Die Regierung grübelt über den mehr als 5.000 Stellungnahmen zum geplanten ORF-Gesetz mit einem Beitrag für alle Haushalte und Firmen. Der ORF widmet sich nach intensivem Lobbying bei der Politik nun wieder Besetzungsfragen – die die Politik üblicherweise mehr interessieren als ORF-Gesetze. Im Fokus: die künftige Führung des zentralen ORF-Newsrooms. Die große, anstehende Neubesetzung könnte aber auch bis in die Direktion reichen.  

Chefunterhalter gesucht

Der ORF eröffnete den anstehenden Besetzungsreigen am Wochenende mit der Ausschreibung des TV-Unterhaltungschefs. Die Funktion hat der langjährige Chefunterhalter Alexander Hofer mit April gegen die ORF-Landesdirektion Niederösterreich getauscht. Derzeit leitet Hofers Stellvertreter Florian Illich die TV-Unterhaltung des ORF interimistisch – zuständig also für Shows, Kabarettformate, Gesellschaftsmagazine, Kinder- und Familienprogramm. Bruttojahresgehalt laut Ausschreibung: zumindest 86.592,91 Euro.

ORF-General Roland Weißmann hat den Unterhaltungschef ausgeschrieben – Alexander Hofer (rechts) wechselte ja als Landesdirektor nach Niederösterreich.
ORF-General Roland Weißmann hat den Unterhaltungschef ausgeschrieben – Alexander Hofer (rechts) wechselte ja als Landesdirektor nach Niederösterreich.
APA / ORF / Thomas Ramstorfer

Parallel war Hofer Channel-Manager von ORF 2. Den Job könnte eine künftige Unterhaltungschefin oder ein Unterhaltungschef womöglich wieder mitübernehmen. Ausgeschrieben ist die Funktion bisher noch nicht – interimistisch ist Programmplaner Michael Andersch Channel-Manager.

Channel-Managerin von ORF 1 wiederum ist Stefanie Groiss-Horowitz neben ihrem Job als Programmdirektorin seit 2022. Eine Ausschreibung lässt sich nicht absehen. 

Neue Newsroom-Führung

Konkreter klingen da schon die Vorarbeiten für eine neue Newsroom-Führung, die nach dem Rücktritt von Matthias Schrom (TV) und dem Wechsel von Hannes Aigelsreiter (Radio) an die Spitze des ORF-Sports derzeit großteils interimistisch mit den bisherigen Stellvertreterinnen besetzt ist – Eva Karabeg (TV) und Gabi Waldner-Pammesberger (Radio).

Entwürfe über die künftige Newsroom-Struktur kursieren schon eine Weile, ORF-General Roland Weißmann hat sie bisher stets vor dem Sommer angekündigt. Kolportiert werden drei Chefredakteurinnen beziehungsweise Chefredakteure, nicht mehr nach Medien sortiert, sondern zuständig für

  • die Sendungsteams wie jene von Ö1-"Journalen" oder "ZiB" beziehungsweise "ZiB 2", 
  • die Fachressorts – die selbst auch erst medienübergreifende Ressortleitungen bekommen sollen, und
  • den Newsdesk, zuständig für Breaking News, Social Media, Kurznachrichten.

Den Newsdesk leitet schon seit Sommer 2022 Sebastian Prokop, bis dahin Infochef von Ö3. Er dürfte doch ganz gute Chancen auf die Funktion in einer neuen Chefredaktion haben. Die derzeit interimistisch leitenden, bisherigen Stellvertreterinnen Waldner und Karabeg dürften wohl auch dem Team angehören. Derzeit ist zudem Christian Braun-Staudinger im Newsroom für ORF.at zuständig als Chefredakteur. Den Newsroom sollen, geschlechterparitätisch besetzt, je drei Chefredakteurinnen oder Chefredakteure plus drei Stellvertreter leiten.  

Gehandelt wurden zudem etwa auch schon Raphaela Schaidreiter, die Brüssel-Korrespondentin war zuvor auch schon als Wirtschaftsressortchefin im Gespräch. Ebenso Rebekka Salzer ("Hohes Haus", "Zeit im Bild") und Julia Ortner ("Report"). Die "Krone" nannte zudem etwa Chronik-Chefin Claudia Lahnsteiner sowie Esther Mitterstieler und Eva Weissenberger. Die frühere ORF-Journalistin und Chefredakteurin der "Kleinen Zeitung" Kärnten sowie von "News" Eva Weissenberger leitet heute das Media- und Datacenter der Wirtschaftskammer Österreich. "Das entbehrt jeder Grundlage", erklärt Weissenberger gegenüber dem STANDARD. Mitterstieler wiederum ist seit 2021 ORF-Landesdirektorin in Tirol und soll für den Job im Newsroom bisher abgewunken haben.

