Schwarz-Blau oder Blau-Schwarz ist seit Freitag auch auf Bundesebene ein Stück wahrscheinlicher geworden. Dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer fiel es trotz Reputationsverlusts nicht schwer, seine im Wahlkampf zur Schau gestellte Abscheu gegenüber der FPÖ zur Seite zu schieben und eine Koalition mit ebendieser einzugehen. Es erschien ihm politisch opportun und war vielleicht auch der leichtere Weg. Da kann er mit der schlechten Nachrede, die damit verbunden ist, offenbar gut leben.

So kann und muss man sich auch vorstellen, dass ÖVP-Chef Karl Nehammer seine oftmals geäußerte Abneigung gegen Herbert Kickl und dessen FPÖ im entscheidenden Moment überwindet und in eine blau-schwarze Koalition einwilligt, selbst wenn er in ihr Vizekanzler sein müsste. Die Unterstützung und Duldung einer offen rassistischen Regierungspartei, die an ihrem rechten Rand zumindest einen breiten "Narrensaum" hat, scheint der ÖVP leichter hinnehmbar als der Gang in die Opposition.

Ob Andreas Babler oder Hans Peter Doskozil: Die SPÖ sollte einmal in die Gänge kommen.
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Verhindern könnte das die SPÖ. Freilich nur, wenn sie nach der Kampfabstimmung am kommenden Wochenende einmal in die Gänge kommt. Ob Hans Peter Doskozil oder Andreas Babler als Sieger aus diesem historischen Parteitag hervorgeht, ist eigentlich irrelevant. Weder der eine noch der andere kann aus jetziger Sicht die FPÖ verhindern. Das könnten sie nur gemeinsam. Wer auch immer Parteichef wird, muss den anderen so einbinden, dass beide die SPÖ repräsentieren.

Babler würde als Parteichef die Stimmen links der Mitte aufsammeln und damit die Grünen schwächen und die aufkommende KPÖ in Zaum halten. Bablers Mobilisierungspotenzial in linken Kreisen ist unbestritten. Doskozil hingegen könnte Stimmen bei Nichtwählern und potenziellen FPÖ-Wählern lukrieren. Seine Stärke liegt auf dem Land, im urbanen Bereich schwächelt er. Aber er würde eher eine Stärkung des Lagers links der Mitte erreichen als Babler, der für einen Austausch innerhalb des linken Spektrums sorgen würde.

Nur gemeinsam sind sie in der Lage, aus der SPÖ eine vorwärtsgerichtete Bewegung zu machen, die bei Wahlen reüssieren und den Führungsanspruch stellen kann. Dazu braucht es einen wirklich guten Verlierer, der seine Niederlage beim Parteitag dem anderen nicht nachträgt, sondern ihn vorbehaltlos unterstützt. Und es braucht einen demütigen Sieger, der dem Unterlegenen mit offenen Armen ein ehrliches und gutes Angebot macht, das er nicht ablehnen kann. Das ist angesichts der großen Egos der beiden Kontrahenten und der Härte, mit der sie ihre Auseinandersetzung führen, derzeit nur sehr schwer vorstellbar.

Aber sollte das doch gelingen, könnten sie gemeinsam die SPÖ in der Mitte stabilisieren und nach links und rechts absichern. Ob mit einer Doppelspitze, einer Aufteilung Parteichef und Spitzenkandidat oder sonst einer personellen Verschränkung beider Lager, müssen Doskozil und Babler klären. Oder sie schauen zu, wie Nehammer Kickl zum Kanzler macht. (Michael Völker, 27.5.2023)