Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen
Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen wurde 87 Jahre alt.
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Um in der Wissenschaft erfolgreich zu sein, muss man manchmal gegen den Strom schwimmen. Das gelang dem deutschen Virologen Harald zur Hausen: Obwohl Fachkollegen skeptisch waren, ob Viren krebserregend sein können, und den Forscher mitunter als "Spinner" bezeichneten, ließ sich dieser nicht beirren. Schließlich gelang es zur Hausen, dies für Humane Papillomviren (HPV) nachzuweisen. Diese sexuell übertragbaren Hautwarzen-Viren können Gebärmutterhalskrebs verursachen. Auf dieser Basis wurde ein Impfstoff entwickelt, als dessen geistiger Vater Harald zur Hausen gilt. Am vergangenen Sonntag ist der renommierte Krebsforscher, der für seine Leistungen 2008 auch den Medizin-Nobelpreis erhielt und international bekannt ist, gestorben.

Lebensrettende HPV-Impfung

Geboren wurde zur Hausen am 11. März 1936 in Gelsenkirchen. Er studierte in Bonn, Hamburg und Düsseldorf Medizin und forschte zeitweise in den USA. In den 1980er-Jahren gelang ihm der Nachweis des Zusammenhangs zwischen HPV-Infektion und Gebärmutterhalskrebs. Er ebnete den Weg zur Impfung, die seit 2006 in Europa zugelassen ist und vor allem Mädchen und jungen Frauen, aber auch vermehrt Burschen und jungen Männern empfohlen wird. Dies war für zur Hausen wesentlich, da sie als Hauptüberträger des Virus durch Geschlechtsverkehr gelten. Zudem können alle Geschlechter beispielsweise von Analkrebs und Rachenkrebs betroffen sein – Erkrankungen, die die Viren neben Gebärmutterhalskrebs ebenfalls in seltenen Fällen hervorrufen können. "Nur wenn auch Männer flächendeckend geimpft werden, ist es theoretisch möglich, diese Viren auszurotten", sagte er 2017 im STANDARD-Interview.

Noch immer führt Gebärmutterhalskrebs allein in Europa bei tausenden Betroffenen zum Tod. Neben den Früherkennungsprogrammen rettete auch die HPV-Impfung vielen Frauen das Leben. Zwei Jahre nach der Erstzulassung des HPV-Impfstoffs in Europa wurde zur Hausen für seinen Nachweis eine Hälfte des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin verliehen. Die andere Hälfte ging für die Entdeckung von HIV, das die Krankheit Aids verursacht, an die französische Virologin Françoise Barré-Sinoussi und ihren Kollegen Luc Montagnier. Auch damals forschte zur Hausen noch am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, das er 20 Jahre lang geleitet hatte. Das Institut teilte am Montagabend mit, dass der Virologe verstorben ist. "Mit ihm verlieren wir einen herausragenden Wissenschafter, der auf dem Gebiet der Tumorvirologie bahnbrechende Leistungen erbracht hat", sagte Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Vorstand des DKFZ.

Forschung an tierischen Erregern

Dass es Möglichkeiten gibt, Krebserkrankungen durch Impfungen vorzubeugen, ist noch immer ein Meilenstein der medizinischen Forschung. "Ohne Übertreibung kann man sagen, dass Harald zur Hausen damit eine ganz neue Dimension der Krebsprävention eröffnet hat", sagte Baumann. Und in einen weiteren Bereich, der wissenschaftlich umstritten ist, stieß der Virologe vor: Er beschäftigte sich zuletzt vor allem mit möglichen Zusammenhängen zwischen Kuhmilch- und Rindfleischkonsum und der Entstehung von Brust- und Darmkrebs. Bestimmte Bestandteile von Bakterien könnten gemeinsam mit anderen Einflussfaktoren dazu beitragen, Krebserkrankungen hervorzurufen.

Bei der Prävention spiele der Verzicht auf rotes Fleisch und tierische Milch eine untergeordnete Rolle, sagte zur Hausen: "Ob wir heute Rindfleisch essen oder nicht, ändert am Risiko einer Brust- oder Darmkrebserkrankung nichts mehr." Denn schon Babys kämen mit den Erregern in Kontakt. Es gebe jedoch Hinweise darauf, dass Muttermilch eine schützende Funktion hat, weshalb zur Hausen für ein mindestens sechsmonatiges Stillen plädierte: "Während der Stillperiode kann sich der Säugling nicht mit diesen Erregern infizieren, weil durch spezielle Zucker in der Muttermilch die Rezeptoren für die Infektionserreger blockiert werden." Später sei das Immunsystem besser in der Lage, auf den Erreger zu reagieren. Entsprechende Forschungsprojekte führte er auch gemeinsam mit der Biologin Ethel-Michele de Villiers durch, die er 1993 heiratete und deren Forschungsbeiträge und Unterstützung er in seiner Nobelpreisbiografie hervorhob. Aus erster Ehe hatte zur Hausen drei Söhne.

Zeit seines Lebens erhielt zur Hausen etliche akademische Ehrungen. Neben dem Nobelpreis, der freilich den Höhepunkt seiner Auszeichnungen darstellt, wurden ihm fast 40 Ehrendoktorwürden und zahlreiche Ehrenprofessuren zuteil. 2009 erhielt zur Hausen das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2017 ernannte ihn die Stadt Heidelberg zum Ehrenbürger. Bis ins hohe Alter kam er ins DKFZ und forschte an Erregern, die mit der Entstehung von Brust- und Darmkrebs in Verbindung stehen könnten. Der umstrittene und revolutionäre Wissenschafter wurde 87 Jahre alt. (sic, APA, 30.5.2023)