Bei der Präsidentschaftswahl im EU- und Nato-Staat Tschechien war Petr Pavel mit seinem klar prowestlichen Kurs erfolgreich.
Reuters / David W Cerny

Man musste sich erst daran gewöhnen: Wer Anfang des Jahres vor der tschechischen Präsidentschaftswahl mit dem Team des späteren Wahlsiegers Petr Pavel kommunizierte, schrieb E-Mails an generalpavel.cz. Auch der Slogan "Ich wähle den General" war in Pavels Kampagne allgegenwärtig – auf Plakaten, auf T-Shirts und in den sozialen Medien. Nicht ganz selbstverständlich in einer europäischen parlamentarischen Republik.

Dennoch ist es kein schneidiger Militär, der am Mittwoch und Donnerstag zum ersten Mal als tschechisches Staatsoberhaupt das Nachbarland Österreich besucht. Petr Pavel ist General im Ruhestand. Und mit seiner im Wahlkampf zur Schau gestellten Zurückhaltung ließ er manche in seinem Umfeld sogar fürchten, er würde als Kandidat allzu wenig Kante zeigen.

Die Betonung seines militärischen Ranges sollte aber etwas anderes vermitteln: irgendetwas zwischen Disziplin, Geradlinigkeit und der Fähigkeit, Ruhe und Übersicht zu bewahren. Das war es, womit Pavel sich von seinem stärksten Gegenkandidaten abgrenzte, dem Milliardär und Ex-Premier Andrej Babiš, der als impulsiv, erratisch und unberechenbar gilt. Die Rechnung ging auf, Pavel siegte in der Stichwahl mit mehr als 58 Prozent der Stimmen.

Offener Umgang mit KP-Vergangenheit

Die Biografie des heute 61-jährigen Pavel ist jedoch nicht frei von Brüchen. Es sind dieselben Brüche, die auch die Geschichte Tschechiens prägen. Während der kommunistischen Diktatur in der damaligen Tschechoslowakei absolvierte er die Militärakademie, wurde KP-Mitglied und schrieb sich in einen Kurs für Militärspionage des tschechoslowakischen Generalstabs ein.

Manche werfen ihm das bis heute vor. Doch gerade aus den ehemaligen Dissidentenkreisen bekommt Pavel auch viel Zuspruch. Zum einen liegt das am offenen Umgang mit seiner Vergangenheit, von der er sich immer wieder deutlich distanzierte. Seine KP-Mitgliedschaft bezeichnet er als Fehler, den er nicht mehr gutmachen könne. Umso mehr, so die Botschaft, wolle er nun mit seiner Expertise der demokratischen Tschechischen Republik dienen.

Mit seiner Laufbahn nach dem Ende des Kalten Krieges dürfte Pavel ebenfalls viele überzeugt haben – zumindest im prowestlichen Lager: Studienaufenthalte in den USA und in Großbritannien krönte er mit einem Abschluss im Fach Internationale Beziehungen am Londoner King's College. Von 2012 bis 2015 war Pavel Chef des tschechischen Generalstabs, zum Abschluss seiner Armeekarriere wurde er danach für drei Jahre Vorsitzender des Nato-Militärausschusses – und damit oberster Soldat des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses.

Starke Westorientierung

Auch als Präsident stehe Pavel nun für die Westorientierung Tschechiens, erklärt der Politologe Jiří Pehe, Direktor der New York University in Prag und einer von Pavels außenpolitischen Beratern. Dem "Lavieren" seines Vorgängers Miloš Zeman erteile Pavel eine Absage: "Zeman wollte eine Art Brücke zwischen West und Ost sein und hat dabei lange auch die Narrative Russlands verteidigt", so Pehe im Gespräch mit dem STANDARD. "Petr Pavel hingegen unterstützt eindeutig die Bindung an den Westen und dessen sicherheitspolitische Strukturen."

Gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine setzt Pavel klare Zeichen. Ende April etwa besuchte er die Ukraine gemeinsam mit seiner slowakischen Amtskollegin Zuzana Čaputová. Dass er gleich drei Tage blieb und dabei nicht nur nach Kiew fuhr, sondern auch nach Dnipro, wo die Lage wesentlich gefährlicher war, unterstrich die proukrainische Haltung des Ex-Generals.

Während das neutrale Österreich bei der Hilfe für Kiew auf seine roten Linien achtet und vor allem eigene Waffenlieferungen ablehnt, hat das Nato-Mitglied Tschechien der Ukraine unter anderem Panzer, Hubschrauber, Raketenabwehrsysteme und große Mengen Munition zur Verfügung gestellt. Wirft das einen Schatten auf die Beziehungen zwischen Prag und Wien? Vor allem mit dem neuen Staatsoberhaupt Petr Pavel, der einen klaren Nato-Kurs fährt? Politikwissenschafter Jiří Pehe verneint: "Ich glaube, er will die Kooperation mit Österreich sogar stärken", sagt er. Hintergrund: Pavel gehe auf Distanz zur Zusammenarbeit in der so genannten Visegrád-Gruppe (V4), in der Tschechien gemeinsam mit der Slowakei, Polen und Ungarn vertreten ist.

Auf Distanz zu Budapest

Vor allem zum nationalkonservativ regierten Ungarn habe sich Pavel wiederholt kritisch geäußert. Überraschend ist das nicht: In gesellschaftlichen Fragen, etwa bei der Ehe für alle, vertritt Pavel auch in Tschechien liberalere Positionen als Teile der rechtsliberalen Regierungskoalition von Premier Petr Fiala. "Petr Pavel plädiert zwar nicht für radikale Lösungen wie etwa den Austritt Tschechiens aus den V4", so Pehe. "Aber er will auf symbolischer Ebene den Einfluss Ungarns in der Region schwächen, indem er einen größeren Akzent auf die regionale Zusammenarbeit mit anderen Ländern legt." Hier bietet sich etwa das 2015 gegründete Austerlitz-Format an, bestehend aus Tschechien, Österreich und der Slowakei. Immerhin galt Austerlitz (auf Tschechisch Slavkov) von Anfang an als Gegengewicht zu Visegrád – auch wenn das stets nur hinter vorgehaltener Hand eingeräumt wird.

Auf Pavels Wien-Programm stehen außer Gesprächen mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Van der Bellen auch Treffen mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. In der Landesverteidigungsakademie hält der Gast eine Rede zum Thema Freiheit und Sicherheit in der globalisierten Welt.

Mit Van der Bellen kommt Pavel nicht zum ersten Mal zusammen. Zuletzt sahen die beiden sich beim Europaratsgipfel in Island. Davor gab es bereits ein informelles Treffen in Tschechien: Van der Bellen war auf Abschiedsbesuch beim scheidenden Präsidenten Zeman – und ging bei dieser Gelegenheit mit dessen bereits gewähltem Nachfolger in einen Prager Bierkeller. Eine Woche später, am 9. März, wurde Pavel angelobt. (Gerald Schubert, 1.6.2023)