Es ist alle Jahre wieder dasselbe Bild, ob zu Fronleichnam, Pfingsten oder Ostern. Dann sind Österreichs Bahnhöfe voll und die Züge noch voller. In übervollen Garnituren schimpfen dann die Schaffner, weil sie über Gepäckstücke klettern müssen – aber wo soll man sie denn bitte sonst hinstellen? Alle Jahre ist dann in Medien und im Internet vom "Bahnchaos" die Rede. Es entsteht der Eindruck, die ÖBB sei auf den Ansturm der vielen Fahrgäste nicht ausreichend vorbereitet.

Aktuell sorgt Fronleichnam (samt dem Fenstertag vor dem Wochenende) für ein erhöhtes Reiseaufkommen. Die Menschen brechen zu Radtouren, Familienausflügen oder sonstigem Vergnügen auf. Erst zu Pfingsten Ende Mai haben die ÖBB ihre Kapazitäten aufgestockt. Auf der Süd- und Westbahnstrecke wurden insgesamt 9.000 zusätzliche Plätze in den Zügen geschaffen. Außerdem appellierte das staatliche Bahnunternehmen dringend an seine Fahrgäste, Sitzplätze zu reservieren. Die Maßnahmen haben insofern gefruchtet, als das vielbeschworene Bahnchaos diesmal ausblieb. 

Immerhin, zu Zugräumungen wegen Überfüllung ist es zumindest heuer noch nicht gekommen. DER STANDARD hat häufig gestellte Fragen herausgesucht, die von den Userinnen und Usern im STANDARD-Forum gestellt werden – und sie unter anderen der ÖBB zur Beantwortung vorgelegt. Außerdem gibt es Antworten zu einem neuen EU-Regelwerk, das neue Vorgaben hinsichtlich der Frage enthält, welche Entschädigungen Fahrgästen zustehen, die Verspätungen erleiden.

Frage: Wie sehen diese neuen Regeln aus?

Antwort: Bisher mussten Bahnunternehmen in der EU bei Zugausfällen und -verspätungen das Ticket rückerstatten, konkret bei Verspätungen ab einer Stunde 25 Prozent und ab zwei Stunden 50 Prozent des Ticketpreises. Künftig ist das nicht mehr ausnahmslos der Fall. Die Rückzahlung entfällt, wenn außergewöhnliche Umstände der Grund dafür sind, wie aus der neuen EU-Verordnung "über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr" hervorgeht. Dazu zählen etwa extreme Witterungsbedingungen, Naturkatastrophen, Personen auf dem Gleiskörper, Kabeldiebstahl, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen, Sabotage oder Terrorismus, erklärte Maria-Theresia Röhsler von der Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) am Mittwoch auf Radio Ö1. 

Frage: Wie gedenken die Bahnunternehmen mit diesem neuen Regelwerk umzugehen?

Antwort: Zunächst haben sie die Pflicht nachzuweisen, dass tatsächlich ein solcher Ausnahmegrund vorliegt. Abgesehen davon legen die Bahngesellschaften die neuen Regelungen kulant aus, wie es heißt: Bei der privaten Westbahn soll sich überhaupt nichts ändern, heißt es, bei der ÖBB sollen Wetterextreme auch weiterhin von den Fahrgastrechten gedeckt sein.

Antwort: Warum stellt die ÖBB an starken Reisetagen nicht mehr Mitarbeiter bereit?

Antwort: "Wir haben an Starkreisetagen immer zusätzliche Mitarbeiter an den Bahnhöfen im Einsatz, aber natürlich können nicht beliebig viele Mitarbeiter eingesetzt werden", heißt es seitens der ÖBB. Konkret: Wenn mehr Züge fahren, braucht es auch mehr dazugehöriges Personal, vom Triebfahrzeugführer bis zum Zugbegleiter. Quantifizieren lässt sich die Aufstockung allerdings nicht; es sei von Fall zu Fall und Strecke zu Strecke unterschiedlich, so die ÖBB. Lediglich für die Belegschaft an Österreichs Bahnhöfen gibt es eine Zahl: Hier arbeiten insgesamt 550 Menschen von der Ticketverkäuferin bis zum Security-Mann auf dem Bahnsteig. Was diesen Pool an Arbeitskräften betrifft, wird er an Starkreisetagen verstärkt eingesetzt. Das bedeutet in der Praxis, dass Menschen an einem starken Wochenende nicht freibekommen, sondern eher an den Tagen zuvor unter der Woche. Oder etwa, dass die Urlaubsplanung mit dem erwarteten Fahrgastaufkommen abgestimmt wird.

