Geben Sie acht, wenn Mario A. Soldo Sie auf eine Partie Backgammon einlädt! Der Galerist und Künstler wohnt in einem Erdgeschoßlokal in Wien-Wieden.
"Wenn irgendwer mal über mich eine Biografie schriebe, was ich als durchaus lesenswert einstufen würde, dann trüge diese den Titel: 'Once a Queen, Always a King'. Ich bin aufgewachsen als Sohn eines Kommunisten, damals in Jugoslawien, Tito war immer Teil unserer nationalen Identität. Mein älterer Bruder ist Petar, mein jüngerer ist Rudi, und ich dazwischen war immer schon der Paradiesvogel. Ich war, seitdem ich denken kann, stets royal veranlagt, habe ein ganzes Leben lang von Königen und Prinzen geträumt, und nun – nachdem ich in der Wiener Szene als Dragqueen und Organisator von U4-Partys, Falco-Events und über tausend Modenschauen echt viel erreicht habe – setze ich mir selbst die mir gebührende Krone auf. Ist zwar nur aus dem Kostümfundus, fühlt sich aber trotzdem richtig gut an.
Heute bin ich ein König der Kunst, des Kochens sowie des guten Geschmacks. Ob Letzteres wirklich zutrifft, ist natürlich subjektiv zu beurteilen, aber mein kleines Gästezimmer hier oben auf der Empore gibt schon mal einen guten Einblick in das, wie ich meinen königlichen Gusto definieren würde. Eine alte Spiegelkommode, eine arg gemusterte Tapete, dass es einem die Augen raushaut, und ein Gratisbett aus einem Online-Inserat, das ein junger Russe in Wien abzugeben hatte, nachdem er sich in seinem Penthouse nach zweimal darin Schlafen neu orientieren wollte. Schönes, violettes Kunstleder, Chesterfield-Knopferln aus Pseudokristallen.
Überall in der Galerie stößt man neben der Kunst auf viele wichtige Erinnerungsstücke meines Lebens. Mein Vater war leidenschaftlicher Modellbauer und hat sensationell schöne Holzschiffe gebaut, von denen ich zwei bei mir stehen habe. Ansonsten gibt es viele Lampen, unzählige goldene Spiegel, an die 150 Pflanzen sowie ganze Wände, die ich – selbstverständlich farblich aufeinander abgestimmt – mit Mode- und Porträtfotos aus diversen Magazinen wie etwa Vanity Fair, Interview und Vogue aus den Achtziger- und Neunzigerjahren tapeziert habe – die schönsten Menschen der Modewelt!
Ich wohne hier im vierten Bezirk am Mittersteig, gemeinsam mit meiner vierjährigen Hündin Tosca Lucrezia Jovanka. Seit 2011 bin ich hier mit meinem Büro eingemietet, seit 2017 wohne ich hier auch privat, und seit 2021 nutze ich meine Wohnung zudem als Galerie – meistens mit vier bis sechs Ausstellungen pro Jahr. Es ist ein Erdgeschoßlokal, das in der Zwischenkriegszeit eine sehr bekannte Wiener Parfümerie war, zuletzt 40 Jahre lang leer stand und vor sich hingammelte. Hier hat’s ausgesehen, das kannst du dir nicht vorstellen! Alles war verbarrikadiert, und in einem der Räume waren noch Lagerregale mit rund 100.000 Büchern aus der Zeit von 1906 bis 1985. Ich habe so was noch nie zuvor gesehen!
Insgesamt habe ich circa 130 Quadratmeter, davon nutze ich vier Räume als Galerie, der Rest ist privater Backstagebereich, in den die Besucher keinen Zutritt haben – mit Ausnahme all jener hübschen Menschen, mit denen ich gerne Backgammon spiele, mein absolutes Lieblingsspiel wohlgemerkt, und wenn sie gewinnen, dann dürfen sie zu mir ins Bett kommen. Es ist ein tolles Wohnen, denn natürlich bin ich hier oft auch ganz normal zu Hause, wie man halt in einer Wohnung zu Hause ist, aber in den meisten Momenten fühlt es sich an, als würde ich als Impresario eine Galerie bewohnen.
Ich liebe es, Gastgeber zu sein. Nicht nur als Galerist bei meinen Ausstellungen und Personalen, wenn ich jungen, talentierten Leuten eine Bühne gebe, sondern auch als Netzwerker und Ermöglicher, wenn ich Artists in Residence einlade oder als Gastgeber alle paar Monate zum Disco-Nachmittag ‚Café del Mario‘ einlade. Mein Wohnen ist eine Verwirklichung von Träumen und Verrücktheiten. Eines Tages möchte ich die Galerie vererben und weiterschenken, denn ich hätte gerne, dass dieses Werk nach meinem Tod bestehen bleibt." (Wojciech Czaja, 30.5.2023)