Am Sonntag hat die malaysische Marine das chinesische Frachtschiff Chuan Hong 68 aufgebracht, das illegal in die Gewässer des Pazifikstaats eingedrungen war. An Bord wurden Altmetall sowie Munition aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die Artilleriegranaten stammen laut BBC von den Wracks der 1941 versenkten britischen Kriegsschiffe HMS Prince of Wales und HMS Repulse.
Marinesprecher Nurul Hizam Zakaria sagte der Zeitung "New Straits Times", möglicherweise ankere ein chinesisches "Mutterschiff" außerhalb malaysischer Gewässer. "Wir untersuchen die Möglichkeit, dass das Schiff zu einem Mutterschiff hin- und hergefahren ist, um die gestohlenen Gegenstände abzuladen."
Begehrter Stahl
Stahl aus alten Schiffswracks ist bei spezialisierten Schrotthändlern äußerst begehrt: Wenn das Roheisen vor dem ersten Atomtest am 16. Juli 1945 und den Bombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki zu Stahl veredelt wurde, ist dieser weniger radioaktiv kontaminiert als moderner Stahl und eignet sich für die Herstellung hochempfindlicher Strahlungsmessgeräte. Bei der Veredelung werden große Mengen Luft oder Sauerstoff in das geschmolzene Roheisen eingeblasen, um den Kohlenstoffanteil zu senken.
Auch andere Metalle aus lange vergangenen Zeiten werden für solche Zwecke verwendet: Der Neutrinodetektor des Italienischen Instituts für Nuklearphysik enthält zum Beispiel Blei, das aus einem römischen Wrack geborgen wurde. Die Unesco-Konvention zum Schutz des Unterwasser-Kulturerbes untersagt die wirtschaftliche Nutzung historischer Funde, zu Forschungszwecken dürfen diese aber verwendet werden.
Die HMS Exeter verschwand fast spurlos
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Plünderer im Pazifik an Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg zu schaffen machen. Die Besatzung der Chuan Hong wird verdächtigt, bereits andere Schiffswracks aus dem Zweiten Weltkrieg im Südchinesischen Meer geplündert zu haben, darunter in indonesischen, singapurischen, kambodschanischen und vietnamesischen Gewässern. Als britische Forscher 2017 angesichts des 75. Jahrestages der Versenkung das Wrack der HMS Exeter in der Javasee untersuchen wollten, fanden sie nur noch den Abdruck, den das Schiff in 50 Meter Tiefe auf dem Meeresboden hinterlassen hatte. Ein geplanter Besuch des damaligen britischen Kronprinzen Charles an der Unglücksstelle wurde deshalb abgesagt.
Dominic Tweddle, der Direktor des britischen Marinemuseums, zeigt sich empört über den Vandalismus an einem ausgewiesenen Kriegergrab. Mit den beiden am 10. Dezember 1941, nur drei Tage nach dem japanischen Angriff auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbour, gesunkenen Schiffen starben 840 Besatzungsmitglieder, mehr als 2.000 konnten gerettet werden.
Zahlreiche Wracks in der serbischen Donau
Auch in Europa gibt es noch Wracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Als die Donau im August 2022 historisches Niedrigwasser führte, tauchten in Serbien zahlreiche Schiffe auf, die Teil der Schwarzmeerflotte der Nazis waren, bevor sie im September 1944 bei Prahovo in der Nähe des Eisernen Tores versenkt wurden. Damit sollte zwischen den Stromkilometern 862 und 857 die Schifffahrt blockiert werden, um den Vormarsch der Roten Armee zu verlangsamen.
Bis zu 200 Wasserfahrzeuge wurden laut Euronews dort im Fluss versenkt, lediglich 30 wurden nach Kriegsende geborgen, um Donauschiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Mithilfe der EU und der Europäischen Investitionsbank sollen nun zumindest die 21 Wracks, die eine Gefahr für die Schifffahrt darstellen, geborgen werden. Die Operation wird etwa 30 Millionen Euro kosten, 16 davon kommen von westlichen Geldgebern.
Wer den begehrten Stahl aus den Donauwracks erhält, ist noch unklar: In einem Bericht der BBC in serbischer Sprache aus dem Juni 2020 ist davon die Rede, dass die geborgenen Schiffe teils ausgestellt und teils nach Deutschland gebracht werden sollten. (Bert Eder, 31.5.2023)