Die Reaktion des ultrarechten Abgeordneten Dan Bishop war ebenso derb wie unmissverständlich. Seine Partei habe "praktisch nichts als Gegenleistung für die Anhebung der Schuldengrenze um vier Billionen Dollar" bekommen, wetterte der Republikaner und garnierte seinen Tweet mit einem kotzenden Emoji. Dafür habe sie keinen Wahlkampf gemacht, protestierte auch die rechte Hardlinerin Lauren Boebert: "Ich stimme mit Nein." Kollege Ralph Norman pöbelte: "Dieser Deal ist krank."

Der radikale Trump-Flügel der Republikaner befindet sich in Aufruhr, Joe Biden wirkt zufrieden, und die Finanzmärkte sind beruhigt, seit sich der demokratische US-Präsident und der republikanische Repräsentantenhaussprecher Kevin McCarthy in letzter Minute auf einen Kompromiss zur heiß umstrittenen Anhebung der Schuldenobergrenze geeinigt haben. Wenn der Deal in den nächsten Tagen vom Kongress gebilligt wird, verhindert er den ersten Zahlungsausfall der USA, der die Weltwirtschaft mutmaßlich in schlimmste Turbulenzen gestürzt hätte.

Kompromiss für beide Seiten

Die Übereinkunft sei "eine gute Nachricht" für die Menschen in den USA, erklärte Biden, räumte aber auch ein: "Das ist ein Kompromiss." In dem 99-seitigen Gesetzesentwurf, der am Sonntagabend veröffentlicht wurde, stehe "nicht ein einziger Erfolg" der Demokraten, brüstete sich hingegen McCarthy. Trotz der Proteste der Hardliner in seiner Partei erwarte er, "dass die Mehrheit der Republikaner dafür stimmen wird".

Wochenlang waren sich Demokraten und Republikaner im Streit um die Schuldengrenze unversöhnlich gegenübergestanden. Ohne eine Einigung wäre der größten Volkswirtschaft der Welt nach Schätzungen von Finanzministerin Janet Yellen am 5. Juni das Geld ausgegangen. Weil große Teile der Republikaner mit extremen Forderungen eher am Spektakel als an einer Einigung interessiert schienen und Verhandlungsführer McCarthy intern eine schwache Position hat, befürchteten nicht wenige Beobachter, dass das rituelle Gerangel dieses Mal außer Kontrolle geraten könne.

Joe Biden steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
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Diese Gefahr scheint nun gebannt. Für den Kompromiss musste Biden zwar Zugeständnisse machen. Doch fallen die Abstriche bei seiner Agenda deutlich moderater als befürchtet aus. Hingegen mussten die Republikaner weit von ihren radikalen Forderungen abweichen. Statt der von ihnen verlangten Einschnitte im Umfang von drei Billionen Dollar dürften die Ausgaben nach Schätzungen der New York Times nun um 650 Milliarden Dollar zurückgefahren werden, wobei Einbußen bei einzelnen Vorhaben teils durch Umschichtungen aus anderen Bereichen ausgeglichen werden.

Obergrenze bis 2025

Konkret friert die Vereinbarung die Staatsausgaben jenseits des Militärhaushalts für 2024 und 2025 praktisch auf dem Niveau des laufenden Jahres ein. Im Gegenzug wird die Schuldenobergrenze bis Anfang 2025, also bis nach der Präsidentschaftswahl, angehoben. Das ist für Biden ein wichtiger politischer Erfolg. Auch werden weder die Sozialabgaben drastisch beschnitten noch die Subventionen des Klimagesetzes oder das Programm zum Erlass der Studienschulden rasiert, wie das die Republikaner gefordert hatten. Allerdings werden die Mittel zur besseren Ausstattung der maroden Steuerbehörde IRS um 20 Milliarden auf 60 Milliarden Dollar gekürzt.

Besonders umstritten war die Forderung der Republikaner, staatliche Leistungen wie die Basis-Krankenversicherung Medicaid und Lebensmittelhilfen nur noch jenen zu gewähren, die eine Mindestzahl von Wochenstunden arbeiten. Eine solche Auflage wird es nicht geben.

Das Gesetz steht nun vor einer turbulenten parlamentarischen Befassung. Um seine Wahl zum Sprecher des Repräsentantenhauses zu sichern, hatte McCarthy den ultrarechten Hardlinern nämlich weitreichende personelle Zugeständnisse gemacht. Nun dürften sie die Einbringung des Gesetzes mit ihren Abgeordneten torpedieren. McCarthy ist dann auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Eine Mehrheit gilt aber hier wie auch im Senat gleichwohl als höchstwahrscheinlich. (Karl Doemens aus Washington, 29.5.2023)