Wenn Kinder ausziehen, ist die größte Sorge der Eltern, wovon sich die Sprösslinge künftig ernähren sollen. Pizza, Döner, Tofu? OMG! Um kulinarische Katastrophen zu verhindern, wurden verschließbare Gefäße erfunden, mit denen sich Mamas und Papas Kochkünste von dahoam in die weite Welt exportieren lassen. Aufwärmen, fertig!
So ähnlich kümmern sich Vögel um ihren Nachwuchs. Haben die Jungvögel das Nest verlassen, werden sie noch eine Zeitlang weiter mit Leckereien versorgt. Dazu versammeln sich die hungrigen Ästlinge, wie die Juniors in dieser Phase genannt werden, häufig auf exponierten Plätzen, wo sie relativ leicht wiedergefunden werden können. Bei uns im Garten lassen sich derzeit vor allem kleine Kohlmeisen und Blaumeisen von ihren Eltern durchfüttern. Eine Bachstelzen-Familie hat sich das Dach des Nachbarhauses als Bühne für die Fütterung ausgesucht. Seither schauen wir dauernd (auch mit dem Fernglas) rüber, hoffentlich glauben uns die Nachbarn, dass wir nur die Vogerln stalken.
Zur Brutzeit auch in Gärten
Auf der Speisekarte der kleinen Bachstelzen steht alles, was der Garten derzeit so zu bieten hat: Fliegen, Libellen, Käfer, Raupen, sogar eine große Holzbiene verschwand schon in einem weit aufgerissenen Schnabel. Nach rund einer Woche beenden die Erziehungsberechtigten ihren anstrengenden Fliegerando-Service, die Kids müssen fortan selbst auf die Jagd gehen.
Dass überhaupt Bachstelzen (Motacilla alba) bei uns aufgetaucht sind, hat uns überrascht. Wir hätten die Singvögel aus der Familie der Stelzen und Pieper eher in der Nähe von Gewässern vermutet, und der nächste Bach ist mehr als einen Kilometer entfernt. Doch mittlerweile gehören Bachstelzen zu den sogenannten Kulturfolgern, vor allem zur Brutzeit sind sie auch in Gärten und Siedlungen anzutreffen. Mit ihrem hübschen, schwarzweißen Gefieder, ihren langen Beinen und dem langen, wippenden Schwanz ist die Bachstelze leicht zu erkennen.
Im Herbst ab in den Süden
Bachstelzen sind Zugvögel, wenn es im Herbst huschi wird, geht es ab in den Süden. Ihre Routen sind gut erforscht: Die mitteleuropäische Population überwintert im westlichen Mittelmeerraum und im westlichen Afrika, die Vögel Nord- und Osteuropas zieht es eher in den östlichen Mittelmeerraum, nach Ostafrika und auf die Arabische Halbinsel. Bis zu ihrer ersten großen Reise im Oktober haben die kleinen Bachstelzen noch genügend Zeit, sich einen Speckvorrat anzufressen. (Michael Simoner, 31.5.2023)