Zeit in seine Ausbildung stecke man vielerorts wenig.

Spezialisierung

Wie sehen Österreichs Systemgastronomen die Causa prima der Branche? Andreas Haderer führt für den Einrichtungskonzern XXXLutz hierzulande knapp 50 Restaurants und versorgt damit jährlich bis zu neun Millionen Gäste. Nur der Fastfood-Riese McDonald's zählt mehr.

An Fleisch mangelt es auf Haderers Speisekarte nicht, auf pflanzlichen Alternativen basiert allein ein Zehntel seiner Speisen. Der gelernte Koch spricht sich dennoch für vegane und vegetarische Ausbildung aus. Schließlich führe an Spezialisierung kein Weg mehr vorbei. "Ein Sushi-Koch hat schließlich auch eine Sushi-Ausbildung. Und ein Restaurant muss sich mehr denn je dafür entscheiden, wofür es steht."

Haderer empfiehlt bei allem Appetit auf Küche abseits österreichischer Traditionen dennoch die Kirche im Dorf zu lassen. So sehr sich fleischlose Kost im urbanen Raum an Beliebtheit erfreue, so klein sei der Markt dafür noch auf dem Land.

Von zehn Gästen, die sich in den Lutz-Restaurants als Gruppe einen Tisch reservierten, bestellten neun Grillteller oder Schnitzel. Würde er jedoch nichts Veganes offerieren, würden alle zehn zu einem anderen Wirten weiterziehen.

An Flexibilität fehle es Gastronomen der fleischlichen Zunft jedenfalls nicht, ist sich Haderer sicher. Frage man aber in einem veganen Restaurant nach einem Schnitzel: "Der Wirt schmeißt Sie raus." (Verena Kainrath, 26.5.2023)