Leica M11 Monochrom im Test.
Die Leica M11 Monochrom sieht der M11 zum Verwechseln ähnlich. Nur das rote Leica-Logo auf der Vorderseite fehlt.
STANDARD / Manakas

In Zeiten der Smartphonefotografie wird es immer schwieriger für Fotografinnen und Fotografen, mit ihrer Arbeit aus der Masse hervorzustechen. Fast jeder hat dadurch tagtäglich eine Kamera dabei, kann Bilder editieren und veröffentlichen, ohne jemals einen Computer bedienen zu müssen. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten – und stellt Hersteller klassischer Kameras vor die Herausforderung, neue Geräte immer innovativer und vielseitiger zu gestalten.

Leica weigert sich bis heute, diesem Trend zu folgen. Das zeigt sich einmal mehr mit der Veröffentlichung der Leica M11 Monochrom im April. Das neueste Modell der digitalen Messsucherkamera ist nicht nur spärlich ausgestattet. Wie der Name bereits nahelegt, kann es ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotografien aufnehmen – was die Zielgruppe deutlich einschränken dürfte und die Frage aufwirft, welchen Platz die Kamera eigentlich am heutigen Markt hat. DER STANDARD konnte die M11 Monochrom für mehrere Tage testen – und versucht zu beantworten, für wen sie die richtige Wahl ist.

Unauffälliges, aber schickes Design

Auf den ersten Blick kann man die M11 Monochrom kaum von der herkömmlichen M11 unterscheiden. Der einzige optische Unterschied ist, dass das vorderseitig angebrachte rote Leica-Logo gestrichen wurde. In den Blitzschuh wurde außerdem das Wort "Monochrom" eingraviert. Dass es sich nicht um dieselbe Kamera handelt, merkt man jedoch dann, wenn man die Kamera zum ersten Mal einschaltet – und sieht, dass man keine Farbfotos aufnehmen kann.

Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Magnesium-Aluminium-Gehäuse hochwertig verarbeitet ist. Mit einem Gewicht von 530 Gramm liegt es allerdings recht schwer in der Hand, was die Bedienung aufgrund des fehlenden Handgriffs an langen Tagen etwas unangenehm machen kann. Alle Tasten, Hebel und sonstigen Bedienelemente sitzen fest und haben einen angenehmen Druckpunkt. Leica ist es also durchaus gelungen, dem Nutzer das Gefühl zu vermitteln, ein Premiumprodukt in der Hand zu halten. Für das deutsche Traditionsunternehmen ist das wichtig. Immerhin verkauft es seinen Kundinnen und Kunden nicht nur einen Fotoapparat, sondern ein Accessoire, für das Interessenten tief in die Tasche greifen müssen.

Leica M11 Monochrom – Testfoto.
Die M11 Monochrom liefert stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Fotos ab, die man einfach nach Belieben bearbeiten kann.
STANDARD / Manakas

Das bedeutet keinesfalls, dass die M11 Monochrom nicht in der Lage ist, qualitativ hochwertige Fotos aufzunehmen. Der rückseitig belichtete 60-Megapixel-Vollformatsensor liefert scharfe, detailreiche und rauscharme Ergebnisse, die sich problemlos mit jenen der Konkurrenz messen können.

Kein Farbfilter, höhere Lichtempfindlichkeit

Grund dafür ist unter anderem der etwas andere Aufbau des Sensors – bzw. die Tatsache, dass kein Farbfilter verbaut wurde. Damit Digitalkameras überhaupt in Farbe sehen können, wird der Sensor mit einem Farbfilter im Schachbrettmuster überzogen. In der Regel besteht dieser zur Hälfte aus grünen Feldern und zu jeweils einem Vierteil aus roten und blauen Feldern. Das Problem: Dieser Filter wirkt sich negativ auf die Lichtempfindlichkeit des Sensors aus – was bei hohen ISO-Werten schnell zu unerwünschtem Bildrauschen führen kann.

Dieses Problem ist bei der M11 Monochrom deutlich schwächer ausgeprägt. Man kann den ISO-Wert weiter hochschrauben, bevor das Rauschen wirklich stört. Positiv kommt hinzu, dass es dank des fehlenden Farbfilters kein Farbrauschen gibt. Dieses führt bei herkömmlichen Kameras zu violetten Verfärbungen – und ist bei einer Schwarz-Weiß-Kamera logischerweise nicht existent.

