In den vergangenen Monaten hatte es zeitweise so gewirkt, als würden Bilder-KIs wie Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion klassischen Bildbearbeitungsprogrammen wie Adobes Photoshop den Rang ablaufen. Doch nun schlägt der Konzern mit einer eigenen KI-Lösung namens Firefly zurück: Mit Ergebnissen aus dem eigentlich noch unfertigen Tool wird das Social Web derzeit geflutet, und auch in kurzen Tests des STANDARD konnten wir als Bildbearbeitungslaien bereits passable Ergebnisse erzielen. Vor allem die Methode des "Generative Fill" liefert dabei beeindruckende Ergebnisse.

KI-Bilder im Web generieren: Adobe Firefly gegen Midjourney

Aktuell befindet sich Adobe Firefly noch im Betamodus, ist also offiziell noch nicht marktreif. Dennoch können viele Funktionen bereits getestet werden, und zwar entweder direkt im Browser oder mit einer Beta-Version von Photoshop, welches über ein aktives Creative Cloud-Abo oder im Rahmen einer kostenlosen Probewoche ausprobiert werden kann.

Über die Web-Variante ist es unter anderem möglich, ganze Bilder durch einen einzigen Textbefehl ("Prompt") zu generieren. In einem vorherigen Artikel haben wir die Werke von Adobe Firefly mit jenen des direkten Konkurrenten Midjourney verglichen. Mit dem Ergebnis, dass die Qualität der beiden Tools vergleichbar ist, Adobes Werkzeug aber zum Beispiel streikt, wenn der Befehl Wörter wie "Donald Trump" enthält. Damit möchte der Konzern die Gefahr von Missbrauch eindämmen.

Auf den Prompt "a hacker sitting at a computer" liefert Firefly zwar auch übliche KI-Fehler wie Hände mit zu vielen Fingern, hält sich aber dafür mit Klischees zurück.
Adobe Firefly/Stefan Mey

Ebenso ist es über die Web-Oberfläche von Adobe Firefly möglich, Text auf Befehl zu stilisieren. Das funktioniert im Test ebenfalls gut, wobei bei der Beschreibung des Textstils auch das Adjektiv "satanisch" als unpassend zurückgewiesen wurde. Auf andere Befehle hin kann das Tool aber auf jeden Fall Vorlagen für weitere Arbeit eines professionellen Grafikers liefern.

Photoshop mit Firefly installieren und nutzen

Die Funktion namens "Generative Fill" ermöglicht es wiederum, eigenes Bildmaterial mit KI-Tools einfach mit weiteren Inhalten zu ergänzen. Dies ist zwar auch über die Web-Oberfläche möglich, den vollen Funktionsumfang erhält man aber über die aktuelle Betaversion des Photoshop-Programms. Wie dieses erhältlich ist und installiert werden kann, erfährt man unter diesem Link

Hat man noch kein gültiges Photoshop-Abo, so kann man eine Gratiswoche starten, die man jedoch zeitgerecht kündigen sollte, bevor die Kreditkarte belastet wird. Anschließend öffnet man die Creative-Cloud-Übersicht auf dem PC und installiert nicht das reguläre Photoshop, sondern die Beta-Version. Ein Icon für die Beta-Programme findet sich in der linken Menüleiste.

Ist Beta-Photoshop einmal installiert, kann das Feature genutzt werden. Und das ist auch für Laien weitgehend selbsterklärend: Teile des Bilds werden markiert, das gewünschte Motiv in ein Textfeld eingegeben und anschließend auf "Generate" gedrückt. Derzeit funktionieren nur Prompts in englischer Sprache. Wer das Bild an den Rändern um neue Elemente erweitern möchte, der kann es vorher mit dem Cropping-Tool aufziehen und anschließend die leeren Flächen markieren.

Beispiele für Generative Fill in Photoshop mit Firefly

Wie dies in der Praxis angewendet werden soll, hat unter anderem Adobe selbst in einem kurzen Werbeclip gezeigt. Hier sieht man etwa, wie Straßenbemalungen auf einer Straße per Textbefehl hinzugefügt werden oder ein Hirsch in einem Foto freigestellt und anschließend in einen neuen Kontext gesetzt wird. Sogar Details wie etwa Spiegelungen in Pfützen können laut Adobe überzeugend umgesetzt werden.

Influencer im Social Web zeigen wiederum, wie sie etwa zwei Bilder miteinander kombinieren, die Lücke kontextbasiert via KI füllen lassen und weitere Elemente mit wenigen Klicks hinzufügen ...

... oder berühmte Kunstwerke mit einem neuen Kontext erweitern.

