Franz Dorner auf seinem Hof in Kärnten.
Flora Mory

Auf den nordwestlichen Hängen der Koralpe schlängelt sich eine Straße durch Wald und Wiesen den Berg hinauf. Mit jeder Kurve werden die Abstände zwischen den Häusern und Bauernhöfen größer. Die Landschaft gehört zu den unberührteren Ecken im sonst stark versiegelten Kärntner Lavanttal.

Doch wer meint, dass hier die Zeit stillsteht, irrt: Hoch oben auf dem Berg auf rund 1.300 Höhenmetern liegt einer der fortschrittlichsten Landwirtschaftsbetriebe Österreichs – jedenfalls aus energietechnischer Sicht. Es handelt sich dabei zwar um einen konventionellen Geflügelmastbetrieb, doch auf den Wiesen und Dächern von Franz Dorners Hühnerzucht wandeln unzählige Sonnenpaneele Sonnenlicht in Strom für rund 580 Haushalte um.

Seit Jahren treibt der Bergbauer – nunmehr an der Seite der Firma Ecowind – den Ausbau von Windkraft im säumigen Kärnten voran. Bald wird auf seinem Grund um eine Million Euro auch das erste private Windrad im Bundesland entstehen – und ein paar Kilometer entfernt der von ihm initiierte Windpark Bärofen.

STANDARD: Herr Dorner, wieso stellt man ein Windrad in den eigenen Garten?

Dorner: Weil hier oben ein ordentlicher Wind weht. Eigentlich wollte ich es schon vor zwanzig Jahren errichten, doch damals war die Technologie unleistbar und eine Genehmigung viel zu kompliziert. Stattdessen investierten meine Frau und ich mithilfe von Krediten in Photovoltaikanlagen und produzieren damit heute zehnmal mehr Strom, als der Betrieb verbraucht. Nur leider nicht in der Nacht, beziehungsweise im Winter deutlich weniger. Dafür braucht es das Windrad, dann ist mein Hof wirklich autark. 

STANDARD: Auf das Bundesland trifft das nicht zu: Im vergangenen Jahr musste ordentlich Strom zugekauft werden. Sie kritisieren das.

Dorner: Kärnten hat sehr viele Wasserkraftwerke aus dem vorigen Jahrhundert. Wegen der Klimakrise bleiben die Niederschläge aber immer öfter aus. Im Vorjahr sind beispielsweise 31 Prozent weniger Strom aus der Wasserkraft erzeugt worden als in durchschnittlichen Jahren. Dadurch musste das Bundesland um teures Geld rund 1,5 Terawattstunden Strom importieren, großteils aus fossilen Quellen. Das entspricht dem Strom, den 140 Windräder erzeugen. Genauso viele muss Kärnten errichten, wenn wir das Ziel von 100 Prozent Ökostrom bis 2030 erreichen wollen und unsere Abhängigkeit von teurem Gas und Öl beenden wollen. 

STANDARD: Davon ist Kärnten jedoch weit entfernt: Derzeit sind nur acht Windräder im gesamten Bundesland in Betrieb. Laut Plänen des Landes, an denen Sie mitgewirkt haben, wollte man bis 2025 zumindest 50 Windräder aufstellen. Was läuft in Kärnten schief?

Dorner: Die Landespolitik hat diesen Energiemasterplan 2014 sowohl im Landtag als auch in der Landesregierung einstimmig beschlossen. Doch die FPÖ bekämpft seither in den Gemeinden jedes einzelne Projekt. Da fragt man sich, was ein Beschluss in der Politik wert ist. Die damaligen Ziele sind komplett verfehlt worden. Abgesehen davon, dass sie viel zu niedrig gesteckt wurden und rundum erneuert gehören: Der Strombedarf wurde massiv unterschätzt, das sagt sogar der Energieversorger. Ein Beispiel: Im Vorjahr hat Kärnten rund fünfmal mehr Strom importiert, als die Erneuerbaren laut den Plänen künftig produzieren sollen. Allein die Digitalisierung braucht eine gewaltige Menge.

Franz Dorner blickt von seinem Hof auf den steirischen Windpark Handalm.
Flora Mory

STANDARD: Von Ihrem Haus blickt man auf die steirische Handalm mit ihren 13 Windrädern. Sie versuchen seit 2010, auf der Kärntner Seite der Koralpe Windräder zu errichten – quasi daran angrenzend. Inzwischen wurden die acht Anlagen genehmigt, aber in Betrieb geht der Windpark Bärofen erst 2025. Wieso ist es in Kärnten so schwierig, Windräder aufzustellen?

