Autos machen über 15 Prozent der Gesamtemissionen in Österreich aus.
Autos machen über 15 Prozent der Gesamtemissionen in Österreich aus.
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Österreich stößt heute um etwa 13 Prozent weniger Emissionen aus als 2005. Bis 2030 bleibt trotzdem noch viel aufzuholen – bis dahin soll Österreich 48 Prozent schaffen. Der STANDARD hat exklusiv neue Daten des Umweltbundesamtes, via Klimadashboard, ausgewertet. Diese zeigen, wo genau die meisten Emissionen entstehen. Es bleibt die Frage: Was jetzt? Hilft ein autofreier Tag, ein reduziertes Tempolimit oder eine höhere CO2-Steuer?

Die Klimapolitik, die große Weichen stellen soll, kommt jedenfalls nicht weiter. Zuletzt scheiterte die Abstimmung zum Energieeffizienzgesetz im Nationalrat an der nötigen Zweidrittelmehrheit. Von einem Plan, wie der Weg in die Klimaneutralität gelingen soll, ist bisher wenig zu sehen. Einen ersten Entwurf ihrer Strategie muss die Regierung aber schon im Juni in Brüssel abliefern – ein neuer Nationaler Energie- und Klimaplan ist gefragt. Hier ein Überblick zu einem festgefahrenen Zukunftsprojekt.

Was ist der Nationale Energie- und Klimaplan?

Die Europäische Union hat sich vorgenommen, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken – das entspricht dem Anteil, den die EU mit ihrer Unterschrift zum Pariser Klimaabkommen versprochen hat. Mit diesem Vertrag hat sich die Welt das Ziel gesetzt, die Klimaerhitzung auf deutlich unter zwei Grad abzubremsen.

Damit Europa sein Versprechen halten kann, müssen alle Staaten einen jeweils festgelegten Teil dazu beitragen. In sogenannten Nationalen Energie- und Klimaplänen, kurz NEKP, rechnen sie der EU-Kommission vor, wie sie ihren CO₂-Ausstoß entsprechend zu reduzieren gedenken. Das gilt für alle Bereiche, die nicht in den Emissionshandel der EU fallen – das sind in erster Linie Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft.

Den aktuellen Plan hat Österreich Ende 2019 in Brüssel eingereicht. Versprochen wurde in dem Papier etwa, dass der öffentliche Verkehr gestärkt und ausgebaut, der Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert wird und dass die EU-Energieeffizienzrichtlinie doch noch umgesetzt werden soll. 36 Prozent will Österreich damit einsparen, umgesetzt wurde bislang wenig.

Bus fährt in Dornbirn, Vorarlberg. Nationales Klima- und Energiegesetz
Laut NEKP sollten bereits seit 2019 der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.
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Die Emissionen bis 2030 zu senken wird knapp – umso mehr, weil die EU ihre Klimaziele inzwischen erhöht hat. Das neue Ziel sind die besagten 55 Prozent, um die der Schadstoffausstoß reduziert werden soll. Damit das erreicht wird, muss Österreichs Beitrag auf 48 Prozent steigen. Die Maßnahmen müssen deutlich ambitionierter werden.

Spannend wird, was die Regierung in das erste Update schreibt, das sie im Juni in Brüssel einreichen muss. Auf Grundlage dieses Updates wird die Kommission Feedback geben. Für die finale Fassung des Klimaplans hat die Bundesregierung bis Juni 2024 Zeit – also bis kurz vor den nächsten Nationalratswahlen. Das wird die Verhandlungen wohl nicht einfacher machen. Erste Gespräche in der Koalition laufen. Das Papier fülle sich langsam, ist aus Regierungskreisen zu hören. Bis eine handfeste Strategie vorliegt, wird es aber noch dauern.

Welche schnellen Schritte für den Verkehr werden diskutiert?

Autos allein verursachen laut den neuen Zahlen des Umweltbundesamts über 15 Prozent der Gesamtemissionen in Österreich. Sogar die Metallproduktion, der größte CO2-Treiber der Industrie, stößt mit über 14 Prozent weniger aus.

