Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp bestreitet die Vorwürfe.
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Eine Partei innerhalb der Partei: So soll schon in den 1990er-Jahren der damals fast übermächtige FPÖ-Obmann Jörg Haider die Wiener Landesgruppe bezeichnet haben. Diese Ansicht dürften auch der aktuelle Parteichef Herbert Kickl und sein Vorgänger Norbert Hofer teilen – beide hatten hinter den Kulissen heftige Konflikte mit den Wienern ausgetragen. Gottfried Waldhäusl, mittlerweile Zweiter Landtagspräsident in Niederösterreich, brachte einst sogar einen Rauswurf der Wiener Landesgruppe aus der "freiheitlichen Familie" ins Spiel.

Unter einem Parteichef war das anders: Heinz-Christian Strache und die FPÖ Wien, das war fast schon eine Personalunion. Strache war stets auch Landesparteiobmann und Spitzenkandidat, in der Bundeshauptstadt feierte er seine größten Wahlerfolge. Dann kam der Super-GAU in Form von Ibiza-Video und Spesenskandal – und ein Verlust von 23 Prozent bei der Landtagswahl 2020.

System Strache blieb

Erneuert hat sich die Partei danach jedoch nicht, nur Strache und sein Vize Johann Gudenus waren nicht mehr dabei. Das aktuelle Spitzenteam ist ein eingeschworenes, kein einziger Abgeordneter zog 2020 neu in den Landtag ein – manche sitzen dort schon fast 20 Jahre.

Mit Blick auf aktuelle Umfragen scheint sich die Wiener FPÖ erholt zu haben: Mittlerweile ist man wieder eindeutig die zweitgrößte Partei in der Bundeshauptstadt und kratzt an der Marke von zwanzig Prozent. Doch im Hintergrund köcheln große juristische Probleme, die bald zu einer massiven Belastungsprobe für die Landesgruppe werden dürften.

So ist die Causa rund um mutmaßlich falsch abgerechnete Spesen in der Ära Strache mindestens so sehr eine Angelegenheit der FPÖ Wien wie eine der Bundespartei. Und: Auch der Wiener Parteichef Dominik Nepp wurde von ehemaligen Sicherheitsleuten massiv belastet, wie Einvernahmen zeigen. Auch er soll vom "System Strache" profitiert haben, das dessen einstiger Security Oliver Ribarich vor den Ermittlern und zuletzt im STANDARD beschrieben hat. Nepps ehemaliger Leibwächter K. wirft seinem Ex-Chef beispielsweise vor, dass dessen Eltern für eine Reise nach Italien ein Dienstauto der Partei zur Verfügung gestellt worden sei. Außerdem behauptet der Bodyguard, Nepp habe mit seiner Frau auf Parteikosten in Kärnten geurlaubt.

Nepp: "Rechtlich haltlos"

Dazu vom STANDARD befragt, sagt Nepps Anwalt Meinhard Novak: "Mein Mandant zahlt für den Dienstwagen den höchsten Privatanteil, weshalb das Fahrzeug auch privat genutzt werden darf." Private Urlaube habe Nepp stets aus eigener Tasche bezahlt. Der Wiener FPÖ-Chef habe sich "jedenfalls nichts zuschulden kommen lassen und allfällige Vorwürfe werden sich als tatsächlich und rechtlich haltlos erweisen", sagt Novak.

Party im Lockdown

Aber auch eine andere Geschichte hat das Interesse der Ermittler geweckt: So soll während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 in Nepps Büro im Rathaus mindestens eine "Party" gefeiert worden sein, an der mehrere Spitzenpolitiker der Wiener Landesgruppe teilgenommen hätten.

Für diese Feier habe der Landtagsabgeordnete Udo Guggenbichler "sechs Mädels organisiert", behauptete Nepps einstiger Sicherheitsmann. Er selbst sei an diesem Abend "vor der Tür" gesessen, um die Veranstaltung zu bewachen. Die "Mädels" seien Russinnen gewesen. Nepps Anwalt sagt dazu, das sei "nicht zutreffend", die FPÖ Wien antwortete selbst nicht.

