Ob Andreas Babler nun Marxist ist oder nicht, beantwortet der Traiskirchener Stadtchef nur ungern. Er verstehe die Aufregung nicht. Marxismus sei in der Sozialdemokratie tief verankert. Aber die meisten seiner Forderungen hätten damit nichts zu tun. Im Rennen um den SPÖ-Vorsitz ist er eine Etappe weiter.

Andreas Babler will SPÖ-Chef werden.
Heribert Corn

STANDARD: Anfang der Woche tagten die Parteigremien. Ihr Kontrahent Hans Peter Doskozil soll den Rückzug angeboten haben. Wie knapp war es, dass Sie Parteichef wurden?

Babler: Es war zeitweise recht obskur. Doskozil hat das ein paarmal angeboten. Er hat auch gesagt, ich könne die Partei besser einen und Wahlen gewinnen. Zwei Minuten später war es wieder anders. Es ging viel um persönliche Verwundungen. Also ich bin weder verwundet noch gekränkt.

STANDARD: Hätten Sie als jemand, der sich als Kandidat der Basis inszeniert, Doskozils Angebot überhaupt annehmen können?

Babler: Ich habe immer auf ein klares Ergebnis bestanden. Ich wollte die Mitgliederstichwahl. Wenn man zwei Drittel der Basis noch nicht überzeugt hat, wird einem das knappe Ergebnis ewig vorgehalten – von allen Seiten. Das war mein Argument.

STANDARD: Was haben Sie Doskozil nun wirklich angeboten? Es heißt, dass Sie Parteichef, er Spitzenkandidat werden sollte.

Babler: Überhaupt nicht. Ich habe ihm klargemacht, dass ich nichts von Mauschelei um Personalpakete halte. Er hat sogar Namen genannt, die selbst nicht gefragt wurden. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es ihm um den ehrlichen Versuch einer Einigung ging.

STANDARD: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig galt als einer der größten Unterstützer von Pamela Rendi-Wagner. Nun hat er plötzlich Ihr Ansinnen nach der Mitgliederstichwahl unterstützt. Steht Wien jetzt hinter Ihnen?

Babler: Rendi-Wagner war Wiens Spitzenkandidatin bei der Nationalratswahl. Es wäre für Ludwig schwierig gewesen, jemanden anderen zu unterstützen. Dass er nun eine Stichwahl durch die Mitglieder wollte, ist dem engen Resultat geschuldet.

Er und sein Konkurrent, Hans Peter Doskozil, werden das Ergebnis akzeptieren, sagt Andreas Babler.
Heribert Corn

STANDARD: Die Entscheidung fällt nun beim Parteitag. Zählen Sie schon, wie viele der Delegierten für Sie stimmen werden?

Babler: Na, zählen tu ich noch nicht. Ich nenne auch keine Zahlen, die ändern sich stündlich. Aber ich bin zuversichtlich. Die Ansage meines Comebackkonzepts ist auch für die Delegierten spannend.

STANDARD: Sollten Sie beim Parteitag gewinnen, übergeht das das Ergebnis der Mitgliederbefragung, die Doskozil für sich entschieden hat. Widerspricht das nicht Ihrem Basisgedanken?

Babler: Ein Ergebnis ist da, aber Klarheit fehlt. Von der Klassensprecherwahl bis zur Bundespräsidentenwahl gibt es eine Stichwahl. Und: Je wichtiger und je knapper die Entscheidung ist, umso größer sollte das Quorum, das sie trifft, sein. So ist das schließlich auch in der österreichischen Gesetzgebung. Für Verfassungsänderungen braucht es eine Zweidrittelmehrheit oder sogar eine Volksabstimmung.

STANDARD: Die Vorsitzwahl der SPÖ hat nicht den Rang der Verfassungsänderung.

Babler: Aber es verdeutlicht, warum ein großes Quorum für essenzielle Entscheidungen wichtig ist. Es braucht nun eine klare Entscheidung am Parteitag. Wir werden beide das Ergebnis akzeptieren.

STANDARD: Wenn Doskozil beim Parteitag das Rennen macht, dann ...

Babler: ... ist er Parteivorsitzender.

STANDARD: ... gibt es keine Querschüsse und öffentliche Kritik aus Traiskirchen?

Babler: Meine Meinung werde ich äußern. Das habe ich in der Partei immer so gehandhabt. Wenn man nicht Teil der Gremien ist, hat man keine andere Möglichkeit, als seine Meinung öffentlich zu äußern. Ich sitze nicht in den Gremien. Aber Querschüsse wird es nicht geben.

Vor dem roten Showdown am Parteitag gibt sich Andreas Babler entspannt. Hündin Ika ist aufgeregter.
Heribert Corn

STANDARD: Inhaltlich stehen Sie und Doskozil allerdings einander gar nicht so fern.

