Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat am Montag vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Statt im Winter werden die Parlamentswahlen schon am 23. Juli dieses Jahres stattfinden. "Es ist notwendig, dass die Spanier klarstellen, welche Politik gemacht werden soll und welche Kräfte diese Politik umsetzen", erklärte Sánchez, der mit einer Linkskoalition in Minderheit regiert. Er reagierte damit auf das verheerende Ergebnis für die Linksparteien bei den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag.

Regierungschef Pedro Sánchez hat nach der schweren Schlappe für seine sozialdemokratische Partei bei den Regional- und Kommunalwahlen überraschend vorgezogene nationale Parlamentswahlen in Spanien angekündigt
DER STANDARD

Seitdem ist Spaniens Landkarte weitgehend blau. Der rechte Partido Popular (PP) hat bei den Kommunal- und Regionalwahlen stark zugelegt. Im Bündnis mit der rechtsextremen Vox werden die Konservativen die Regierung in mehreren Regionen und in vielen großen Städten des Landes übernehmen, die bisher von Linkskoalitionen regiert wurden.

So geht die Region Valencia nach acht Jahren wieder zurück an den PP, der einst aus der Mittelmeerregion die korrupteste Gegend Spaniens gemacht hatte. Extremadura, eine der historischen Hochburgen der Sozialisten wird künftig von einer Koalition der rechten und Rechts-außen-Kräfte regiert werden. Das Gleiche gilt für die Balearen und Aragonien. In der Hauptstadtregion Madrid erzielte der PP die absolute Mehrheit. Auf kommunaler Ebene fallen Städte wie Sevilla, Granada, Valencia oder Zaragoza an PP und Vox. Die linksalternative Bürgermeisterin in Barcelona, Ada Colau, verliert ihr Amt an Xavier Trias, den Kandidaten der Unabhängigkeitspartei JuntsxCat des exilierten Carles Puigdemont.

Gegen "Sánchismus"

Dank einer gezielten Energiepolitik stiegen die Strompreise weniger als im restlichen Europa. Während Länder wie Deutschland in die Rezession rutschen, wächst Spaniens Wirtschaft stetig.

Dem PP unter Parteichef Alberto Núñez Feijóo ist es gelungen, aus dem Urnengang eine Art Referendum über den "Sánchismus" zu machen. Die Rechten bestimmten den Wahlkampf mit Themen, die nichts mit Kommunal- oder Regionalpolitik zu tun haben. So warfen sie Sánchez immer wieder vor, das Land "an die Feinde Spaniens zu verkaufen". Gemeint sind damit der linksalternative Koalitionspartner Unidas Podemos sowie die Unterstützung der Minderheitsregierung Sánchez durch katalanische und baskische Parteien.

Ausbau des Sozialstaats

Den Sozialisten gelang es nicht, ihre Themen in die Debatte zu bringen. Dabei hätten sie einiges vorzuweisen gehabt. Die Linkskoalition unter Sánchez hat während der Covid-Pandemie und der Ukraine-Krise den Sozialstaat ausgebaut wie nie zuvor, und das immer gegen die Stimmen der Konservativen. Mindestlohn und Renten wurden angehoben, der Kündigungsschutz erweitert, ein Mieterschutz sowie Krisenhilfen für Selbstständige und Kurzarbeitsprogramme eingeführt.

Der PP profitierte vor allem vom Untergang der rechtsliberalen Ciudadanos. Diese flogen in hohem Bogen aus sämtlichen Regionalparlamenten und fast allen Gemeinde- und Stadträten. Ihre Stimmen gingen zum Großteil an den PP.

Für Sánchez wird es nicht leicht. Er muss seine Sozialisten aus der Depression führen und hoffen, dass sich die Parteien links der Sozialisten neu gruppieren und somit wieder attraktiv für die Wähler werden.
Gleichzeitig wird der PP in den kommenden Wochen eine Koalition nach der anderen mit Vox in Regionen und Gemeinden bekanntgeben. Das macht so manchem in Spanien Angst und könnte die linke Wählerschaft mobilisieren.

Fragmentierte Mehrheiten

Sánchez hat nur eine Chance: einmal mehr der Ministerpräsident eines Sammelsuriums von linken, regionalen und nationalistischen Parteien zu werden. Sie alle wollen eine Rechts/Rechts-außen-Politik, die die Vielfalt Spaniens leugnet, verhindern. Dabei werden die Sozialisten auch weiter auf die baskische EH Bildu angewiesen sein. Die Linksnationalisten wurden bei den Kommunalwahlen im Baskenland und Navarra erstmals stärkste Partei und ließen die konservative Baskisch-Nationalistische Partei hinter sich. (Reiner Wandler, 29.5.2023)