Reinhardt-Seminar-Chefin Maria Happel bezog am Mittwoch Stellung.
APA/GEORG HOCHMUTH

Max-Reinhardt-Seminar-Chefin Maria Happel meldete sich am Mittwochnachmittag zu den gegen ihren Führungsstil erhobenen Vorwürfen zu Wort. DER STANDARD hatte den betreffenden, von zwei Dritteln der Studierenden unterschriebenen offenen Brief vergangenen Freitag öffentlich gemacht. Die wichtigsten Vorwürfe: Rollenunterricht sei in ungeschützten Räumlichkeiten abseits der MDW abgehalten worden, Mitstudierende seien zum Weinen gebracht worden – Happel selbst sei kaum im Seminar anzutreffen gewesen und habe verschiedentlich einen rüden Umgangston angeschlagen.

Auch die stellvertretende Institutsleiterin Annett Matzke war ob ihres Führungs- und Kommunikationsstils massiv in die Kritik der Studierenden geraten. "Ich weiß, dass von dieser 'großen Mehrheit' nicht alle befragt wurden", äußerte Happel nunmehr gegenüber der APA: "Aber natürlich muss man so etwas ernst nehmen und hinterfragen, was passiert ist."

Neue Mentorinnen

Jedenfalls sei der Protest für sie "absolut unerwartet" gekommen. Sie sei im Vorfeld des Briefes nicht von Studierenden kontaktiert worden. Sie finde es "toll, dass wir Persönlichkeiten ans Haus geholt haben, die sich auf die Hinterbeine stellen und was bewegen wollen", aber sie erkennt sich in den Vorwürfen nicht wieder. "Man wird über Nacht zu einem Täter gemacht."

Bezugnehmend auf die Klage, sie habe auf verschiedentlich aufgetauchte #MeToo-Vorwürfe nicht angemessen reagiert, kontert sie, man habe "die Causa diskret und vorbildlich gelöst" – unter Einbeziehung aller Beteiligten. Man habe "mit den Betroffenen im Beisein der Gleichbehandlungsstelle getrennt voneinander Gespräche geführt. Es wurde niemand angeprangert." Zudem habe man am Seminar die nötigen Schritte in die Wege geleitet, Workshops abgehalten, Mentorinnen eingeführt. Ihre Tür stehe jederzeit offen.

Vom Burgtheater "freigeschaufelt"

Der Vorwurf, dass sie kaum am Haus präsent sei? Dass sie viel beschäftigt sei, sei bekannt gewesen, sagt Happel. Deshalb gebe es eine stellvertretende Institutsleitung. Dass sie in Präsenz nicht so oft da sein könne, sei "Fakt". Deshalb habe sie dem Burgtheater im Februar auch mitgeteilt, dass sie nächste Saison nicht mehr für Premieren zur Verfügung stehe. Sie habe sich also "freigeschaufelt". Laut Vertrag müsse sie 14 Stunden vor Ort sein – "es ist aber mehr".

Bezüglich des ihr zur Last gelegten Umgangstons merkt sie an, sie sei nur ein einziges Mal laut geworden, als ohne ihre Erlaubnis einer technisch beschäftigten Person Zutritt zum Seminar gewährt worden sei. Die Stellvertreterin der zuständigen Professorin habe, wiewohl "schwanger" („nicht hochschwanger“), Happels Unmut ausbaden müssen.

Dass ihre Stellvertreterin Studierende zum Weinen bringe, sieht Happel in gewisser Weise sogar als Teil der Ausbildung: Gefühle seien die natürliche "Ware" des Seminars. "Ich glaube, dass man einen Teil der Menschen in Ausbildungsstätten wie der unseren nicht immer gut behandeln kann. Wir arbeiten mit Grenzen, die auch überschritten werden."

Generationenkonflikt

Happel wolle damit keinen "bösen Umgangston" rechtfertigen, doch könne es "sicher vorkommen, dass sich jemand ungerecht behandelt fühlt". Um "die Strukturen und das, was im Argen liegt, in Bewegung zu bringen", möchte Happel einen größeren Reformprozess angestoßen wissen. "Es ist ein Generationenkonflikt. Und es ist ein schwieriges Miteinander. Aber Frauen müssen sich nicht mehr von Regisseuren oder Regisseurinnen quälen lassen – das ist vorbei. Und dazu habe ich meinen Teil beigetragen. Ich möchte die Entwicklung des Theaters aber auch nicht verpassen. Die Studierenden sollen mich mitnehmen, anstatt mich rauszuschubsen." Happel plädiert für die Hinzuziehung auch externer Helfer und/oder Berater.

Happels zwischenzeitliches Fazit verrät Nachdenklichkeit: "Ich möchte nicht, dass man immer noch sagt, dass Frauen nicht drei Jobs haben dürfen! Wo ist mein Schutzraum? Gilt der nur für Menschen, die ab dem Jahr 2000 geboren sind? Ich möchte auch einen haben, und der wurde nicht gewährleistet." (Michael Wurmitzer, Ronald Pohl, 31.5.2023)