Novak Djokovic will seinen nächsten Grand-Slam-Titel.
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Paris - Erstmals seit 1998 sind weder der fast 37-jährige Rafael Nadal, noch der zurückgetretene Roger Federer bei den French Open am Start. Hinter der Zukunft des 14-fachen Paris-Siegers Nadal steht nach seiner anhaltenden Hüftbeuger-Verletzung ein großes Fragezeichen. So stellt sich ab Sonntag bei dem mit 49,6 Millionen Euro dotierten Tennis-Grand-Slam-Turnier Novak Djokovic als Letzter der "big three" der jüngeren Generation. Diese wird angeführt von Topfavorit Carlos Alcaraz.

Die Ausgangslage ist nach der Absage Nadals im Westen der Seine-Stadt offener als in vergangenen Jahren. Denn wenn der Spanier angetreten ist, endete das Turnier fast immer mit einem Triumph des Spaniers. Nun sind der norwegische Vorjahresfinalist Casper Ruud, der zuletzt immer stärker werdende Däne Holger Rune oder auch Stefanos Tsitsipas (GRE) sowie mit Abstrichen Daniil Medwedew (RUS), heiß auf den "Coupe des Mousquetaires". Medwedew hat als Rom-Sieger seine Beziehung zu Sand ein wenig verbessert. Ob er auf dem Weg zum Titel sieben Partien im "best-of-five"-Modus gewinnen könnte, darf bezweifelt werden.

Djokovic hatte sich zuletzt im Rom-Viertelfinale dem wie Alcaraz erst 20-jährigen Rune im dritten Duell zum zweiten Mal beugen müssen. "Die neue Generation ist schon da", meinte Djokovic. Doch wie Nadal schaut auch er hauptsächlich noch auf die vier Grand-Slam-Turniere, der 22-fache Major-Sieger will den Rekord für die Ewigkeit unbedingt. Bei den Australian Open hatte Djokovic trotz einer Oberschenkelverletzung und Querelen abseits des Platzes den zehnten Melbourne-Triumph geholt. Aber auf Sand lief es für ihn heuer noch nicht besonders.

McEnroe schwärmt von Alcaraz

"Ich würde sagen, Alcaraz ist leichter Favorit auf den Sieg", sagte US-Tennis-Legende John McEnroe. "Er bringt unglaublich frischen Wind ins Spiel. Die Art wie er spielt, ist elektrisierend, und er hat eine großartige Persönlichkeit", schwärmt "Mac". Wozu Alcaraz fähig ist, hat er im vergangenen September mit dem ersten Major-Titel bei den US Open bewiesen. Nach dem Madrid-Sieg war für ihn aber das Sensations-Aus in der dritten Rom-Runde gegen den kaum bekannten Ungarn Fabian Marozsan doch ein Dämpfer.

Aus österreichischer Sicht darf man darauf hoffen, dass Dominic Thiem, der zweifache Finalist (2018, 2019) und zusätzlich zweifache Semifinalist (2016, 2017) den nächsten Schritt zurück in alte Sphären macht. Obwohl er ungesetzt ist, blieb ihm mit Pedro Cachin (ARG) und auch in Runde zwei mit Borna Coric (CRO-15) oder Cachins Landsmann Federico Coria zumindest ein ganz großer Name erspart.

Muster traut Thiem Achtelfinale zu

Thomas Muster, der 1995 den Traum vom French-Open-Titel wahr gemacht hat, ist vorsichtig optimistisch. "Ich glaube, dass Dominic ein 'dark horse' sein kann, wenn er über ein bis zwei Runden rutscht", traut er dem 29-jährigen US-Open-Sieger von 2020 eine gefährliche Außenseiter-Rolle zu. "Die Erwartungshaltung ist gering, ich traue ihm das Achtelfinale dennoch zu."

Schafft Thiem es bis dorthin, könnte er auf den als Nummer zwei gesetzten Medwedew treffen. Thiem-Manager und Bruder Moritz zeigte sich über das Los erleichtert: "Über die Auslosung kann man sich jetzt nicht beschweren, die ist eigentlich ganz gut. Da kann auch ein ganz anderes Kaliber in der ersten Runde auftauchen", sagte Moritz Thiem.

Der seit diesem Jahr als Manager fungierende jüngere Bruder des Ex-Weltranglisten-Dritten hat sich vor Ort schon ein Bild von der Form von Dominic gemacht. "Ich habe Domi das erste Mal seit zwei Wochen spielen gesehen und das hat sehr gut ausgeschaut. Er hat gegen die Topleute voll mitgehalten und die Sätze teilweise auch gewonnen. Schaut ganz gut aus, aber im Match ist es immer was anderes." Sein Bruder müsse irgendwie versuchen, ins Turnier rein zu finden. "Wenn er das schafft, dann wird es sicher schon ganz gut gehen."

Swiatek Favoritin auf den Frauen-Triumph

Bei den Frauen heißt die Favoritin Iga Swiatek. Die Nummer eins der Welt aus Polen strebt ihren dritten Roland-Garros-Triumph in vier Jahren an und hat mit den US Open 2022 auch schon drei Majors in der Tasche. Im Vorjahr hatte sie inmitten einer 37 Matches währenden Sieges-Serie im French-Open-Endspiel kurzen Prozess mit Coco Gauff (USA) gemacht.

So überlegen war sie dieses Jahr noch nicht. Auf Sand folgte dem Stuttgart-Titel ein Madrid-Finale und in Rom die Aufgabe im Viertelfinale wegen einer Oberschenkelverletzung. Sie hatte zuletzt mehrmals optimistische Updates zu dieser Blessur gegeben, wie so oft könnte die Aufgabe kurz vor einem Major eine Vorsichtsmaßnahme gewesen sein.

Swiateks größte Konkurrentin in Paris könnte Aryna Sabalenka werden. Die gebürtige Minskerin holte dieses Jahr schon den Australian-Open-Titel und kann sich in Paris zur neuen Nummer eins küren. Bringt Sabalenka ihr Spiel mit der nötigen Konstanz auf den Platz, könnte der zweite Major-Titel en suite real werden.

Erstmals seit vielen Jahren ist Österreich auch wieder im Frauen-Einzel in der Stadt der Liebe vertreten: Julia Grabher hat sich konstant weiter nach oben gearbeitet und bestreitet ihr zweites Major nach den Australian Open in diesem Jahr. Sie schlägt sich aktuell in Rabat ausgezeichnet für Paris ein. Am Freitagnachmittag hat sie ihr erstes Semifinale auf WTA-Tour-Level gegen die Argentinierin Julia Riera mit 6:1,3:6,7:6 (6) gewonnen und ist in das Finale eingezogen. In Paris startet sie gegen eine Qualifikantin und könnte sich dann mit Gauff messen. (APA, red, 26.5.2023)