Wiener Landesgericht
Der Angeklagte nahm die Strafe an, das Urteil ist nicht rechtskräftig.
APA/GEORG HOCHMUTH

Wie kann es sein, dass der Vermittler einer Waffe eine lebenslange Haftstrafe ausfasst, der mutmaßliche Dealer aber nicht? Der Fall des Slowenen Marsel O. bleibt ein Justizmysterium.

Der Angeklagte legte ein Geständnis ab, betonte aber, er habe die Pistole nicht direkt dem Attentäter gegeben.
APA

Der 31-Jährige soll nämlich dafür gesorgt haben, dass niemand geringer als der Jihadist K.F. ein Sturmgewehr, eine Pistole und scharfe Munition in seine Hände bekam. Damit hatte der radikale Islamist am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschen erschossen und etliche weitere verletzt.

Illegal? "Ja."

Am Dienstag wurde ein geständiger Marsel O. am Wiener Landl nicht rechtskräftig zu einer bedingt neunmonatigen Freiheitsstrafe nach Verstößen gegen das Waffengesetz verurteilt - allerdings nur wegen der Pistole. Ins Gefängnis muss er nicht, sollte sich O. in den nächsten drei Jahren ordentlich benehmen. Nach 40 Minuten war seine Gerichtsverhandlung vorbei. Sein angeblicher Kontakt in Wien kam nicht so einfach davon. 

Der Deal mit dem Wiener Attentäter kam über den 32-jährigen Tschetschenen Adam M. zustande. Das gab M. im  Anfang Februar zu Ende gegangenen Wiener Terrorprozess gegen sechs mutmaßliche Komplizen des Attentäters zu, in dem er im Gegensatz zu Marsel O. auf der Angklagebank saß. Nicht einmal als Zeuge musste der Slowene dort auftreten. Warum, das erschien Beobachtern im Gerichtssaal bis zum Schluss als zumindest hinterfragenswert.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte stets, dass O. deshalb kein Beschuldigter war, weil man ihm nicht nachweisen konnte, dass er von den Anschlagsplänen des Terroristen gewusst hatte. Das konnte zwar auch Adam M. nie schlüssig nachgewiesen werden, er wurde aber dennoch wegen Beteiligung am Mord schuldig gesprochen. 

O. will den Attentäter weder gesehen, noch mit ihm gesprochen haben, sagte er vor Gericht aus. Er habe die Waffen für Adam M. besorgt und gedacht, dass dieser sammle oder sie für den Selbstschutz brauche. Woher die Waffen samt Munition kämen, wollte der Richter wissen? O. gab an, in Slowenien öfters einen Schießstand besucht und dort Leute kennengelernt zu haben, die Waffen besorgen könnten. Illegal? "Ja."  Dass , tue ihm "unendlich leid". 

Angeklagter profitierte von Justizirrtum

Hinzu kam im Vorfeld noch eine Panne der Wiener Staatsanwaltschaft. Die Zastava M70 – ein im ehemaligen Jugoslawien hergestelltes, auf der Technik des Kalaschnikow-Sturmgewehrs AK-47 beruhendes Modell – war aufgrund eines "inakzeptablen Fehlers" der Justizbehörde, wie Justizministerin Alma Zadic (Grüne) am Pfingstwochenende eingeräumt hatte, nicht mehr Prozessgegenstand.

Die Anklagebehörde hatte 2021 irrtümlich vorzeitig ein Verfahren eingestellt, in das der Slowene einbezogen war. Marsel O. konnte daher nicht mehr für die im bereits im Juni 2020 erfolgte Zustellung der Zastava – ein möglicher Verstoß gegen das Kriegsmaterialgesetz – zur Verantwortung gezogen werden. 

Der 32-Jährige befindet sich auf freiem Fuß, die Staatsanwaltschaft Wien hatte nie seine Festnahme beantragt. Der erst vor wenigen Tagen bekannt gewordene Lapsus bei der Staatsanwaltschaft hatte indes bereits Folgen. Die Justizministerin leitete eine dienstrechtliche Prüfung ein und ordnete eine Stärkung der internen Fachaufsicht sowie strukturelle Änderungen in der Wiener Anklagebehörde an. (Jan Michael Marchart, APA, 30.5.2023)

Weiterlesen: