Investitionen in Bürgerinnen und Bürger wären der Schlüssel zur Erschließung des enormen wirtschaftlichen Potenzials des Kontinents, schreiben die kenianische Forscherin und Politikanalystin Nanjira Sambuli und Nate D. F. Allen von der Universität Stellenbosch in Südafrika in ihrem Gastkommentar.
Letztes Jahr begann Googles Equiano-Unterseekabel damit, Terabytes an Daten pro Sekunde von und zu den afrikanischen Küsten zu übertragen. Mit einem Wert von einer Milliarde US-Dollar erstreckt sich Equiano von Westeuropa bis nach Südafrika und verfügt über die zwanzigfache Kapazität der früheren Kabel, die den Kontinent verbanden. Nach den Hochrechnungen von Google hat das neue Kabel das Potenzial, die afrikanische Wirtschaft zu verändern, indem es Millionen von Arbeitsplätzen schafft, die Datenkosten um fast 20 Prozent senkt und eine Verfünffachung der Internetgeschwindigkeiten ermöglicht.
Auch andere prominente US-Technologieunternehmen investieren massiv in Afrika. Amazon ist gerade dabei, seinen afrikanischen Hauptsitz in Südafrika zu errichten, während Microsoft kürzlich eine Initiative gestartet hat, um 100 Millionen Afrikanerinnen und Afrikanern bis 2025 einen Internetzugang zu ermöglichen. Unterdessen baut Meta (ehemals Facebook) "2Africa", ein Unterseekabel, das nach seiner Fertigstellung im Jahr 2024 das längste der Welt sein wird.
Enormes Potenzial
Auslöser für diese Investitionen ist die wachsende Erkenntnis, dass die Zukunft der US-Technologiebranche von der Erweiterung ihres afrikanischen Kundenstamms abhängt. Heute nutzt etwas mehr als ein Drittel der 1,4 Milliarden Menschen in Afrika das Internet, was nur einen kleinen Teil der weltweiten Internetnutzer ausmacht. Doch die Bevölkerung des Kontinents wird bis 2050 voraussichtlich auf 2,5 Milliarden wachsen – ein Viertel der Weltbevölkerung. Es wird erwartet, dass bis dahin die überwiegende Mehrheit der Afrikanerinnen und Afrikaner das Internet nutzen wird, was Technologieunternehmen Chancen eröffnet, die keine andere Region bieten kann.
Dennoch gibt es keine Garantie dafür, dass sich die Investitionen von Google und anderen US-Tech-Unternehmen auszahlen werden. Auch ausländische Konkurrenten, insbesondere chinesische Firmen, haben das immense Potenzial Afrikas für den Technologiesektor erkannt, was zu einem intensiven Wettbewerb um Marktanteile geführt hat.
Chinas Stärke
Derzeit dominiert kein einzelner Akteur die afrikanischen Märkte. Während chinesische Unternehmen in einigen Sektoren wie Telekommunikationshardware führend sind, dominieren US-Firmen bei Softwareplattformen, Betriebssystemen und der Suche. In der Zwischenzeit wachsen die in afrikanischem Besitz befindlichen Fintech-Unternehmen und Start-ups schnell.
Die hartnäckigste Herausforderung für die großen Technologieunternehmen in Afrika ist ihre Unkenntnis der Vorlieben und Bedürfnisse der Afrikanerinnen und Afrikaner. Einige US-Analysten haben sich beispielsweise besorgt über den Aufstieg chinesischer Unternehmen geäußert, Transsion etwa dominiert den Smartphone-Markt. Der Hauptgrund dafür, dass Unternehmen wie Apple und Google im Wettbewerb nicht mithalten können, ist jedoch, dass ihre Produkte preislich als Luxusgüter gelten und für Verbraucherinnen und Verbraucher in Ländern mit niedrigem Einkommen nicht geeignet sind. Der Grundpreis des iPhone 14, des meistverkauften Telefons in den Vereinigten Staaten, beträgt 799 US-Dollar und damit fast die Hälfte des Pro-Kopf-BIP der afrikanischen Länder südlich der Sahara. Die Telefone von Transsion hingegen werden für nur 20 US-Dollar verkauft.