Generative Fill im STANDARD-Kontext

Auch DER STANDARD hat Generative Fill mit Adobe Firefly ausprobiert. Und obwohl der Autor ein Laie mit äußerst beschränkten Kenntnissen in der Bildbearbeitung mit Photoshop ist, konnten bereits in wenigen Minuten erste Ergebnisse erzielt werden. Etwa im Bereich der Memes, indem der berühmte Facepalm-Picard mit wenigen Klicks freigestellt und per Prompt an einen sonnigen Strand versetzt wurde. 

Picard Facepalm am Strand
Die Prompts für diesen Titel lauteten "sunny beach", "bright sun" und "funny hat"
Paramount Pictures / Bildmontage: Stefan Mey mit Hilfe von Adobe Firefly

In einem anderen Versuch wurde van Goghs "Sternennacht" an den Rändern erweitert, die Freiflächen wurden mit mehr Himmel gefüllt, anschließend ein Raumschiff und eine aufrecht gehende Eidechse in das Bild hineinmontiert.

Van Goghs
Dieses Bild wurde ohne Prompts von der KI erweitert. Die Objekte wurden mit den Prompts "alien spaceship" und "a lizard walking on two legs" hinzugefügt.
Vincent van Gogh / Bildmontage: Stefan Mey mit der Hilfe von Adobe Firefly

Und schließlich wurde ein Foto verwendet, das der Autor bei schlechten Lichtverhältnissen in der srilankischen Hauptstadt Colombo gemacht hatte. Dieses zeigte ein interessantes Gebäude in der Nacht, jegliche Aspekte einer Cyberpunk-Stadt wurden von der KI hinzugedichtet.

Colombo
Das zentrale Gebäude stammt aus einem echten Foto und wurde per KI freigestellt. Die weiteren Elemente wurden mit den Prompts "Cyberpunk City" und "Cyberpunk Truck" hinzugefügt.
Stefan Mey, Bildbearbeitung mit Hilfe von Adobe Firefly

Diese Projekte wurden jeweils innerhalb weniger Minuten erstellt. Und auch wenn sie aufgrund der knappen Zeit und der geringen Vorkenntnisse weit nicht perfekt sind, so zeigen sie doch das Potenzial, das mit diesem Tool möglich ist – und sei es nur, um Inspiration für eigene Werke zu finden. Beachtlich ist vor allem, dass die von der KI generierten Inhalte sich stilistisch oft am Originalmaterial orientieren.

Aus Urheberrechtsgründen nicht gezeigt ist an dieser Stelle ein anderer Versuch, der jedoch nicht unerwähnt bleiben sollte: Ebenso ist es mithilfe von Adobe Firefly nämlich gelungen, Text vom Cover eines Musikalbums zu entfernen und das Bild weiter zu bearbeiten. Und was für Texte in Bildern gilt, das kann auch für Wasserzeichen in Stockfotos gelten. Und das wiederum stellt die Stockfoto-Agenturen erneut vor Herausforderungen. 

Recht und Marktsituation

Adobe wird aufgrund dieser Gefahr der missbräuchlichen Verwendung wohl gefordert sein, zusätzliche Sicherheitsfunktionen einzubauen. Tut der Konzern dies nicht, so könnten Wasserzeichen mit wenigen Klicks entfernt werden und urheberrechtlich geschütztes Material somit widerrechtlich verwendet werden. Auch etwaige optische Hinweise auf Nachbearbeitungen und Fake-Fotos wären damit obsolet.

Gleichzeitig ist Firefly der Konkurrenz aber auf jeden Fall um einen großen Punkt überlegen: Adobe rühmt sich damit, zum Trainieren der KI nur Material aus der hauseigenen Stockfoto-Datenbank Adobe Stock oder Material, dessen Urheberrecht abgelaufen ist, verwendet zu haben. Wenn Firefly aus der Beta in den freien Markt kommt, soll zeitgleich ein Kompensationsmodell für auf Adobe Stock vertretene Fotografinnen und Fotografen vorgestellt werden. Auch legt man wie eingangs erwähnt großen Wert darauf, das Eingeben heikler Begriffe zu unterbinden. Bei Midjourney sucht man diese Bemühungen vergebens.

Dies darf als Indikator dafür gesehen, dass eher Adobes Firefly als Midjourney und Stable Diffusion sich in den Medien und Werbeagenturen dieser Welt ausbreiten werten. Ganz abgesehen davon, dass die Integration des Tools in das weit verbreitete Photoshop dem Konzern einen deutlichen Startvorteil verschafft. Und dass Firefly auch in andere Adobe-Programme wie etwa die Videoschnittsoftware Premiere integriert werden soll. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte. (Stefan Mey, 31.5.2023)

Future Vision: Adobe Firefly for @AdobeVideo
So stellt sich Adobe die Integration von Firefly in Premiere vor.
Adobe