Geht da noch was? Ein überfüllter Bahnsteig am Wiener Hauptbahnhof.
imago/Volker Preußer

Frage: Warum setzt man keine zusätzlichen Garnituren ein?

Antwort: Werden sie, sagt die ÖBB. "Zu Starkreisetagen sind alle unsere verfügbaren Garnituren im Einsatz. So werden an bestimmten verlängerten Wochenenden bis zu 13.000 zusätzliche Sitzplätze auf den Hauptrouten angeboten." Konkret funktioniert es so, dass Wartungsintervalle auf die Starkreisetage abgestimmt werden. Man versucht also, an diesen Tagen möglichst wenige Garnituren wartungsbedingt in Werkstätten stillstehen zu lassen. Freilich gibt es trotz all dessen Kapazitätsprobleme, die mit dem ständig höheren Aufkommen an Fahrgästen zu tun haben. Diesem Umstand versucht die ÖBB durch neue Investitionen zu begegnen. Konkret, in den nächsten Jahren sollen für mehr als 4,7 Milliarden Euro neue Züge angeschafft und die Kapazität solcherart ausgebaut werden.

Frage: Warum sind die WCs an starken Tagen oft geschlossen?

Antwort: Ältere Semester erinnern sich vielleicht noch: Wenn man früher auf der Zugtoilette die Spülung betätigte, dann öffnete sich eine Klappe – und unten sah man das Gleisbett vorbeiziehen. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heute wird der Toiletteninhalt durch einen schmalen Abfluss gesaugt und in einem Schmutzwasserbehälter bis zur Entleerung gesammelt. "Leider werden auch sehr oft Dinge in die Toilette geworfen, die den Abfluss verstopfen", führt die ÖBB aus, "von Windeln über Zeitungen bis zu Sachen, die man sich gar nicht vorstellen kann." Damit sei die Toilette dann nicht mehr funktionsfähig und müsse gesperrt werden – bis zur nächsten Wartung, die meist erst in der darauffolgenden Nacht erfolgt.

Frage: Ist das Klimaticket an überfüllten Zügen schuld?

Antwort: Schwer zu sagen. Klar ist: Die Anzahl der Bahngäste steigt nach einem Corona-bedingten tiefen Einbruch im Jahr 2020 wieder stark an. Im Jahr 2021 legte sie laut der Regulierungsbehörde Schienen-Control im Vergleich zu 2020 um ganze 14 Prozent zu; in absoluten Zahlen entsprach das 219 Millionen Fahrgästen österreichweit. 2022 ging es dann weiter steil bergauf, laut ÖBB nochmals um 38 Prozent. Zugleich muss allerdings hinzugefügt werden, dass die Zahl der Bahnreisenden immer noch weit unter dem Vor-Corona-Spitzenwert des Jahres 2019 liegt.

Dass seit Inkrafttreten des Klimatickets im Oktober 2021 mehr als 200.000 Stück davon über die Tickettische gingen, hat sicherlich ein weiteres Stück zur steigenden Popularität des Bahnfahrens beigetragen. Dennoch, wenn man auf die Zahlen blickt, hatte die Erholung nach Pandemie und Lockdowns einen deutlich größeren Effekt. Auch hohe Spritpreise beim Autofahren und der Trend zum umweltbewussten Reisen tragen zum hohen Fahrgastaufkommen bei.

