Rettungskräfte im Einsatz. 
Die Notfallmedizin ist in Österreich keine eigene Fachrichtung. Eine Spezialisierung soll nun aber starten. Das soll die Notfallabteilungen stärken und Fachabteilungen entlasten.
Heribert Corn

Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sind oftmals nicht gerade arbeitnehmerfreundlich. Nachtdienste und der akute Personalmangel belasten die Teams. Krankenstände, Karenzfälle und Kündigungen verschärfen die Personalnot, die zu einer Reduktion von Betten und mitunter Versorgungsleistungen geführt hat.

Zuletzt wurde bekannt, dass der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev; er betreibt acht Wiener Spitäler) versucht, mit einem "Anwerbebonus" Pflegepersonal, Ärzte und andere Mitarbeiter zu finden. Für jene Mitarbeiter in den Wigev-Einrichtungen, die Freunde oder Bekannte anwerben, die dann tatsächlich eingestellt werden und nach sechs Monaten noch immer da sind, soll es einen "Dankeschön-Bonus" von 1000 Euro geben.

Spezialisierung fehlt

Doch auch an der Qualität der Ausbildung gehört geschraubt. Konkret bei den Notfalleinrichtungen. Symptomatisch für die Probleme dort ist bereits die Bezeichnung, die in Österreich nicht einheitlich ist. Zentrale ambulante Erstversorgung, Zentrale Notaufnahme oder auch Abteilung für Notfallmedizin heißen jene Einrichtungen, in denen Notfälle landen.

Genauso bunt ist der Mix an Personal dort. Allgemeinmediziner, Internisten, Anästhesisten oder Turnusärzte. Sie sind es, die fächerübergreifend arbeiten dürfen und daher für Dienste in der Notfallabteilung herangezogen werden. Ob jemand fix dort bleiben könne, hänge oft von der Struktur der jeweiligen Notfalleinrichtung ab.

Doch es gibt noch ein anderes Manko: "Es fehlt an einer strukturierten Ausbildung zum Notfallmediziner", sagt Harald Herkner, Präsident der Österreichischen Vereinigung für Notfallmedizin (AAEM, Austrian Association of Emergency Medicine). Österreich ist eines der wenigen Länder in der westlichen Welt, in denen es keine strukturierte Ausbildung zum Notfallmediziner gibt. Das soll sich jetzt ändern.

Seit mehr als zehn Jahren kämpft die AAEM darum, dass die innerklinische Notfallmedizin als eigene Spezialisierung anerkannt wird. Nun sieht Herkner Licht am Ende des Tunnels. Sowohl die Ärztekammer (sie muss aber noch final zustimmen) als auch der Dachverband FASIM, der die Intensivmedizin-Gesellschaften vereint, sei an Bord, und auch das Gesundheitsministerium sei von einer Spezialisierung überzeugt. Diese sei "absolut notwendig", sagt Stefan Ferenci, Vizepräsident der Ärztekammer Wien.

Warten auf Abstimmung

Kommende Woche tagt die Österreichische Ärztekammer (ÖAK). Dabei wird auch über die Notfallmedizin abgestimmt werden. "Es braucht hier jedenfalls mehr Wertschätzung", sagt ein ÖAK-Sprecher.

In Deutschland wurde das Thema zuletzt auch stark gepusht, die spezialisierte Ausbildung von Pflegepersonal und Ärzten Standardisiert. Als Leitfaden dient das Europäische Curriculum für Notfallmedizin, das auch für Österreich herangezogen werden soll. Mit Deutschland als Vorreiter sieht sich auch die Österreichische Vereinigung für Notfallmedizin auf gutem Weg. "In den vergangenen Jahren mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten", sagt Philip Eisenburger, ehemaliger AAEM-Präsident. Es gehe ja nicht darum, Fachkollegen die Patienten wegzunehmen. Es gehe vielmehr um eine rasche Abklärung und um klare Grenzen. "Diagnostizieren, stabilisieren, Symptome lindern – das sind die zentralen Aufgaben einer Notfallabteilung", sagt Eisenburger. Dazu gehöre auch, dass jene Patienten, die weiterbehandelt werden müssen, rasch auf die jeweilige Fachabteilung kommen. Aber eben nur diese Patienten, nicht jedes Bauchweh muss auf der chirurgischen Station abgeklärt werden. Der akute Blinddarm gehört dorthin und soll rasch operiert werden.

Die Notfallmedizin soll mit einem gesamtheitlichen Blick die Patienten begutachten. "Wir sind symptomorientierte Akutgeneralisten", beschreibt Herkner den Ansatz, der in Österreich für die Notfallmedizin gelten soll. Die Notfallmedizin "sind die spannendsten 15 Minuten von jeder Abteilung", sagt Eisenburger. Dort müssen Entscheidungen rasch getroffen werden. Ärzte würden hier auch rasch Erfolg sehen, etwa wenn Patienten nach einer Behandlung die Notfallabteilung wieder schmerzfrei verlassen können.

Die Spezialisierung zum Notfallmediziner soll laut Herkner die Qualität der Mitarbeiter sichern auch dafür sorgen, dass mit fixen, aufeinander eingespielten Teams gearbeitet wird. Das würde Fachabteilungen entlasten. Mit fixen Teams würde auch die Personalnot gelindert. (Bettina Pfluger, 26.5.2023)