Wenn es klappt, wäre es ein epochaler Schritt zu einem nachhaltigeren, umweltschonenderen Wirtschaften. Wenn es scheitert, wäre es bloß ein weiteres Lippenbekenntnis für Veränderung bei gleichzeitiger ungebremster Zerstörung des Planeten. Es geht um ein Umweltabkommen, konkret um ein globales Plastikabkommen, deswegen lohnt es sich, vorerst im Konjunktiv zu bleiben.

Im Frühjahr 2022 hat sich die Umweltversammlung der Vereinten Nationen (UNEP) darauf geeinigt, bis 2024 einen verbindlichen Vertrag auszuarbeiten, der die weltweite Verschmutzung durch Kunststoff beenden soll. Von 29. Mai bis 2. Juni geht es in Paris in die zweite Verhandlungsrunde, und die Ausgangslage ist kompliziert.

Plastikmüll, Afrika, Nairobi, Dandora
Die Müllhalde Dandora in Nairobi steht sinnbildlich für ein globales Plastikproblem. Es stehen komplizierte Verhandlungen bevor.
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Die Länder müssen sich erst einmal einigen, wie das Abkommen überhaupt aussehen soll. Unklar ist etwa, ob Rahmenbedingungen abgesteckt werden, innerhalb derer es Staaten selbst überlassen ist, wie man sie erfüllt – also wie beim Pariser Klimavertrag. Oder ob es rechtlich verbindliche Vorgaben gibt. Wie nicht anders zu erwarten, teilt sich die Welt in unterschiedliche Lager.

"Es gibt die 'ehrgeizigen' Verhandler, dazu zählen die EU-Staaten. Sie streben ein Abkommen mit bindenden Verpflichtungen für alle an", sagt Hugo-Maria Schally, ein hoher Beamter der EU-Kommission, im Gespräch mit dem STANDARD. Sie wollen unter anderem Regelungen zum Produktionsvolumen von Plastik, Transparenzpflichten für Hersteller, ein Ende gewisser gefährlicher Chemikalien und Designkriterien in puncto Langlebigkeit des Materials.

USA dagegen, China schweigsam

"Dieser Gruppe gegenüber stehen vor allem die USA und Japan, beide wollen keine nationalen Verpflichtungen, sondern allgemein formulierte Ziele", sagt Schally. Sowohl die EU als auch die afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten seien aber klar gegen diesen Ansatz.

"Eine dritte Gruppe bilden Saudi-Arabien und die Golf-Staaten, die bestimmt gegen Volumensbegrenzung arbeiten werden", meint Schally. Die große Unbekannte seien momentan große asiatische Länder wie China, Indien und Indonesien. "Sie haben sich bisher kaum geäußert."

Das erschwert etwaige Erwartungshaltungen, denn 60 Prozent des globalen Plastiks werden in Asien produziert und verbraucht. Es wird also sehr stark darauf ankommen, ob diese Staaten einem Vertragssystem zustimmen. Transparenzpflichten, Fragen wie "Was ist eine gefährliche Chemikalie?" und Produktionsbeschränkungen werden für hitzige Debatten sorgen. Dabei gibt es Zahlen, die klar für eine Reduktion sprechen. Bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft könne bis 2040 die Plastik-Neuproduktion mehr als halbiert und der in die Umwelt gelangende Plastikmüll um über 80 Prozent reduziert werden, rechnete in der vergangenen Woche die UNEP vor.

Es muss etwas passieren

Ein Blick auf den Pazifik unterstreicht die Handlungsnotwendigkeit. Dort treibt das "Great Pacific Garbage Patch", das mittlerweile dreimal so groß ist wie Frankreich. Dieses schwimmende "Land" aus Müll bereitet theoretisch allen Sorge – bis es ums Geld geht. Dass die Finanzierung eines Abkommens zu Streitigkeiten führt, ist unausweichlich. Arme Staaten können ambitionierte Ziele nicht ohne Unterstützung umsetzen.

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Die zunehmende Plastikverschmutzung ist für Mensch und Tier längst zu einem riesen Problem geworden.
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In der aktuellen Verhandlungsrunde soll also auch festgelegt werden, woher Geld kommen kann und wie der Mittelfluss strukturiert werden soll. Möglichkeiten gibt es mehrere: "Nach der alten Struktur zahlt der theoretisch reiche Norden für den theoretisch armen Süden", sagt Schally. "Wer mehr produziert, muss mehr zahlen, könnte auch ein Ansatz sein." Im Klimaschutzministerium war einst von einem internationalen Fonds die Rede.

Finanzierungsverhandlungen entwickeln sich oft zu einem Henne-Ei-Problem – das kennt man von anderen Klimaabkommen. Die einen wollen erst über Geld reden, wenn das Ausmaß der Verpflichtungen klar ist – die anderen reden erst über Verpflichtungen, wenn klar ist, um wie viel Geld es geht. Man befinde sich in einer kritischen Phase, ist aus vielen Verhandlerkreisen zu hören, vieles könne schiefgehen. Ein verfrühtes Scheitern des Abkommens wird aber eher ausgeschlossen.

Ein bisschen Optimismus

Zwei Umstände geben Grund zu ein wenig Optimismus: Eine Staatengruppe, darunter Ruanda, Ecuador und Peru, hat es in der ersten Verhandlungsrunde geschafft, dass nicht nur Müllbeseitigung und -vermeidung, sondern auch die Neuproduktion von Plastik Gegenstand des Abkommens sein soll. Darüber hinaus gibt es auch in der Plastikindustrie, deren Jahresproduktion mittlerweile bei rund 400 Millionen Tonnen liegt, sehr einflussreiche Stimmen, die für eindeutige Regeln eintreten. Der Hintergrund ist klar: Um auch in der Zukunft hohe Umsätze lukrieren zu können, möchte man wissen, woran man ist. (Andreas Danzer, 28.5.2023)