Was das Klimaticket betrifft, spielt allerdings nicht nur das Aufkommen eine Rolle: Das Klimaticket könnte auch, so eine weitverbreitete Sorge, die Steuerung der Verkehrsströme erschweren. Der Hintergrund: Klimaticketnutzer können immer dann in Züge steigen, wenn sie gerade Lust darauf haben – und machen sehr flexibel von dieser Möglichkeit Gebrauch. Auch wenn also die absolute Zahl der Klimaticketnutzer gering ist im Vergleich zur Gesamtzahl der Fahrgäste: An einem starken Reisetag können die Klimaticketfahrer durchaus ein größeres Scherflein zur Überfüllung beitragen.

Frage: Warum fällt das Internet manchmal aus?

Antwort: "Die Internetverbindung im Zug ist von der Mobilfunkversorgung entlang der Strecke abhängig, und diese ist nicht lückenlos", räumt die ÖBB ein. "Zusätzlich muss das Internet auch in Tunnels oder Tälern bei bis zu 230 Stundenkilometer Geschwindigkeit funktionieren und die verfügbare Datenbandbreite für bis zu 400 Fahrgäste pro Railjet-Garnitur ausreichen."

Konkret empfangen beim Zug-Internet Antennen auf den Zugdächern Datensignale von mehreren Mobilfunkanbietern und bündeln diese zu einem Datenstrom. Dieser wird anschließend mit Routern in jeder Garnitur als Internetverbindung bereitgestellt.

Die ÖBB verweist darauf, dass pro Zug mehrere LTE-Modems mit SIM-Karten eingesetzt würden, um eine möglichst gute Verbindung sicherzustellen. Außerdem kooperiere man mit Mobilfunkanbietern, um Sendemasten entlang der Bahnstrecken auszubauen. Trotz alledem – das System funktioniert schlicht nicht lückenlos.

Frage: Warum werden Tickets ohne dazugehörigen Sitzplatz verkauft?

Antwort: Was Bahnfahren betrifft, hat Österreich weitgehend ein sogenanntes offenes Zugsystem – im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern, unter anderen Italien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Das bedeutet: Verfügt jemand über ein gültiges Ticket, kann er damit jeden Zug besteigen, egal ob Nah- oder Fernverkehr.

Dieses System bringt "sehr viel Flexibilität für unserer Reisenden", führt die ÖBB aus. "Wenn mein Termin um eine Stunde früher zu Ende ist, muss ich nicht warten, ich kann mit meinem flexiblen Ticket einfach den nächsten Zug nehmen."

Allerdings hat das offene System auch das Problem, dass ein Ticket nicht automatisch einen Sitzplatz garantiert. Denn man weiß ja nicht vorher, welche Menschen welche Züge nehmen. Die einzige Ausnahme vom offenen System: die sehr günstige Sparschiene, die mit einer fixen Bindung an einen Zug einhergeht.

Frage: Warum werden Tickets für Züge verkauft, die bereits übervoll sind?

Antwort: Das liegt am besagten offenen System, aufgrund dessen es sich nicht absehen lässt, ob ein Zug letztlich voll ist oder nicht. "Wir empfehlen zu reservieren, um garantiert einen Sitzplatz zu bekommen", sagt die ÖBB. "Auf die Reservierung weisen wir seit längerem sehr deutlich hin." Diese Reservierung kostet drei bis 3,50 Euro zusätzlich zum Ticketpreis. Und: Sie steht, im Gegensatz zum Ticket, tatsächlich nur dann zur Verfügung, wenn es noch Sitzplätze im Zug gibt.

Im Mai 2022 dachte die ÖBB aufgrund des hohen Fahrgastaufkommens erstmals offen über eine Reservierungspflicht nach. Infolge dessen dürfte man den Zug nur noch mit Reservierung betreten, was ein Stück weit eine Abkehr vom offenen System bedeuten würden. Später wurden die Überlegungen allerdings wieder verworfen.

Auf seiner Website stellt der Bahnkonzern jedenfalls bedauernd fest, "dass in Österreich generell wenig reserviert wird". Die Reservierungsquote im Fernverkehr liege nur bei durchschnittlich zehn Prozent. "Bei allen anderen Fahrgästen kann der genaue Reisezeitpunkt nur erahnt werden." (Joseph Gepp, 8.6.2023)