Dorner: Wegen der jahrelange Verfahren, die viel Geld kosten. Es geht hier um mehrere Millionen Euro pro Anlage. Wir haben vor 13 Jahren, also noch vor dem steirischen Projekt, mit den Planungen angefangen. Doch damals wehte in Kärnten noch ein anderer Wind, und es wurden neue Hürden errichtet – konkret die weltweit einzigartige Sichtbarkeitsregelung. Ein Windrad darf bis heute im Umkreis von 25 Kilometern (statt anfangs 40 Kilometern, Anm.) nicht mit freiem Auge erkennbar sein. Das schließt sehr viele Projekte aus. Ich musste damals zunächst den Standort verlegen und 2014 mit den teuren Planungen und Genehmigungen sogar von Neuem beginnen, diesmal mit Partnern (Firma Ecowind, Anm.). Während die Windräder auf der steirischen Handalm seit 2017 Strom produzieren, haben wir durch die Einspruchsverfahren einige Jahre verloren. Diese hätten heute dank der Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfungen immerhin keine aufschiebende Wirkung mehr.

STANDARD: Was fordern Sie von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und seiner selbsternannten Nachhaltigkeitskoalition?

Dorner: Die absurde Sichtbarkeitsverordnung gehört jedenfalls abgeschafft. Sie hat nur dazu gedient, Windkraft unmöglich zu machen, und das ist einfach nicht zeitgemäß. Am Windpark Bärofen hat das zur Folge, dass für eines der Windräder auf ein kleineres Modell zurückgegriffen werden muss – das reduziert seine Leistung um 15 Prozent. Es wäre besser, weniger Windräder mit mehr Leistung zu bauen. Außerdem muss die Landesregierung überhaupt mehr Flächen für Windkraft und Photovoltaik freigeben, und das Stromnetz gehört ausgebaut: Ich kann derzeit gar nicht mehr Strom einspeisen, das gibt die Leitung nicht her. Und dort, wo gerade Hochwasserschutz entsteht, sollten auch Hydrosolarkraftwerke mitgeplant werden.

Der Bergbauer kann nicht mehr Strom ins Netz einspeisen, weil die Leitung im Tal nicht stark genug ist.
Flora Mory

STANDARD: Immer wieder wird von Windkraftgegnern – insbesondere in den Reihen der FPÖ – von Kärnten als "Sonnenland" gesprochen, das auf Windkraft verzichten könne.

Dorner: Das ist natürlich unseriös. Photovoltaik hat einen viel höheren Flächenbedarf, um Energie zu produzieren. Unser Energiebedarf ist daher nicht alleine mit Photovoltaik zu decken.

STANDARD: Sie werden von vielen als Pionier gelobt. Wieso haben Sie mit der Viehzucht aufgehört und tun sich diesen Kampf an?

Dorner: In Zeiten wie diesen sind die Anreize doch klar: Energiepreise, unwetterbedingte Netzausfälle, Klimawandel. Ich will zeigen, dass der Umstieg gelingen kann. Denn wenn 700 Betriebe das in Kärnten so machen würden wie wir, bräuchte kein Strom mehr importiert werden. Seit Jahrzehnten wird vor der Erderwärmung gewarnt. In Österreich wurde in den vergangenen zwanzig Jahren viel versäumt und alles mit billigem Gas aus Russland finanziert. Ich fand es absurd, 2000 einen neuen Gasofen einzubauen. Ich habe seither stattdessen mehr als sieben Millionen Euro in Anlage und Netzausbau investiert, und das, obwohl man mir jahrelang für den sauberen Strom nur einen Spottpreis gezahlt hat. In Österreich wird immer noch alle dreieinhalb Tage ein Supertanker fossile Energie verbraucht, obwohl wir längst andere Möglichkeiten hätten. Wenn wir jetzt nicht handeln, erreichen wir unsere Klimaziele nicht und riskieren Strafen in Milliardenhöhe. Geld, das in die Energiewende investiert gehört. Das kann nicht im Interesse der Landespolitik sein. Sie kann nicht die Energiewende beschließen und auf E-Autos setzen und dann nicht handeln.

In den letzten zwanzig Jahren hat Franz Dorner seine Viehzucht zu einem modernen Geflügel- und Energiebetrieb umgebaut.
Flora Mory

STANDARD: In der Kärntner Bevölkerung bleibt die Skepsis gegenüber der Windkraft aber groß.

Dorner: Ich glaube, dass das eine laute Minderheit ist. Wichtig ist, dass die Gemeinden und ihre Bürger von dem Umstieg profitieren – etwa indem Einnahmen aus der Windkraft in die Gemeindekassen fließen und bei der Errichtung von Windparks bessere Strom- und Wasserleitungen verlegt werden. Für mich ist klar: Wir müssen uns daran gewöhnen, unseren Energieverbrauch im Landschaftsbild zu erkennen. Wenn wir das nicht tun, dann werden große Katastrophen die Natur verändern. Es ist besser, wir nehmen das in die Hand. (Flora Mory aus Sankt Gertraud, 5.6.2023)