Schlechte Bezahlung
Die Arbeits- und Einstellungspraktiken der großen Technologieunternehmen sind ein weiteres Beispiel für ihre Missachtung der Bedürfnisse und Interessen Afrikas. So sind afrikanische Politikerinnen und Politiker darüber besorgt, dass der Trend zur Abwerbung hochdotierter Spitzenkräfte durch Technologiegiganten das Wachstum ihrer heimischen Industrie untergraben könnte. Inzwischen drohen diesen Unternehmen rechtliche Schritte, weil sie Content-Moderatoren, von denen viele in Nairobi leben, traumatisierenden Erfahrungen und unzureichender Bezahlung aussetzen.
Darüber hinaus hat der Ruf von sozialen Medien wie Facebook schwer gelitten, da über diese Plattformen verbreitete Desinformation und Hetze die gewalttätigen Konflikte in Äthiopien angeheizt und extremistischen Gruppen wie der von Al-Qaida unterstützten Al-Shabaab einen fruchtbaren Nährboden geboten haben. Jahrelang ignorierte Facebook, dass organisierte kriminelle Banden seine Plattform nutzen, um Afrikanerinnen und Afrikaner in die häusliche Sklaverei zu locken. Erst als Apple drohte, Facebook und Instagram aus seinem App Store zu entfernen, wurde das Unternehmen aktiv.
So ist es kein Wunder, dass afrikanische Regierungen begonnen haben, Alternativen zu suchen. Nigeria zum Beispiel verhängte 2021 ein siebenmonatiges Verbot gegen Twitter und hob es erst auf, nachdem das Unternehmen zugestimmt hatte, ein lokales Büro zu eröffnen, Steuern zu zahlen und mit den nationalen Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten. Andere Länder wie Kenia haben ähnliche Verbote angedroht.
Werte und Profite
Mit ihrem unvergleichlichen Know-how und ihrer Spitzentechnologie sind US-Unternehmen gut positioniert, um vom Wachstum des afrikanischen Technologiemarkts zu profitieren. Um diese Chance zu maximieren, müssen sie jedoch auf die Bedürfnisse der afrikanischen Nutzerinnen und Nutzer eingehen. Der Aufbau engerer Partnerschaften mit der aufstrebenden afrikanischen Technologiebranche könnte für diese Unternehmen von großem Nutzen sein, da sie so ihre Technologien auf die Präferenzen unterversorgter Nutzerinnen und Nutzer zuschneiden und die Auswirkungen von Desinformation abmildern können. Durch die Förderung von Beziehungen zu in Afrika ansässigen Forscherinnen und Forschern und zivilgesellschaftlichen Gruppen könnten US-Tech-Unternehmen die Schaffung eines gesunden digitalen Ökosystems unterstützen, das Wohlstand, Sicherheit und Verantwortlichkeit für alle Nutzerinnen und Nutzer fördert.
In den letzten Jahren hat das Versäumnis der großen Technologieunternehmen, sich um den Schutz der Privatsphäre zu kümmern und gegen Desinformation vorzugehen, eine wachsende Debatte über den offensichtlichen Konflikt zwischen ihren erklärten Werten und ihren Profiten ausgelöst. Um in Afrika erfolgreich zu sein, müssen US-Technologieunternehmen jedoch zu der Einsicht gelangen, dass diese Dichotomie falsch ist. Während Investitionen in afrikanische Unternehmen finanzielle Vorteile bringen können, sind Investitionen in afrikanische Bürgerinnen und Bürger der Schlüssel zur Erschließung des enormen wirtschaftlichen Potenzials des Kontinents. (Nate D. F. Allen, Nanjira Sambuli, Übersetzung: Andreas Hubig, Copyright: Project Syndicate, 29.5.2023)