Der Individualverkehr bietet folglich viel Spielraum. Das beginnt bei der Reduktion der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten, reicht über die Ökologisierung der Pendlerpauschale und Verbrennerverbot bis hin zum kompletten Stillstand des Individualverkehrs. Das würde bedeuten: autofreie Innenstädte und autofreie Tage.

Letztere müssen heute anders als 1974 gedacht werden. Damals wurde aufgrund der Erdölkrise Treibstoff rationiert. Autofahrerinnen und Autofahrer wurden zu einem autofreien Tag pro Woche verpflichtet. Im Gegensatz zu damals besitzen heute mehr Haushalte ein Zweitauto. Allein zwischen 2020 und 2022 hat sich die Anzahl der Zweit- und Dritt-Pkws in Österreich außerhalb Wiens verdoppelt.

Darum schlägt der Klimarat autofreie Tage für Städte vor, konkret einmal pro Monat. International gibt es schon Beispiele, wo autofreie Tage gut funktionieren – etwa in Brüssel oder Bogotá. Der Klimarat wurde im Auftrag des Nationalrats eingesetzt. Dafür wurden 100 Bürgerinnen und Bürger zufällig angefragt, 84 davon haben an sechs Wochenenden Empfehlungen für ein klimaneutrales Österreich bis 2040 erarbeitet.

Eine Vertreterin des Klimarates überreicht dem Wirtschaftsminister Martin Kocher und der Klimaministerin Leonore Gewessler die Empfehlungen, die die 84 Bürgerinnen und Bürger ausgearbeitet haben.
Eine Vertreterin des Klimarates überreicht dem Wirtschaftsminister Martin Kocher und der Klimaministerin Leonore Gewessler die Empfehlungen, die die 84 Bürgerinnen und Bürger ausgearbeitet haben.
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Ein autofreier Tag pro Monat hätte laut Verkehrsplaner Paul Pfaffenbichler von der Boku Wien zwar kaum Auswirkungen auf die Emissionen, dafür aber eine starke Symbolwirkung. Wenn die Menschen autofreie Städte erlebten, seien verkehrsberuhigende Maßnahmen leichter umzusetzen.

Was die Emissionen von Autos deutlich verringern würde, wäre eine Temporeduktion auf 100/80/30 km/h. Eine Studie der Forschungsgesellschaft Schiene Verkehr hat gezeigt, dass, neben vielen anderen positiven Faktoren, die CO2-Emissionen auf einen Schlag um zehn Prozent verringert würden.

Die Pendlerpauschale wird diskutiert, weil 39 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher damit eine Strecke von weniger als 20 Kilometern zurücklegen. Nicht definiert ist, ob die Pendler Öffis oder den Pkw nutzen. Die Pauschale, wo es zumutbar ist, nur als Öffiticket zu fördern wäre daher eine Idee.

Die Einführung der Citymaut konnte in Stockholm den Verkehr um 22, in London die CO2-Belastung um 20 Prozent verringern, hat das Technologieunternehmen Kapsch berechnet. Gleichzeitig sind die durch den Individualverkehr anfallenden Kosten laut VCÖ in Stockholm um 85 Millionen Euro gesunken, die Einnahmen um 36 Millionen angestiegen. Durch gezielte Parkraumbewirtschaftung nimmt der Verkehr zudem ab – in Wien, nach Ausweitung 2012, um rund zwölf Prozent.

Wie sehen die Parteien diese Maßnahmen?

Ideen, um Emissionen im Verkehr einzuschränken, gibt es zuhauf. Das Umweltbundesamt rechnet dem Sektor knapp 28 Prozent der Gesamtemissionen zu, Autos allein machen mehr als die Hälfte davon aus. Doch die Regierungsparteien scheinen sich nicht auf weitere Klimaschutzmaßnahmen in diesem Bereich einigen zu können. Auch die Oppositionsparteien stimmen Vorschlägen nur teilweise und mit Vorbehalt zu.

Darauf lässt zumindest ein Rundruf des STANDARD schließen. Gefragt nach einem Tempolimit von 100/80/30 km/h, einem Verbrenner-Aus ab 2027, einer höheren CO2-Steuer und einem autofreien Tag pro Monat in größeren Städten, zeigt sich, dass sich wohl für keinen der Vorschläge eine Mehrheit finden würde.

