Zur Betriebsversammlung am Donnerstag kamen über 1.000 Freizeitpädagoginnen und -pädagogen, die sich für den Erhalt ihres Berufs einsetzen.
BiM Betriebsrat

Die Botschaft war eindeutig: "So nicht! Freizeitpädagogik bleibt!" stand am Mittwoch in großen Lettern auf mehreren Plakaten geschrieben. Der Saal war gut besucht. Über 1.000 Freizeitpädagoginnen und -pädagogen waren gekommen, um den Vorträgen im Rahmen der Betriebsversammlung zu lauschen und um darüber abzustimmen, ob sie zum äußersten Mittel greifen: dem Streik.

Und diese Abstimmung fiel mit einem Händemeer für den Arbeitskampf aus. Am 1. Juni am Nachmittag wird daher an den über 140 ganztägigen Volksschulen in Wien die Arbeit niedergelegt. Eltern wurden gebeten, ihre Kinder früher abzuholen. Ein Vorgeschmack auf das, was im Juni noch bevorsteht: weitere Aktionen und ein ganztägiger Streik am 15. Juni. Was Freizeitpädagoge Samuel Kammermeier, der auch Betriebsrat ist, dabei im STANDARD-Gespräch betont: "Der Streik richtet sich nicht gegen die Eltern. Aber wir müssen diesen Angriff auf uns und unsere Kollegen verhindern."

Was war geschehen, dass die Freizeitpädagoginnen und -pädagogen zu solch drastischen Mitteln greifen? Sich gar gegen einen Angriff verteidigen müssen?

Die Beschäftigten befürchten Verschlechterungen, wenn sie künftig als "Assistenzpädagogen" arbeiten.
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Leak sorgt für Wirbel

Es begann alles mit einem Gesetzesentwurf, der noch gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war – jedoch mittels Leak am Montag publik wurde. Im Kern geht es darum, dass die in der schulischen Tagesbetreuung arbeitenden Freizeitpädagogen in eine neue Berufsgruppe namens "Assistenzpädagog:innen" umgewandelt werden sollen.

Damit solle das Berufsbild aufgewertet, attraktiviert und mit weiteren Aufgaben betraut werden, hieß es am Montag nach dem Leak in einer Reaktion der grünen Bildungssprecherin Sibylle Hamann. Zu den Aufgaben zählen, dass sie künftig als Zweitlehrkraft im Unterricht eingesetzt werden können. Als "Teil des pädagogischen Teams" ändern sich auch die Voraussetzungen: Konnte man bisher ohne Matura als Freizeitpädagoge arbeiten, ist die Matura künftig Pflicht. Auch sollen die Assistenzpädagogen ins Gehaltsschema des öffentlichen Dienstes kommen – und nicht mehr mittels Sozialkollektivvertrag bei verschiedenen Trägern angestellt sein.

Gehaltsminus und "enorme Nachteile"

An diesem Punkt setzt die massive Kritik von "Bildung im Mittelpunkt" an, also jener im Eigentum der Stadt Wien befindlichen GmbH, bei der die rund 2300 Freizeitpädagogen der Bundeshauptstadt arbeiten. "Laut unseren Berechnungen bedeutet die Umstellung für uns Gehaltseinbußen von bis zu 19 Prozent", sagt Kammermeier. Erst nach etlichen Jahren würde das Gehaltsschema mit dem jetzigen Kollektivvertrag gleichziehen.

Aber nicht nur beim Einkommen, auch auf anderen Ebenen würde die Umstellung "enorme Nachteile" bringen. Etwa bei der Ausbildung: "Absurderweise wird die Matura künftig verlangt, aber der Lehrgang eingestampft." Der zweisemestrige Hochschullehrgang mit 60 ECTS soll laut Plan halbiert werden.

Ein großes Problem sei auch die "Hierarchisierung", die der Entwurf vorsehe. "Wir wollen als Pädagogen nicht den Lehrkräften untergeordnet sein, sondern wie bisher mit ihnen gemeinsam arbeiten", sagt Kammermeier. Den Einwand, dass mit der Assistenz die Lehrkräfte entlastet werden könnten, wischt Kammermeier beiseite. "Wenn die Lehrkräfte auch für unsere Aufgaben zuständig sind, dann bedeutete das mehr Belastung für sie", glaubt der Freizeitpädagoge.

Hamann: "Nicht in Stein gemeißelt"

Auf die Kritik angesprochen, zeigt sich Bildungssprecherin Sibylle Hamann auf STANDARD-Nachfrage verärgert: "Wir reden hier von Entwürfen, die noch nicht einmal in Begutachtung gegangen sind." Das Ziel sei, alle an Bord zu holen und "dass es für niemanden eine Verschlechterung gibt." Weder die Matura als Voraussetzung noch die Berufsbezeichnung seien bislang in Stein gemeißelt. "Der Name kann wirklich missverstanden werden. Hier sind alternative Vorschläge willkommen!", sagt Hamann, die die Streiks als "traurig und unverantwortlich gegenüber den Eltern" bezeichnet. Auch das Bildungsministerium betont auf Nachfrage den Entwurfscharakter und verweist auf "laufende Gespräche".

Doch gibt es überhaupt noch ein Zurück bei den Streiks? "Wenn zugesichert wird, dass das Gesetz in der Form nicht kommt und es transparente Verhandlungen mit den Betroffenen gibt, dann sind wir gesprächsbereit", sagt Kammermeier. (Elisa Tomaselli, 25.5.2023)