Nicht perfekt

Wie schon die M11, die DER STANDARD Anfang letzten Jahres testen konnte, ist die M11 Monochrom jedoch nicht frei von Mängeln. Der verbaute Maestro-III-Bildprozessor hat gelegentlich Probleme, mit dem hochauflösenden 60-Megapixel-Sensor mitzuhalten. Das zeigt sich vor allem beim Start der Kamera. Bis diese nach dem Einschalten einsatzbereit ist, braucht es etwa drei Sekunden. Was von außen betrachtet eine kurze Zeitspanne ist, hat gerade im Fall von Streetfotografie zur Folge, dass man gelegentlich den entscheidenden Moment verpasst. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kamera in den Ruhezustand versetzt wird, wenn man sie eigentlich eingeschaltet lässt. Sie braucht dann erneut drei Sekunden, um einsatzbereit zu sein. Deaktivieren sollte man den Modus allerdings auch nicht. Zumindest dann, wenn man mit einer Akkuladung durch den Tag kommen möchte.

Leica M11 Monochrom – Testfoto #2
Auch für Streetfotografie kann man die neue M-Kamera nutzen.
STANDARD / Manakas

Das ist noch nicht alles. Die eigentlich positive Entwicklung hin zu einem Sensor mit höherer Auflösung steht einem in der Praxis teilweise im Weg. M-Kameras werden klassischerweise manuell fokussiert, man muss sich also ganz und gar auf das eigene Auge verlassen – und sicherstellen, dass das im Sucher angebrachte Mischbild perfekt übereinanderlegt. Auf der einen Seite handelt es sich dabei um einen der größten Anreize des M-Systems, da man auch Optiken aus dem letzten Jahrhundert nutzen kann. Auf der anderen Seite gibt es keinerlei elektronische Kopplung zwischen Objektiv und Kamera. Schon beim Test der M11 fiel allerdings auf, dass die neu gewonnene Detailtreue jede noch so kleine Ungenauigkeit in der Fokussierung aufdeckt, die bei älteren Digital- und Analogkameras noch verzeihbar gewesen wäre. Betroffen sind davon natürlich insbesondere Aufnahmen mit offener Blende.

Etwas zu wünschen übrig lässt außerdem die automatische Belichtungsmessung. Stellt man alle Einstellrädchen auf Automatik, wählt die Kamera selbstständig den ISO-Wert und die Belichtungszeit. Nur die Blende muss dann noch manuell eingestellt werden. Zur Wahl steht hier dann eine Spotmessung, eine mittenbetonte und eine Mehrfeldmessung. Außerdem gibt es die Option, helle Bereiche zu betonen – was gerade bei Schwarz-Weiß-Fotografie interessant sein kann, um kontrastreiche Fotos aufzunehmen.

Entschleunigung als Ziel

Das Problem: Wählt man diese aus, endet man in der Regel mit überbelichteten Fotos. Dabei legt die Einstellung nahe, dass die Kamera sich auf helle Bereiche fokussiert und sicherstellt, dass diese korrekt belichtet werden – und dafür Details im Schattenbereich opfert. Das funktioniert offensichtlich nicht. Man ist deshalb am besten beraten, die mittenbetonte oder die Mehrfeldmessung zu nutzen und die gewünschte Bildwirkung in der Nachbearbeitung zu erzielen.

M11 Monochrom – Testfoto #3
Mit der M11 Monochrom muss man sich auf die Suche nach kontrastreichen Szenarien machen.
STANDARD / Manakas

An dieser Stelle muss zur Verteidigung der Kamera zumindest eingeworfen werden, dass ein großer Teil der Zielgruppe der M11 Monochrom die Einstellungen vermutlich sowieso lieber manuell vornehmen möchte. Niemand kauft sich eine M-Kamera, weil er auf unzählige Supportsysteme hofft. Ganz im Gegenteil sind Fans auf der Suche nach Entschleunigung und einem minimalistischen Erlebnis.