Die Grünen sprechen sich für Geschwindigkeitsreduktionen auf 100/80/30 auf Österreichs Straßen aus. Auch die Neos erachten 30 im Ortsgebiet und 80 auf Freilandstraßen für sinnvoll. Ein flächendeckendes Tempo 100 auf Autobahnen lehnen sie aber ab. ÖVP und FPÖ erteilen dem Vorschlag eine Abfuhr, und vonseiten der SPÖ heißt es generell zur Anfrage, isoliert über einzelnen Maßnahmen zu reden mache keinen Sinn. SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried kritisiert zudem das fehlende Klimaschutzgesetz.

Der Verbrennungsmotor hat ein Ablaufdatum: In der EU darf ab 2035 kein Auto mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Eine Ausnahme gibt es, wenn Autos ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen fahren können.
imago images/Christian Ohde

Für ein Verbrenner-Aus ab 2027 – also früher, als die EU es festgelegt hat – hat sich keine Partei ausgesprochen. Die Kanzlerpartei setzt stattdessen auf alternative Kraftstoffe, und auch die FPÖ will bei "zukünftiger Entwicklung von Antrieben technologieoffen" bleiben – der Verbrenner sei nichts Schlechtes. Die Grünen verweisen auf den Mobilitätsmasterplan, in dem man sich ein Verbrenner-Aus bis 2030 vorgenommen hat.

Was eine Erhöhung der CO2-Bepreisung betrifft, heißt es bei der ÖVP lediglich, man stehe zum aktuellen Modell. Bei den Grünen will man das "System – mit einem steigenden CO2-Preis und einer Rückverteilung durch einen regionalen Klimabonus – beibehalten". Laut Neos müsse der CO2-Preis langfristig erhöht, dafür aber andere Steuern erlassen werden. Laut FPÖ gehört die CO2-Steuer ersatzlos gestrichen.

Ein autofreier Tag pro Monat in Städten wird sich wohl nicht durchsetzen. Viele Menschen seien auf ihr Auto angewiesen, so die ÖVP. Die SPÖ fordert generell den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ebenso die Neos. Ein autofreier Tag im Monat werde nichts an der CO2-Bilanz ändern, sagt die FPÖ. Die Grünen wollen sich ansehen, welchen Beitrag diese Maßnahme für den Klimaschutz leisten könnte.

Welche Gesetze sind bereits in der Pipeline?

Selten scheitern Gesetze so spektakulär wie dieses: Zweieinhalb Jahre lang verhandelte die Koalition das Energieeffizienzgesetz, diese Woche krachte es durch die Abstimmung im Nationalrat. Denn so wie fast alle Energiegesetze betrifft es die Kompetenzen der Länder - und kann deshalb nur mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Doch weder SPÖ noch FPÖ stimmten mit der Koalition.

Jetzt kündigten ÖVP und Grüne an, eine Lösung zu suchen, die mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden kann. Möglich ist das nur, wenn sie eine stark abgespeckte Variante wählen. Ob damit die nötige Einsparung an Energie gelingen kann, ist fraglich. Genau das ist aber nötig, wenn ein immer größerer Anteil der Energie durch Wind-, Sonne- und Wasserkraft gedeckt werden soll. Steigt der Energieverbrauch weiter, wird es kaum möglich sein, ihn durch neue Energieformen zu decken.

Vor allem aber ist das Schicksal des Effizienzgesetzes ein Vorbote für das, was weiteren Gesetzen blüht, die für die Energiewende grundlegend wären. Eines dieser Gesetze wäre das Verbot von Gas-, Öl- und Kohleheizungen. Das sogenannte Erneuerbare-Wärme-Gesetz soll den Umstieg auf nachhaltige Alternativen einläuten. Die Regierungsparteien haben sich bereits geeinigt, aber die Zweidrittelmehrheit im Parlament steht aus. Zeigt die SPÖ, wie angekündigt, auch diesem Gesetz die rote Karte, könnte der Tausch der Heizsysteme deutlich verzögert werden.

