Die USA und China haben sich im Halbleiterkrieg einen weiteren Schlagabtausch geliefert. Dieses Mal ist es Peking, das ein Embargo gegen den amerikanischen Chiphersteller Micron verhängt hat. Das Unternehmen gefährde kritische Infrastruktur, hieß es aus der chinesischen Behörde für Cybersecurity sinngemäß als Begründung. Ob das wirklich so ist, sei dahingestellt.

Tatsache aber ist, dass sich seit Oktober beide Länder einen Handelskrieg um diese für das 21. Jahrhundert so wichtige Technologie liefern. Ohne Halbleiter keine Smartphones, keine künstliche Intelligenz, keine Präzisionswaffen und Überwachungstechnologie.

Exportkontrollen

Im Oktober hatten die USA Exportkontrollen erlassen, um China von modernster Halbleitertechnologie abzuschneiden. Zwar ist China in der Lage, selbst Halbleiter mit großer Strukturbreite herzustellen. Die modernen, kleinsten Chips, die etwa in einem iPhone 14 stecken, kann China aber nicht selbst herstellen, es ist auf die Importe vor allem aus den USA, Japan, Südkorea, Taiwan und den Niederlanden angewiesen.

Der US-Chiphersteller Micron ist der nächste Stein im Streit um Halbleiter zwischen den USA und China. Zudem macht ein neues chinesisches "Antispionagegesetz" ausländischen Unternehmen in China Sorgen.
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Für die USA lag die Herausforderung bisher darin, China zwar einerseits von moderner Technologie abzuschneiden, andererseits aber den eigenen Unternehmen nicht zu sehr zu schaden, für die China ein wichtiger Markt ist.

Genau darauf aber zielt der chinesische Gegenschlag nun ab: Micron machte im vergangenen Jahr rund zehn Prozent seines Umsatzes auf dem chinesischen Festland. Bisher gilt das Verbot zwar nur für Infrastruktur und nicht etwa für Mobilfunkgeräte. Sobald aber China Ersatz findet, dürfte das Embargo ausgeweitet werden.

An der Börse war der Disput ebenfalls zu spüren. Die Kurse von US-Chipkonzernen gaben erst einmal nach. Aufwind erhielten dagegen chinesische und südkoreanische Hersteller. Allerdings hielten sich die Kursveränderungen im Rahmen. Experten rechnen nicht damit, dass die Entscheidung der chinesischen Regierung größere Verwerfungen am Markt auslöst.

Auf Personalsuche

China umwirbt derzeit Südkorea, dort einzuspringen, wo US-Unternehmen Lücken gerissen haben. Samsung und das südkoreanische Unternehmen SK Hynix äußerten sich vorerst nicht dazu – wohl auch, um die USA nicht zu verärgern, die versuchen, mehr Partner für ihr Embargo zu gewinnen. Parallel dazu scheint China derzeit Personal abzuwerben. Angeblich versuchen chinesische Headhunter sogar, direkt vor südkoreanischen Werkstoren Ingenieuren einen Wechsel nach China schmackhaft zu machen.

Peking verhängte das Embargo im Schatten des G7-Gipfels. Im japanischen Hiroshima hatten sich zuletzt die sieben größten Industriestaaten getroffen und neben Russland auch China scharf kritisiert. Die chinesische Presse hatte deswegen von einem "Anti-China-Gipfel" gesprochen.

Gleichzeitig sprach US-Präsident Joe Biden von einem "Tauwetter", das bald in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen einsetzen könnte. Vermutlich aber richtete sich dies an die eher auf Verständigung und gute Wirtschaftsbeziehungen ausgerichtete Fraktion in der chinesischen Regierung. Denn von Tauwetter ist derzeit auf beiden Seiten nichts zu merken.

Vor einigen Wochen hatte Peking ein "Antispionagegesetz" verkündet, das ausländischen Unternehmern und Arbeitnehmern in China Sorge bereitet. Es ist so weit und vage gefasst, dass selbst Unternehmensberater und Marktforschungsunternehmen der Spionage verdächtigt werden können. Immerhin: Diese Woche traf Chinas Handelsminister Wang Wentao in Washington auf die für die Pazifikregion zuständige Abgeordnete Katherine Tai. Beobachter sehen das als Test einer möglichen Entspannung. (Philipp Mattheis, 30.5.2023)