Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Im April 1992 überzogen serbische Paramilitärs und Soldaten die bosnische Stadt Bosanski Šamac mit einer Terrorkampagne. Nichtserben, also Kroaten und bosnische Muslime (Bosniaken), wurden eingesperrt, vertrieben, vergewaltigt, gefoltert und getötet, ihre Häuser geplündert. Am Mittwoch verurteilte die Nachfolgeorganisation des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag die ehemaligen Mitglieder des serbischen Innenministeriums Jovica Stanišić und Franko Simatović unter anderem wegen der Organisation dieser Verbrechen zu 15 Jahren Haft.

Jovica Stanišić vor Gericht in Den Haag.
Jovica Stanišić erschien persönlich vor dem Haager Gericht.
REUTERS/Piroschka van de Wouw

Stanišić war unter dem damaligen Präsidenten von Serbien, Slobodan Milošević, Leiter des Staatssicherheitsdienstes des Innenministeriums und sehr einflussreich. Simatović war sein Stellvertreter. Beide wurden 2003 in Serbien festgenommen. Sie wurden wegen Verfolgung, Mordes, Deportation, unmenschlicher Handlungen und Verstößen gegen das Kriegsrecht in mehreren Orten in Bosnien-Herzegowina und Kroatien in den Jahren 1992 und 1995 angeklagt. Ursprünglich waren Stanišić und Simatović zu zwölf Jahren verurteilt worden. Doch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein.

Ethnische Säuberungen

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es im Krieg gegen den unabhängigen Staat Bosnien-Herzegowina (1992–1995) das kriminelle Ziel gab, die Mehrheit der Nichtserben durch Mord, Deportation und unmenschliche Handlungen gewaltsam und dauerhaft aus weiten Teilen Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas zu vertreiben. Serbische Nationalisten in Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina wollten damals ein Großserbien schaffen und deswegen Teile von Kroatien und Bosnien-Herzegowina zunächst "ethnisch säubern".

Franko Simatović in Den Haag vor Gericht. 
Franko Simatović war per Video zugeschaltet.
REUTERS/Piroschka van de Wouw

Stanišić und Simatović seien Teil dieser kriminellen Unternehmung gewesen, urteilten nun die Richter. Demnach waren sie etwa für die Führung der Paramilitärs zuständig. Das Urteil ist deshalb brisant, weil es die Verbindungen zwischen dem Staat Serbien und den Kriegen in den damals unabhängigen Staaten Kroatien und Bosnien und Herzegowina aufzeigt. Serbien hatte jede direkte Beteiligung abgestritten.

Milošević in Haft verstorben

Das Urteil gegen Stanišić und Simatović ist auch das einzige Urteil gegen damalige Mitglieder eines serbischen Ministeriums. Milošević, der die Kriege gegen Kroatien und Bosnien-Herzegowina und den Krieg im Kosovo angestiftet hatte, konnte nicht verurteilt werden, weil er zuvor in der Haft verstarb.

Das Urteil bestätigte auch Verbrechen, die von dem Schwerkriminellen Željko Ražnatović – genannt Arkan – und den Paramilitärs, die unter seinem Kommando standen, begangen wurden.

Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien wurde 2017 geschlossen. Das Verfahren gegen Stanišić und Simatović führte zum letzten offenen Berufungsurteil. Es war der längste Prozess in der Geschichte des Gerichts und dauerte zwei Jahrzehnte. Auch Überlebende des Bosnienkriegs kamen zur Urteilsverkündung. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 31.5.2023)