Windräder, Windkraft, erneuerbare Energie
Um den Ausbau von Wind-, Sonnen- und Wasserkraft zu beschleunigen, sind entsprechende Gesetze nötig.
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In eine ebenso ungewisse Zukunft blicken Gesetze, die den Ausbau von Wind-, Sonnen- und Wasserkraft beschleunigen, Krisen am Strommarkt wie im vergangenen Jahr verhindern und den Anteil von Biogasen heben sollen. Verbindliche Regeln wie diese werden nötig sein, um den CO2-Ausstoß aus dem Energiebereich zu senken. Momentan sorgt er für rund elf Prozent der gesamten Emissionen.

Außerdem ist der Umbau hier ausschlaggebend: Schließlich müssen auch Verkehr und Industrie mit ausreichend grünem Strom versorgt werden. Gleichzeitig sollen mit dem erneuerbaren Strom aber auch grüner Stahl oder CO2-armes Kerosin produziert sowie E-Autos beladen werden.

Ob die österreichische Politik in absehbarer Zeit doch noch einen Ausweg aus der Pattsituation findet? Wenn nicht, drohen Strafzahlungen der EU – und dass Österreich sein CO2-Budget sprengt.

Die Industrie verursacht die meisten Emissionen. Was ist hier geplant?

Mit knapp 34 Prozent sorgt die Industrie für den größten Anteil der Emissionen in Österreich. Trotzdem scheint sie im Nationalen Energie- und Klimaplan nicht auf. Der Grund: Die EU hat entschieden, die Emissionen großer Industrieanlagen wie auch der Energiewirtschaft über ein EU-weites System zu drosseln.

So bekommen die Betreiber bereits seit 2005 eine bestimmte Freimenge an CO2, die sie ausstoßen dürfen. Für jede weitere Tonne CO2 müssen sie ein Zertifikat kaufen. Mit der Zeit werden die Zertifikate teurer, und die Freimenge nimmt ab – bis 2034 soll sie ganz verschwinden. Damit wird es wirtschaftlich immer wichtiger für die Betriebe, ihren Ausstoß so schnell wie möglich zu senken.

Die Voest zum Beispiel will ab 2027 zwei ihrer fünf Hochöfen mit grünem Strom betreiben. Und der Verbund steigerte seinen Anteil an erneuerbaren Energien. So konnten die Emissionen seiner Anlagen zwischen 2005 und 2022 um 85 Prozent gesenkt werden, schreibt das Energieunternehmen auf seiner Website. Insgesamt konnte der Handel mit den Emissionszertifikaten seit dem Start 2005 den CO2-Ausstoß der betroffenen Sektoren um knapp 43 Prozent senken, so rechnet zumindest die EU-Kommission.

Strommasten und Windrad
Industriebetriebe steigern den Anteil an erneuerbaren Energie, um weniger Emissionszertifikate kaufen zu müssen.
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Weil sie das System für erfolgreich hält, schlug die Kommission vor, ein ähnliches System auch für Verkehr und Gebäude einzurichten – vermutlich auch deshalb, weil klar wurde, dass nicht nur Österreich, sondern viele Staaten nicht genug für den Umbau im System getan haben. Ab 2027 wird es daher einen CO2-Preis für fossile Brennstoffe fürs Tanken und Heizen geben – mit einer Obergrenze von 45 Euro pro Tonne, die zumindest bis 2030 gelten soll. Bleiben die Energiepreise hoch, startet das System erst 2028.

Was heißt das für die Menschen? Bis 2030 werden die Preise an der Tanksäule und auf der Heizrechnung nur mäßig steigen – 45 Euro pro Tonne ist eine überschaubare Größe. Doch je nachdem, wie sehr der Preis nach 2030 steigt, könnte es dann teuer werden. Erwartet wird nämlich, dass die Unternehmen die Mehrkosten für CO2 an Kundinnen und Kunden weitergeben.

Dagegen wirken sollen Schritte wie das Verbrenner-Aus, der Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel oder der Heizungstausch – denn damit sinkt die Abhängigkeit von Benzin oder Erdgas. Alternativen wie Elektroautos und Wärmepumpen werden im Vergleich günstiger. (Julia Beirer, Guido Gluschitsch, Alicia Prager, 27.05.2023)