Dass es an der Gesamtsituation etwas zu bemängeln gibt, liegt grundsätzlich in der DNA der Österreicherinnen und Österreicher. Momentan entwickelt sich diese Unzufriedenheit allerdings nachhaltiger als sonst. Die Teuerung lässt kaum nach, kratzt immer noch an der Zehn-Prozent-Marke – und das, obwohl die Inflation in der Eurozone bereits deutlich niedriger ist. Eine Erhebung vom Forschungsinstitut Sora, das Städtebarometer, zeigt, dass Menschen wegen der hohen Preise immer unzufriedener werden. Vor allem der Zukunftsoptimismus leidet.

Wie beeinflussen wachsende Preise und Lebenserhaltungskosten den Alltag der Menschen? Das STANDARD-Videoteam hat sich Anfang des Monats am Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten umgehört
DER STANDARD

Warum lässt die Inflation in Österreich nicht nach? Der unternehmernahe Thinktank Agenda Austria gibt zu einem guten Teil dem Staat die Schuld daran. "Es gibt sozusagen einen 'Österreich-Aufschlag', der dazu führt, dass die Inflation in einigen Bereichen höher ist, als sie sein müsste", sagt Agenda-Ökonom Marcell Göttert. Durch Staatsausgaben und überdimensionierte Hilfsprogramme würden die Preise zusätzlich hochgetrieben.

Österreich hat bisher – die Strompreisbremse ausgenommen – darauf verzichtet, in Preise einzugreifen. Die Bevölkerung wurde durch Direktzahlungen unterstützt. "Es gab so viele Hilfen, dass die gestiegenen Preise leistbar blieben und die meisten ihre Konsumausgaben nicht einschränken mussten", erklärt Göttert.

Einkaufen, Inflation, Supermarkt
Der Staat hat es sich viel kosten lassen, dass die Menschen weiterhin gleich viel einkaufen können.

Leichter Konsumrückgang

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Konsum zwar zurückging, aber nicht übermäßig stark. Laut Berechnungen des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts ist der private Konsum im Vorjahr verglichen mit dem Jahr 2019 um 0,8 Prozent gefallen, in der gesamten EU gab es dagegen ein Plus von 0,6 Prozent. Vor allem in Ländern in Zentral- und Osteuropa ist der private Konsum im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit deutlich gestiegen.

Daten der Statistik Austria und des Wifo belegen, dass die Österreicher im letzten Quartal 2022 um über fünf Milliarden Euro mehr ausgaben als noch ein Jahr zuvor, was einem Plus von fast zehn Prozent entspricht. Korrigiert um die gestiegenen Preise, ist der Konsum der Haushalte seit Beginn der Krise zwar gesunken, allerdings nahm im ersten Quartal 2023 auch der preisbereinigte Konsum leicht zu (siehe Grafik)."Das Konsumniveau von 2019 wurde nicht mehr erreicht, auch nicht mit den Nachholeffekten von 2021. Ohne die vielen Hilfsmaßnahmen der Regierung wäre die Kurve 2022 allerdings stark eingebrochen, Menschen hätten sich all diese Ausgaben nicht mehr leisten können", sagt Göttert.

Üblicherweise freut sich die Politik über privaten Konsum und steigende Nachfrage, das stärkt einerseits die Wirtschaft, andererseits kassiert der Fiskus viele Steuern. Um aber eine derart hohe Inflation in den Griff zu bekommen, müssten die Konsumausgaben allerdings sinken. Natürlich darf ein Staat dabei die Ärmsten nicht aus den Augen verlieren – doch genau dafür gibt es Sozialpolitik.

Agenda Austria

Dazu kommt, dass auch die nominellen Haushaltseinkommen seit 2020 um fast 14 Prozent gestiegen sind. Laut Agenda Austria sei das nur mit politischen Motiven zu erklären, dass nicht ausschließlich die ärmsten Haushalte unterstützt, sondern praktisch alle für hilfsbedürftig erklärt wurden.

Blick nach Spanien

Ganz anders sieht die Situation momentan auf der Iberischen Halbinsel aus. In Spanien ist die Inflationsrate im Mai mit 3,2 Prozent auf das niedrigste Niveau seit Juli 2021 gesunken und nährt damit Hoffnung auf ein Nachlassen des Preisdrucks im Euroraum. Die für den europäischen Vergleich berechnete Teuerungsrate (HVPI) sank ebenfalls – und zwar auf 2,9 Prozent.

Grund dafür sind die implementierten Preisbremsen. Geht es den Spaniern damit besser? Das bedarf wieder eines Blicks auf das Haushaltseinkommen. Korrigiert um die Inflation hatten die spanischen Haushalte laut OECD um 5,1 Prozent weniger Kaufkraft als 2019. In Österreich betrug das Minus 2,2 Prozent.

Arbeitsmarkt gestützt

Ebenfalls gesagt sein muss, dass der Konsum in Spanien vorübergehend massiv eingebrochen ist. Weil das in Österreich ausblieb, sorgte das für eine Stabilität am Arbeitsmarkt. Das sieht auch Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer vom IHS so: "Wäre der Konsum stark eingebrochen, hätte das etwas zeitverzögert natürlich auch den Arbeitsmarkt getroffen." Der Effekt zur Stabilisierung sei aber nicht allzu groß, meint Hofer, auch wenn der konstante Konsum dazu beigetragen habe, dass die Arbeitslosigkeit nicht zugenommen hat. "Das ist ein Gedankenspiel, weil es darauf ankommt, wie schwer der Konsum eingebrochen wäre."

In zwei Wochen steht bei der EZB die nächste Leitzinsentscheidung an. Manche Experten monieren, die Zentralbank habe mit ihrem vergangenen 0,25-Prozent-Zinsschritt bereits zu zögerlich gehandelt. Dass eine Erhöhung bei der nächsten Sitzung kräftiger ausfällt, ist aber auch nicht zu erwarten. (Andreas Danzer, 31.5.2023)