Beim Deserteursdenkmal direkt gegenüber dem Amtssitz von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) stehen lange Tische, drumherum scharen sich Kinder. Sie falten Papierflieger und legen Puzzles, fertigen mit Malfarben Handabdrücke auf Papier an und essen Kuchen. Auf dem Boden vor dem klobigen Monument haben die Organisatoren des Festes von der Initiative Teachers for Future mit Straßenkreide ein Himmel-und-Hölle-Hüpfspiel aufgezeichnet, mit Slogans darin und  drumherum. "Recht auf Beteiligung" steht da etwa oder "verbindliche Klimaziele".

Auf der anderen Straßenseite sitzen vier Erwachsene bei einer von Fridays for Future einberufenen Pressekonferenz im Freien, kämpfen mit den plötzlichen Windstößen, die über den Ballhausplatz fegen – und erläutern den Anlass der Spieleaktion. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat angekündigt, die im heurigen Februar von zwölf Kindern und Jugendlichen eingereichte Verfassungsklage wegen unzureichender Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes noch im Juni zu behandeln. Außerdem haben die Österreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaften an diesem Freitag einen Bericht über die kinderrechtlichen Defizite beim Klima- und Umweltschutz in Österreich veröffentlicht.

Klima-Spielefest auf dem Ballhausplatz in Wien.
Neben Puzzlelegen und Kuchenessen gab es für die Kinder beim Klima-Spielefest auch eine Ansprache.
APA/EVA MANHART

"Zahnloses" Klimaschutzgesetz

Hier sei einiges Im Argen, sagt Sebastian Öhner von der Kinder- und Jugendanwaltschaft in Wien: "Kinder- und Klimaschutz sind rechtlich eng miteinander verbunden. In der Praxis ist das jedoch in Österreich noch nicht angekommen." Zwar stünden Teile der UN-Kinderrechtskonvention hierzulande in Verfassungsrang, und die Gefährdung der Klimasicherheit durch die weltweite Erhitzung betreffe letztlich basale Menschenrechte wie das Recht auf Leben. Doch das existierende Klimaschutzgesetz sei zahnlos. Es sei ungeeignet, künftige Generationen vor den lebensbedrohlichen Folgen der Klimakrise zu schützen. 

Letzteres war auch der Grund für die Kinder-Klimaklage, die von Fridays for Future und dem Verein Claw – Initiative für Klimarecht – unterstützt wird. Formuliert wurde die Eingabe beim Höchstgericht von der Anwältin Michaela Krömer, die mit großer Spannung auf die dortige Entscheidung wartet. Kinderrechte und Klimaschutz seien durch das Recht auf Generationsgerechtigkeit untrennbar, sagte sie. Diese Verbindung müsse Wirkung zeigen.

Sollte der VfGH der Klage folgen, so werde es aufgrund der Nichteinigung der Regierung auf eine besseres Klimaschutzgesetz zu der Situation kommen, "dass Verfassungsrechte konkret gar nicht eingefordert werden können". Das, so Krömer, wäre "höchst brisant. Was bedeutet das für das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat?" 

"Absurde Situation"

Auch bei den Kinderrechten als solchen sei in Österreich zu wenig passiert, seit 2011 das entsprechende Verfassungsgesetz beschlossen wurde, meint Helmut Sax von der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft und vom Netzwerk Kinderrechte. Das habe sich nicht zuletzt in der Corona-Pandemie gezeigt, "als die Interessen der Kinder und Jugendlichen völlig unzureichend berücksichtigt wurden", sagt der in Österreich wohl renommierteste Experte für die Rechte Minderjähriger. Warum es hier so schwer sei, Bewusstsein zu schaffen, sei für ihn nicht verständlich: "Seit dem Beschluss der UN-Kinderrechtskonvention sind es inzwischen bereits 33 Jahre."

Beim Klimaschutz, so Sax, bestehe nun "die absurde Situation, dass Klimaaktivisten, die auch die Rechte der Kinder verteidigen, nicht angehört, sondern im Gegenteil kriminalisiert werden". Das stellte in ihrem Statement auch Klara König von Fridays for Future in den Mittelpunkt. Protestierende wie die Klimakleber würden beschimpft, erhielten in Österreich Verwaltungsstrafen, die ÖVP und nunmehr auch die SPÖ würden CO2-verringernde Maßnahmen blockieren: "Dabei sind wir es, die auf der richtigen Seite der Geschichte stehen." (Irene Brickner, 26.5.2023)