Leica ist sich dessen bewusst. Das zeigt sich auch beim Durchsuchen der Menüs. Auf der Rückseite befinden sich nur drei Tasten, ein Steuerkreuz und ein Kontrollrad. Diese ermöglichen es unter anderem, geschossene Fotos anzusehen oder das Menü zu öffnen. Interessant ist hier, dass man immer erst in einem übersichtlichen Quick-Menu landet. Dort kann man alle wichtigen Einstellungen vornehmen, darunter die Belichtung, Belichtungskorrektur etc. Außerdem sieht man, wie viel Speicherplatz noch frei ist, wie viel Akku verbleibt und ob das WLAN aktiviert wurde. Nach der Ersteinrichtung ist es kaum noch notwendig, in die tieferen Menüs einzutauchen. Sogar die Speicherkarte kann man formatieren.

Gute Ausstattung – für eine Leica

Schade ist es allerdings, dass man nur die Fotowiedergabe und die Schnelleinstellungen per Touchscreen bedienen kann. Alles, was tiefergeht, muss per Steuerkreuz angewählt werden. Apropos: Der rückseitige Monitor misst 2,95 Zoll, ist mit Saphirglas geschützt und hat eine Auflösung von 2,33 Millionen Pixeln. Der Sucher ist optisch, in der Mitte findet sich das Schnittbild zur Fokussierung. Außerdem sieht man passende Frames, die einem den aktuellen Bildausschnitt anzeigen. Diese werden immer in Zweierpaaren eingeblendet. Zur Wahl stehen 35 und 135 mm, 28 und 90 mm oder 50 und 75 mm. Die Suchervergrößerung beträgt 0,73.

Leica M11 Monochrom im Test.
Auf der Rückseite findet man nur wenige Tasten zur Einstellung der wichtigsten Dinge.
STANDARD / Manakas

Ein Upgrade hat abgesehen vom Displayglas auch der interne Speicher erhalten. Die M11 wurde mit 64 Gigabyte internem Speicherplatz ausgestattet. Der M11 Monochrom hat Leica 256 Gigabyte spendiert, was die Mitnahme einer SD-Karte in der Regel unnötig macht. Bilder können via USB-C-Kabel oder der Leica-Fotos-App auf Smartphones oder Computer übertragen werden. Letztere hatte im Test allerdings immer wieder mit Verbindungsproblemen zu kämpfen. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass diese mit einem Update aus dem Weg geräumt werden.

Fazit

Trotz einiger Schwächen macht es Spaß, mit der Leica M11 Monochrom zu fotografieren. Das Erlebnis ist typisch für eine Leica, man wird dazu gezwungen, das Bild bereits vor der Aufnahme und in Gedanken zu gestalten. Die Tatsache, dass man keine Farbfotos aufnehmen kann, ist außerdem eine interessante Herausforderung. Es braucht eine Weile, bis man das eigene Auge darauf trainiert hat, genau jene Motive zu erkennen, die ohne Farbe interessant aussehen. Man muss sich viel stärker auf das Licht und Kontraste fokussieren als bei Farbfotografie. Mit Sicherheit arbeitet man dadurch anders als mit einer herkömmlichen Kamera.

Leica M11 Monochrom – Testfoto #4
Die Kamera liefert beeindruckende Ergebnisse.
STANDARD / Manakas

Trotz allem stellt sich die Frage, für wen die M11 Monochrom die richtige Kamera ist. Immerhin verlangt Leica saftige 9.450 Euro für ebendiese. Ein Objektiv des Herstellers kostet nochmals mehrere Tausend Euro. Die Zielgruppe dürfte also ziemlich eingeschränkt sein: Leica-Fans, die ausschließlich schwarz-weiß fotografieren wollen und den neuesten hochauflösenden Sensor des Herstellers wollen. Für diese ist die M11 Monochrom auf jeden Fall eine gute Wahl. Die meisten Schwächen kann man umgehen, selbst an die langsame Einschaltzeit kann man sich gewöhnen und vorausschauend arbeiten.

Vor dem Kauf sollte man sich allerdings zu 100 Prozent sicher sein, dass man niemals mit Farbfotografie herumspielen möchte. Wer hierbei hadert, sollte lieber zu einer herkömmlichen M11 greifen – wenn es denn eine Leica sein soll. Die Vorteile der M11 Monochrom sind für all jene, die zwischen Farbfotos und monochromen Aufnahmen wechseln wollen, leider nicht groß genug, um den Aufpreis und die Einschränkungen zu rechtfertigen. (Mickey Manakas, 4.6.2023)