Waffen, Flaggen, Augenklappe und rechte Sprüche: die Markenzeichen von Stewart Rhodes.
AP / Susan Walsh

Der Vorsitzende wählte klare Worte. "Sie sind eine anhaltende Bedrohung und Gefahr für dieses Land, diese Republik und den Bestand der Demokratie", sagte Richter Amit Mehta, nachdem er den Anführer der rechtsextremen US-Miliz Oath Keepers, Stewart Rhodes, wegen dessen Beteiligung an dem Putschversuch vom 6. Jänner 2021 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt hatte. "Sie sind kein politischer Gefangener, Sie sind hier wegen Ihrer Taten!"

Wegen "aufrührerischer Verschwörung" wurde Rhodes die bisher längste Haftstrafe im Zusammenhang mit dem Kapitol-Sturm auferlegt. Rhodes reiht sich ein in die wachsende Zahl der Trump-Anhänger, die die Folgen ihres Versuches zu spüren bekommen, den Amtsantritt von Joe Biden zu verhindern.

Am Donnerstag wurde auch Richard Barnett, der sich mit dem Fuß auf dem Schreibtisch von Nancy Pelosi hatte ablichten lassen, zu vier Jahren Haft verurteilt. Insgesamt haben die Behörden mehr als 1.000 Strafverfahren eingeleitet, rund 600 Personen wurden verurteilt, knapp 300 davon zu Haftstrafen.

Doch die klare Botschaft der Justiz wird von den Republikanern massiv konterkariert. Nachdem Ex-Präsident Donald Trump die Bestrafung der "Patrioten" als "schlimm" bezeichnet und eine Revision der Urteile angekündigt hatte, stellte auch sein innerparteilicher Gegenspieler Ron DeSantis eine Begnadigung von Kapitol-Stürmern in Aussicht, sollte er 2024 Präsident werden.

"Alle Fälle untersuchen"

In einem Interview mit einem rechten Talk-Radiosender sagte er, im Amt werde er sein Begnadigungsrecht "offensiv" nutzen: "Vom ersten Tag an werde ich alle diese Fälle untersuchen lassen: Wer sind die Leute, wer ist Opfer einer Kampagne und einer politischen Attacke?" Selbst eine mögliche Begnadigung seines Rivalen Trump im Falle von dessen Verurteilung schloss DeSantis nicht aus.

Mit den Äußerungen untergräbt der ultrarechte Präsidentschaftskandidat nicht nur weiter das Vertrauen in den Rechtsstaat und bedient das verschwörungsideologische Narrativ von einer politisch geleiteten Justiz in den USA. Nach Einschätzung von Experten behindert DeSantis auch ihre Arbeit bei der Ahndung des Umsturzversuches.

Die Aussicht auf Straffreiheit könnte Angeklagte davon abhalten, ein Schuldbekenntnis abzugeben. Stattdessen dürften sie die Verfahren in die Länge ziehen. Zudem könnte die Hemmschwelle zur erneuten Anwendung von Gewalt sinken.

"Als Präsident disqualifiziert"

Nicht nur demokratische Politiker sind deshalb über die Äußerungen des Gouverneurs von Florida, der einst an der Elite-Universität Harvard Jus studiert hat, entsetzt. "Ein Kandidat, der erklärt, er werde die Angeklagten des 6. Jänner begnadigen, disqualifiziert sich als Präsident", twitterte die republikanische Ex-Abgeordnete Liz Cheney, deren Familienname bei den Konservativen einst geachtet wurde. Doch die Mehrheiten haben sich radikal verschoben. Politisch spielt Cheney keine Rolle mehr.

Seit langem schon arbeitet Trump an der Verharmlosung des Putschversuches. Er hatte sich am 6. Jänner 2021 geweigert, den gewaltbereiten Mob am Parlamentsgebäude zurückzurufen. Inzwischen lässt er bei Wahlkampfauftritten eine bizarre Version der Nationalhymne abspielen, die von einem "6.-Jänner-Gefangenenchor" gesungen wird. Vor zwei Wochen kündigte er in einem CNN-Interview an, er werde "einen großen Teil" der im Zusammenhang mit dem Aufruhr Verurteilten begnadigen – wenn er denn 2024 wieder, zum zweiten Mal, Präsident werde.

Wettern gegen die Justiz

Da will der von optimistischen Beobachtern als "vernünftige Alternative" zu Trump bezeichnete DeSantis offenbar nicht zurückstehen. In dem Interview der "Clay Travis & Buck Sexton Show" insinuierte er, dass linksradikale und rechte Gewalttäter von den Gerichten ungleich behandelt werden: "Wenn es drei Leute gibt, die das Gleiche in einem anderen Kontext tun und nicht bestraft werden, ist das eine ungleiche Anwendung des Rechts."

Der rechtsextreme Oath Keeper Steward Rhodes hat die Signale der Republikaner-Führer offenbar vernommen. Doch er scheint eher dem Original als der Kopie zu vertrauen: "Ich hoffe, dass Trump 2024 gewinnt", gab er vor Gericht zu Protokoll. (Karl Doemens aus Washington, 26.5.2023)