Option: Infodirektorin

Die Neu- und Umbesetzungen könnten bis ins ORF-Direktorium reichen. ORF-General Weißmann hat schon 2021 in seinem Bewerbungskonzept eine "Anpassung der Geschäftsführungsstruktur an den Wandel" angekündigt: "Die Zeit für starre, unveränderte Strukturen ist vorbei, wir brauchen Flexibilität und müssen dazu in der Lage sein, auch unsere Führungsstrukturen an die jeweiligen Bedürfnisse des Medienwandels anzupassen. Im Laufe der Geschäftsführungsperiode möchte ich die Geschäftsführungsstruktur entsprechend anpassen und neu aufstellen, um ein agiles Arbeiten zu gewährleisten." 

Weißmann soll schon länger überlegen, die Information wieder an einen Direktor oder eine Direktorin abzugeben – als Alleingeschäftsführer bleibt er freilich ohnehin letztverantwortlich. Sein Vorgänger Alexander Wrabetz hat die Info in die ORF-Generaldirektion geholt. Eine logische Variante wäre: Die langjährige ORF-Journalistin und ehemalige ORF-3-Chefredakteurin Ingrid Thurnher könnte als Direktorin – wohl zusätzlich zum Radio – die ORF-Information über alle Medien übernehmen. Groiss-Horowitz wäre dann im Direktorium das Pendant zur Unterhaltung.

Eine solche Rochade im Direktorium dürfte allerdings nicht unmittelbar anstehen; die "Geschäftsführungsperiode" dauert ja regulär noch eine Weile. Weißmann und sein Team sind bis Ende 2026 bestellt. Mitte 2024 wäre da gerade Halbzeit – aber zugleich, falls nicht schon früher gewählt wird, ein Nationalratswahlkampfjahr.

Ö3 und Ö1 brauchen Führung

Vorher braucht Ö3 einen neuen Chef – Langzeitmanager Georg Spatt verlässt den ORF in den nächsten Wochen. Als möglicher Nachfolger wurde Michael Pauser gehandelt, früher in der Programmgestaltung von Ö3, nun in der ORF-Technikdirektion. Interimistisch führt Langzeitvize Albert Malli den Sender. 

Spätestens 2024 braucht auch Ö1 einen neuen Senderchef, derzeit verwaltet Stellvertreterin Silvia Lahner den Sender für den erkrankten Channel-Manager Martin Bernhofer. Von einem neuen Chef oder einer neuen Chefin werden Reformen für das erfolgreiche Kultur- und Inforadio erwartet. 

Angebote hinterfragen

In der ORF-Geschäftsführung geht es – mit Blick auf das geplante neue ORF-Gesetz – derzeit um andere Themen. ORF-Chef Weißmann hat intern und in Stellungnahmen nach außen als Ziel einen "ORF für alle" ausgegeben – schließlich sollen ab 2024 alle Haushalte und Firmen unabhängig vom Empfang einen "ORF-Beitrag" zahlen. Das klingt zugleich nach einem – von privaten Medien zuletzt wieder heftig kritisierten – breiten und womöglich noch breiteren Angebot.

Wird die ORF-Novelle Gesetz, wie sie in Begutachtung war, darf der ORF künftig erstmals auch für Streaming und Online produzieren. Das könnte dazu führen, dass der ORF auf Sicht bei linearen Angeboten kürzt – jedenfalls die Mittel. Das ZDF etwa hat schon an die 100 Millionen Richtung Streaming verschoben. 

Auf dem Weg Richtung "ORF für alle" sollen die bisherigen Programme und Angebote hinterfragt werden – vor allem Parallelangebote für dieselbe Zielgruppe, etwa kulturinteressierte Menschen über 50. Kulturangebote könnten künftig in einem multimedialen Kultur-Cluster gebündelt und koordiniert werden. Der Spartenkanal ORF 3 und die Kultur in ORF 2 arbeiten etwa nebeneinander – gelegentlich auch mit Potenzial für Parallelaktionen. Einen solchen übergreifenden Kultur-Cluster könnte etwa ORF-3-Chef Peter Schöber überblicken. 

Ausgeschrieben hat der ORF an diesem Wochenende zudem Abteilungsleiterjobs für Barrierefreiheit und Inklusion sowie für Humanitarian Broadcasting, Mindestgehalt jeweils mindestens 67.092,90 brutto im Jahr. Um Barrierefreiheit soll sich laut ORF Robert Ziegler kümmern. Ziegler ist nach Interventionsvorwürfen als ORF-Landesdirektor in Niederösterreich zurückgetreten, seinen Job übernahm Alexander Hofer.

Bewerbungsschluss für die beiden Abteilungsleiterjobs bei Hauptabteilungsleiter Pius Strobl – er wird Ende Juni 67 – ist der 10. Juni. Bis dahin werden auch Bewerbungen für die Hauptabteilung Unterhaltung angenommen. (fid, 31.5.2023)