In China belastet aktuell eine neue Corona-Welle das Gesundheitssystem. Laut einem Bericht der Behörden steigen die Infektionszahlen seit Wochen stetig. Allein in der Hauptstadt Peking ist Covid-19 seit vier Wochen das vorherrschende Virus unter den Infektionskrankheiten. Das geht aus einem Bericht des Beijing Center for Disease Prevention and Control (CDC) hervor, der Mitte der vergangener Woche erschienen ist. Demnach waren die Infektionszahlen Mitte Mai viermal so hoch wie einen Monat zuvor. Bis zu dem Zeitpunkt war auch noch die Grippe die vorherrschende Viruserkrankung in Peking. Seit Mitte April habe Covid aber wieder die Spitzenposition eingenommen.

Experten gehen davon aus, dass die aktuelle Welle Ende Juni ihren Höhepunkt erreichen wird. Der renommierte Epidemiologe Zhong Nanshan rechnet damit, dass da wöchentlich 65 Millionen Neuinfektionen auf das Land zukommen. Aktuell schätzt er die Zahl der Infektionen auf 40 Millionen pro Woche.

Fast drei Jahre lang hieß es in China: null Covid. Dass die Strategie der totalen Eindämmung auf Dauer nicht aufging, zeigte sich spätestens im vergangenen Herbst, als die Zahlen trotz der rigiden Maßnahmen stetig stiegen. Zusätzlich hatten viele Menschen im Land die strikten Vorgaben satt. Dazu gehörte zum Beispiel wochenlange Zwangsquarantäne zu Hause, die in der Intensität nicht mit Maßnahmen hierzulande vergleichbar war. Immer mehr wütende Chinesen und Chinesinnen protestierten öffentlich dagegen. Proteste sind in China nicht unbedingt selten, doch sie finden in der Regel örtlich begrenzt statt – zum Beispiel, wenn etwa ein Unternehmen Löhne nicht ausbezahlt. Der Frust über die strikte Covid-Politik führte aber zu einer weite Teile des Landes erfassenden Protestwelle.

Abruptes Ende der Null-Covid-Politik

Präsident Xi Jinping verkündete daraufhin das Ende der Null-Covid-Politik, Maßnahmen wurden kurzfristig gelockert oder ganz abgeschafft. Viele Spitäler waren auf die plötzliche Öffnung aber nicht vorbereitet. Offiziellen Angaben zufolge waren im Winter etwa 80 Prozent der 1,4 Milliarden Menschen in China mit Covid infiziert. Wie viele Todesfälle es tatsächlich im Zusammenhang mit Covid gab, ist unbekannt. Krematorien waren überfüllt, ausländische Schätzungen gehen von rund einer Million aus. Am vergangenen Mittwoch hätte die Verwaltungsbehörde eigentlich Zahlen zu den Sterbefällen im vierten Quartal 2022 bekanntgeben sollen. Dies wurde aber verschoben.

Inländische Experten gehen nicht davon aus, dass die Welle so verheerend wie vor einem halben Jahr sein wird. Eine gröbere Welle sei "unwahrscheinlich", meint etwa Lu Hongzhou, Direktor eines Spitals in Shenzhen, laut der staatlichen "Global Times". Es würde aber weiter zu "individuellen Infektionen" kommen.

Bei der aktuell grassierenden Variante handelt es sich demnach um die XBB-Omikron-Variante, gegen die das Land gerade eine Impfung marktfit mache, so Epidemiologe Zhong. Wann genau sie zur Verfügung stehen wird, blieb unklar. mRNA-Impfstoffe, wie sie im Ausland hergestellt werden, sind bisher in China nicht zugelassen. (Anna Sawerthal, 27.5.2023)