Nach mehr als 13 Jahren im Amt ist Karl Stoss, dem Präsidenten des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC), ein kapitaler Fehler unterlaufen. Es sieht ganz so aus, als hätte der ÖOC-Vorstand bei einer außerordentlichen Sitzung in Wien das größere Übel gewählt, als er dem von ihm selbst eingesetzten Wahlausschuss das Misstrauen aussprach. Der Wahlausschuss sollte mit einem Wahlvorschlag die für 14. Juni anberaumte Neuwahl des zwölfköpfigen Vorstands (inklusive vierköpfigen Präsidiums) vorbereiten. Doch der Vorschlag hat Stoss und dem "alten" Vorstand nicht gepasst, und nun soll ein neuer Wahlausschuss gebildet und die Wahl in den Herbst verschoben werden.

Begründet wird das seitens der ÖOC-Spitze damit, dass ein erster Wahlvorschlag vorab an die Öffentlichkeit gelangt war. Die sieben Mitglieder des Wahlausschusses verwahren sich freilich dagegen, dass sie dafür verantwortlich wären, und betonen ihre Einigkeit. Der Wahlausschuss hätte gewichtiger kaum besetzt sein können, ihm stand Peter McDonald vor, der Präsident des Dachverbands Union, dazu kamen die Generalsekretäre der beiden anderen Dachverbände, Paul Nittnaus (ASVÖ) und Michael Maurer (ASKÖ), sowie seitens der Fachverbände Thomas Hollerer (Fußballbund), Christian Scherer (Ski Austria), Corina Korner (Judo) und Thomas Holzgruber (Basketball).

Fragen über Fragen

Was steckt hinter der Absetzung des Wahlausschusses? Wer wird und kann ohne Gesichtsverlust einem neuen, von der ÖOC-Spitze eingesetzten Wahlausschuss angehören? Kam es nicht eigentlich der ÖOC-Spitze wie gerufen, dass der Wahlvorschlag publik wurde? Und wie geht es nun weiter?

Fragen über Fragen. Von ÖOC-Seite wird kolportiert, dass der Wahlvorschlag nicht mit dem ÖOC-Präsidenten abgestimmt gewesen sei. Und dass sich das aber gehört hätte. Schließlich sei es Stoss, der mit dem neuen Präsidium und dem neuen Vorstand zwei Jahre lang arbeiten müsse. Prinzipiell wird der Vorstand stets im Jahr nach Olympischen Spielen, also alle vier Jahre, gewählt. Doch da die Sommerspiele 2020 auf 2021 verschoben wurden, hatte sich der ÖOC-Vorstand seine Funktionsperiode schon einmal durch die Hauptversammlung, die einem diesbezüglichen Stoss-Vorschlag mit klarer Mehrheit zustimmte, um zwei Jahre verlängern lassen.

Vizepräsidentin Max-Theurer will Vizepräsidentin bleiben.
Foto: Dr. Tanja Becker

Ein Name, der in den vergangenen Tagen besonders häufig fiel, ist Elisabeth Max-Theurer. Die Olympiasiegerin 1980 im Dressurreiten und Präsidentin des Fachverbands für Reiten und Fahren ist seit 2012 ÖOC-Vizepräsidentin. Sie wollte es bleiben, fand sich aber nicht im Wahlvorschlag wieder. "So geht man mit einer Olympiasiegerin und verdienten Funktionärin nicht um", heißt es aus dem Stoss-Umfeld. Aus dem Wahlausschussumfeld wiederum ist zu erfahren, dass die Verjüngung des Vorstands Priorität haben sollte. Doch es gebe den auch protokollierten Vorschlag, der Oberösterreicherin in aller Form zu danken und sie mit einer ÖOC-Ehrenmitgliedschaft auszustatten. "Wir hatten viele Sitzungen, und wir haben stundenlang diskutiert", heißt es über die Tätigkeit im Wahlausschuss. "Wir haben das wirklich ordentlich gemacht."

In der Verantwortung

Ein Mitglied des Wahlausschusses hält fest, es wäre künftig vielleicht besser, der Wahlausschuss würde von der Hauptversammlung und nicht nur vom Vorstand eingesetzt, der ja eigene Interessen verfolge. "Schließlich ist der Wahlausschuss allen Mitgliedern, nicht nur dem Vorstand verantwortlich."

McDonald ist überzeugt, dass der Vorschlag auf einer Hauptversammlung eine breite Mehrheit gefunden hätte. Dass ihn mehr als 20 Fachverbände in einem gemeinsamen Brief abgelehnt hätten, habe sich auf einen ersten Entwurf bezogen, der adaptiert worden sei. Am Ende sah der Vorschlag vor, dass Sonja Spendelhofer (Leichtathletik), Roswitha Stadlober (Ski) und Thomas Reichenauer (Ringen) als "Vize" von Stoss dem Vorstand angehören sollten. Stoss soll eine eigene Liste mit zwölf Namen vorgelegt haben, sie soll sich nur an drei Positionen vom Vorschlag des Wahlausschusses unterschieden haben.

ÖOC-Präsident Stoss will erst im Herbst neu wählen lassen.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Im Stoss-Umfeld wird lanciert, dass McDonald selbst an die ÖOC-Spitze strebe. "Völliger Schwachsinn", sagt er dem STANDARD. Insider gehen davon aus, dass Stoss, wenn er nun tatsächlich einen zweiten Wahlausschuss bildet, sich die vier Fachverbandsvertreter quasi genauer aussucht. Dass ihnen Liebedienerei vorgeworfen werden wird, sollte ihnen besser nichts ausmachen.

Doch vielleicht kommt es auch ganz anders. Die über die Stoss-Vorgangsweise erbosten Verbände streben die Ansetzung einer außerordentlichen Hauptversammlung an. Dort wäre Stoss vielleicht mit einem Abwahlantrag und garantiert mit großem Misstrauen konfrontiert. Das hat er sich in erster Linie selbst zuzuschreiben. (Fritz Neumann, 27.5.2023)