Gegen Guggenbichler wird wiederum wegen Wiederbetätigung ermittelt, seit eine frühere Bekannte ihn angezeigt hat. Sie behauptet, von dem FPÖ-Abgeordneten in die Bude der Burschenschaft Albia eingeladen worden zu sein und dort NS-Symbole beobachtet zu haben. Guggenbichler weist das strikt von sich. Auch mutmaßliche Ukrainerinnen, Kriegsflüchtlinge, wie die Bekannte es erzählt bekommen haben will, sollen auf engstem Raum und teils mit Kindern im Haus der Burschenschaft gewohnt haben.

Schweigen zu brisanten Aussagen

Leibwächter K. schweigt öffentlich bislang zu seinen brisanten Aussagen vor den Ermittlern, die die Wiener FPÖ-Spitze massiv belasten. Auf mehrere Kontaktversuche des STANDARD reagierte er bis zu Redaktionsschluss nicht.

Anders als im Fall von Ribarich gab es in den Reihen der Freiheitlichen schon früher Zweifel an der Zuverlässigkeit des Leibwächters, manch einem war K. suspekt. Dennoch scheint nicht nur die Wiener FPÖ in den Tagen nach Aufkommen der Ibiza-Affäre voll auf ihn gesetzt zu haben.

Seine Schilderungen zur angeblichen Party im Rathaus waberten bereits seit einiger Zeit innerhalb der FPÖ und ihrem Umfeld. Die Rede war von einem "Schnipsel" seiner delikaten Aussagen aus dem Akt, der offenbar vertraulich geteilt worden war.

Dritter Bodyguard

Im Komplex der Spesenaffäre hat neben Ribarich und K. noch ein weiterer Sicherheitsmann ausgesagt, der ebenfalls als Mitbeschuldigter gilt und Strache belastet. Offenbar ist der frühere Bodyguard geständig und bestätigt, dass er für Strache Scheinbelege gesammelt habe. Kommentieren möchte er gegenüber dem STANDARD seine Angaben nicht: Er "kann und will" keine Auskunft geben zu laufenden Verfahren, erklärte er.

Strache selbst hat für seinen Nachfolger Nepp jedenfalls keine freundlichen Worte übrig. In seiner Biografie Das Ibiza Attentat bezeichnete er Nepp als "Beute-Burschenschafter bei den Aldanen (der angeblich noch nie eine Mensur gefochten hat – es gilt die Unschuldsvermutung)".

Die Vorwürfe gegen Strache seien durch eine "Dirty-Campaigning-Strategie der Nepp-FPÖ" gestreut worden, behauptete der frühere Parteichef, der in seinem Buch sogar so weit ging, eine Verschwörung zwischen Gudenus und dessen "bestem Freund Nepp" gegen ihn selbst zu insinuieren.

Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 soll in Nepps Büro im Rathaus mindestens eine
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Dienstliches Penthouse

Was Spesen angeht, war stets auch die umstrittene Wohnsituation Straches ein Thema. Zusätzlich zu bekannten Wohnsitzen in Wien und Klosterneuburg wurde eine Bleibe für Strache im ersten Bezirk angemietet, in der Nähe des Petersplatzes. Diese Wohnung taucht auch indirekt auf den Screenshots von Einkaufslisten auf, die Strache verschickt hatte. Bettwäsche und Champagner musste der Sicherheitsmann da besorgen. Die Wohnung sei ein günstiger, weil zentral gelegener Landeplatz nach langen Partynächten gewesen, meint der Ex-Bodyguard. Strache meint auf die Frage des STANDARD, ob und warum die FPÖ ihm die Wohnung bezahlt habe: "Aus dienstlichen und sicherheitspolitischen Gründen."

Dass sich Strache ungebührlich auf Festen benommen hatte und es daher zu Beschwerden an die Partei kam, etwa nach der alljährlichen feuchtfröhlichen Fěte Leon auf Schloss Leonstain in Kärnten, weist Strache auf Nachfrage als "unwahre Tatsachenbehauptung massiv zurück", er werde "jeden klagen, der solche Äußerungen, die unter anderem den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen, verbreitet". (Oliver das Gupta, Colette M. Schmidt, Fabian Schmid, 27.5.2023)