Babler: Wir unterscheiden uns sogar stark: Ich bin in klassisch sozialdemokratischen Themen fixer. Etwa in der Frage, wie gesetzliche Löhne oder Lohnerhöhungen durchgesetzt werden sollen. Oder bei der Pflege: Eine Anstellung der pflegenden Angehörigen, wie sie das Burgenland forciert, ist kein gutes Modell – auch aus der Frauenperspektive heraus: Sie müssen ihre Existenz aufgeben und die Familie pflegen. Das entspricht nicht meiner Vorstellung. Ich will den Rechtsanspruch auf Pflege. Und, wenn wir beim Thema Frauen sind: Ich bin für eine Quotenregelung, Doskozil sieht die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der SPÖ nicht. Ich finde: Die Führungspositionen in der SPÖ müssen weiblicher werden. Mehr Frauen heißt mehr Frauenpolitik, etwa sich für Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein einzusetzen.

STANDARD: Doskozil will das laut Wahlkabine der Jungen Generation aber auch.

Babler: Er hat diese Antwort nachträglich geändert, ja. Bei mir zählt das zu den politischen Grundforderungen der Sozialdemokratie. Bei Doskozil habe ich das Gefühl, dass er wankelmütig ist und oft nach Umfragen geht. Ich bin resistenter, was Stimmungsschwankungen und Umfragenpolitik anbelangt.

STANDARD: Sie sprechen davon, die Partei müsse weiblicher werden. Sie waren selbst daran beteiligt, dass die erste Frau an der Spitze der SPÖ gerade abgewählt wurde.

Babler: Ich bin in das Match eingestiegen, als die Demontage von Rendi-Wagner schon gelaufen ist. Sie war brutal, ich finde sie skandalös. Wie die Auseinandersetzung geführt wurde, ist auch ein Angriff auf die Frauen in der SPÖ. Aber ich kandidiere, weil es jetzt möglich war. Ich war nicht aktiv an der Demontage der Parteivorsitzenden beteiligt. Ich habe mit ihr genauso inhaltliche Differenzen gehabt wie mit Werner Faymann, ja. Aber man kann die auch zivilisiert austragen.

STANDARD: Wenn man Ihnen so zuhört, wird der Spalt zwischen Ihnen und Doskozil immer größer. Wie wollen Sie im Falle Ihres Sieges mit Doskozil zurechtkommen?

Babler: Man kann burgenländische Beteiligungsmöglichkeiten mitdiskutieren. Von der Initiative, die Kindern Skikurse ermöglicht, bis zur Expertise über Biogemüseförderung.

STANDARD: Schätzen Sie ihn eigentlich?

Babler: Wertschätzung ist keine politische Kategorie. Er ist ein erfolgreicher Landeshauptmann. Und er ist gewählt von den Mitgliedern im Burgenland.

STANDARD: Das klingt nicht wie Freundschaft.

Babler: Wir haben gar nicht so viel Kontakt.

STANDARD: Als Knackpunkt wird immer das Thema Asyl genannt: Was trennt Sie tatsächlich?

Babler: Bei dem Thema ist nicht klar, wofür die SPÖ steht. Das Doskozil/Kaiser-Papier ist oberflächlich. Es besteht aus Überschriften und klärt etwa nicht, unter welchen Kriterien jemand Asyl bekommen soll. Ich will ein neues Positionspapier – auch um Asyl und Migration zu trennen. Es gibt aber Asylkriterien, die sind nicht verhandelbar.

Andreas Babler hält die Angriffe gegen Pamela Rendi-Wagner für solche gegen die Frauen in der SPÖ.
Heribert Corn

STANDARD: Sehen Sie nur die Fluchtgründe, die von der EMRK vorgegeben sind, oder sollten die weiter gefasst werden? Etwa: Klimaflüchtlinge.

Babler: Fluchtgründe ändern sich. Es gibt aktuell keine Programmatik zu Klimaflucht. Wir brauchen schnell Antworten auf diese große Frage der nächsten 15 Jahre. Sie wird uns auch zahlenmäßig stark treffen. Schon jetzt gibt es in bestimmten Ländern Binnenflüchtlinge, die kilometerweit in andere Gegenden ziehen, um Wasser zu finden. Es hat eine riesige Dimension, die auch an unsere Türen klopfen wird.

STANDARD: Ein Unterschied zwischen Ihnen und Doskozil ...

Babler: Ich war kein Polizist, sondern Fabriksarbeiter.

STANDARD: Aber für die Legalisierung von Cannabis. Wann haben Sie das letzte Mal gekifft?

Babler: Das ist schon lange her, da war Doskozil noch Polizist. (Oona Kroisleitner, Jan Michael Marchart, 26.5.2023)