DER STANDARD

Der Klimaexperte Reinhard Steurer und die Anwältin Michaela Krömer formulieren es ähnlich: Ja, es hat sich in der österreichischen Klimapolitik dank grüner Regierungsbeteiligung etwas bewegt. Aber es ist zu wenig, "wären wir in den 1970er Jahren, wäre das genügend", sagt Anwältin Krömer, die mehrere Klimaklagen vor den Höchstgerichten eingebracht hat.

Und Reinhard Steurer von der Boku legt nach: "Die Erwartungen am Beginn der Koalition waren relativ hoch, da war vom Besten aus beiden Welten die Rede, entstanden ist das damals im Geiste der Fridays-for-Future-Proteste. Was wir jetzt sehen, ist eine riesengroße Enttäuschung. Ich komme mittlerweile zur Überzeugung, dass Klimaneutralität mit dieser ÖVP bis 2100 nicht möglich ist. Das ist das Jahr, wo wir es mit technischem Fortschritt allein hinbekommen, nur ist das viel zu spät." Bis 2040 hat sich Österreich ja verpflichtet, netto keine Emissionen mehr auszustoßen.

Ist das auch eine Verantwortung der Grünen, wenn dieses Ziel verfehlt wird? Ja, sagt Steurer. Denn die haben ihre Druckmittel zuletzt nicht richtig genutzt in Bezug auf den Koalitionspartner.

Steurer und Krömer waren zu Gast beim Videotalk "STANDARD mitreden", bei dem sich Klimaministerin Leonore Gewessler der Diskussion mit den Experten und Expertinnen sowie dem SPÖ-Politiker Sven Hergovich stellte.

Die Ausgangslage für die Grünen war schon einmal leichter. Die ÖVP unter Kanzler Karl Nehammer gibt die Parole aus, dass mit zu viel Klimaschutz Schluss sein sollte. Heißt, in der Koalition tritt nun Stillstand und Blockade ein? 

Gewessler: Regierung mit Klimapolitik nicht fertig

Gewessler nahm die Kritik von Krömer und Steurer insoweit an, als sie darauf pochte, dass es mit dem Klimaschutz weder in dieser Legislaturperiode noch in den kommenden Jahren bis 2040 vorbei sein könne. "Wir sind mit Klimapolitik in dieser Regierung nicht fertig. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir nach drei Jahren Aufholjagd im Klimaschutz, in denen mehr getan wurde als in den vergangenen 30 Jahren, am Ziel wären."

Doch Gewessler pochte darauf, dass Österreich bei Emissionsreduktionen endlich sehr wohl vorankomme. Und sie ging zur Attacke über: Der SPÖ warf sie unverantwortliche Blockadepolitik vor. Am Donnerstag wurde ja ein abgespecktes Energieeffizienzgesetz beschlossen, weil die SPÖ zuvor ihre Zustimmung zum Gesetz verweigerte und damit die notwendige Zweidrittelmehrheit für einen Beschluss gefehlt hat. Die Replik von Sven Hergovich: Die Sozialdemokratie stehe bereit, mehr Klimaschutz umzusetzen, aber nur, wenn dafür die Regierung den Kampf gegen die Ursachen der Teuerung angehe. Als Beispiel nannte er etwa eine Mietpreisbremse oder Eingriffe in den Strommarkt. Die Sozialdemokratie könne es nicht verantworten, wenn hier nichts getan werde. Warum Gewessler die Aussage als unverantwortlich kritisiert? Die Antworten gibt es im Talk.

Sehen Sie dort außerdem: Wo steht Österreich beim Klimaschutz, was waren die wichtigen Gesetze bisher in dieser Koalition, was haben sie gebracht? Welchen Moment bezeichnet Steurer als "klimapolitisch stärksten" von Leonore Gewessler – und warum sieht er es als so großes Problem an, wenn nun die Emissionsreduktion zu langsam geht? Ebenfalls im Video: Welche Vorhaben planen die Grünen noch, und was geschieht, wenn Österreich beim Klimaschutz nicht weiterkommt? Und was sagt die SPÖ eigentlich zu Tempo 100? Alle Antworten im Video. (Video: Harun Celik, 1.6.2023)