Das OMV Hauptquartier
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Turbulent verlief sie, die mit Spannung erwartete Hauptversammlung (HV) von Österreichs größtem Industriekonzern OMV. Schon vor dem Eingang zum Congress Center Messe Wien im Prater, wo das Treffen stattfand, hatten sich Mittwochfrüh Klimaaktivisten versammelt – um wenig später im Saal einen effektvollen Auftritt hinzulegen. Die Eigentümerversammlung hatte vorweg einige Höhepunkte versprochen – stand doch beispielsweise die Entlastung des Ex-OMV-Chefs Rainer Seele auf dem Programm. Im Vorjahr war sie ihm ja verwehrt worden, am Mittwoch sollte sie ihm dann gewährt werden. Die Stimmen von 31,5-Prozent-Aktionär Öbag und 24,9-Prozent-Aktionär Mubadala haben dafür gereicht. Eine rechtliche Prüfung hat bekanntermaßen ergeben, dass die ihm vorgeworfenen Themen (Verlängerung der Verträge mit Gazprom bis 2040, Sponsoring des Fußballklubs St. Petersburg und ein Arbeitsvertrag mit einem OMV-Ex-Manager) keine Schadenersatzklage rechtfertigen würden. Dem hätten sich der Aufsichtsrat nach kontroverser Diskussion und dann auch der Vorstand angeschlossen, man schlage daher die Entlastung vor, erklärte Aufsichtsratsvorsitzender Mark Garrett dazu.

Allerdings ging die Veranstaltung anders los als geplant: "Richtig gut! 5,2 Milliarden Gewinne! Danke an alle Menschen da draußen, die erhöhte Energiepreise zahlen müssen, die kaum ihre Energiekosten bezahlen können, und wir hier profitieren davon!", rief ein Aktivist, eine Aktivistin stimmte ein: "Wer profitiert davon?", fragte sie in den Saal. Der Vorstand unter Alfred Stern auf dem Podium hörte zu, bis Garrett die Protestierenden bat, Platz zu nehmen, sie hätten ja die Möglichkeit, in der Generaldebatte etwas zu sagen.

Als Garrett, der aus dem Kontrollgremium ausscheidet, einen kurzen Rückblick auf das Jahr 2022 warf, standen erneut Aktivisten auf, hielten ein Plakat mit der Aufschrift "OMV enteignen" in die Höhe und skandierten ihre Forderung. Der Aufsichtsrat bat um Ruhe, die Aktivisten setzten ihren Protest noch ein paar Minuten fort, um dann den Saal zu verlassen, vom wienerischen "Gehts oabeiten!" eines Aktionärs begleitet. Auch der Vortrag von Konzernchef Stern wurde von Greenpeace-Aktivisten unterbrochen, die gelbe Plakate mit der Aufschrift "Jetzt raus aus Gas" in die Höhe hielten, ihre Meinung kundtaten – und nach ein paar Minuten unter teils unflätigen Zurufen eines Aktionärs und nach einem kleinen Handgemenge im Streit ums Plakat den Raum verließen.

Danach gelang dem OMV-Chef sein Rückblick auf das Jahr 2022 und die Beschreibung der neuen Strategie "OMV 2030", mit der der Konzern die Transformation in Richtung "Mitwirkung an der Energiewende" angehen will, wie Stern es ausdrückte. Die OMV möchte ja bis 2050 klimaneutral sein, Wachstumstreiber soll das Geschäft der Petrochemietochter Borealis werden, das Öl- und Gasgeschäft soll zurückgefahren werden. An der Borealis ist die OMV zu 75 Prozent beteiligt, den Rest halten die Aktionäre aus Abu Dhabi. "Wir haben unsere OMV auf einen neuen Kurs gebracht", allfällige Hindernisse werde man zu umschiffen wissen, versprach der OMV-Chef. Über Details dazu wollten später auch die Aktionärinnen und Aktionäre informiert werden.

Davor hatten Vorstand und Aufsichtsrat noch eine "deutlich erhöhte" Dividende von 2,80 Euro vorgeschlagen, die höchste, die die OMV je ausbezahlt hat. Dazukommen soll erstmals eine "Sonderdividende" von 2,25 Euro je Aktie – was die Adressatinnen und Adressaten zu Applaus veranlasste.

Nachdem sich noch der deutsche Energieexperte Lutz Feldmann als Nachfolger Garretts für die Spitze des Aufsichtsrats empfohlen hatte, folgten die Fragerunden der Aktionärinnen und Aktionäre. Erster war Florian Beckermann, Chef des Interessenverbands für Anleger (IVA). Wie viele andere begann er mit dem Thema Seele: Es liege "ein Schatten der Intransparenz auf dieser Angelegenheit", meinte er und forderte die OMV-Manager auf, den Bericht der Anwaltskanzlei zur Causa offenzulegen.

Was wird aus Borealis?

Großes Thema der Fragestellerinnen und Fragesteller war auch die Zukunft der Borealis. Wie berichtet, steht ein (Rück-)Kaufinteresse von Adnoc im Raum, sie sollen an 25 Prozent interessiert sein. Das hinterfragte der IVA-Chef ebenso wie ein Detail zum in der Ära Seele verlängerten Gazprom-Vertrag: Ob es stimme, dass die Verlängerung bis 2040 gegen Verbilligungen der Gaslieferungen vereinbart worden sei, "die sich im Vertrag aber nicht widerspiegelt"?

Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgte auch der Investor und Anlegervertreter Rupert-Heinrich Staller, nur dass er mit dem Thema Seele seine Seele nicht mehr belasten wolle. Finanzvorstand Reinhard Florey fragte er etwa, wie er sich angesichts der guten Bilanz den in seinen Augen zu niedrigen Aktienkurs erkläre, und den Vorstandschef, wie er mit "seiner Ministerin" Leonore Gewessler zufrieden sei – Applaus. Die Abstimmungen folgten am Nachmittag, die HV war zu Redaktionsschluss noch im Gange.

Ehemaliger Vorstandsvorsitzender der OMV in der "ZiB 2"

Am Mittwochabend war der ehemalige Vorstandsvorsitzende der OMV, Gerhard Roiss, zu Gast in der "ZiB 2". Zur Entlastung Seeles sagt dieser im Gespräch mit Martin Thür lediglich: "Die Entlastung oder Nicht-Entlastung von Rainer Seele ist Sache des Aufsichtsrates und das möchte ich auch nicht weiter kommentieren." Angesprochen auf die Russlandposition der OMV in der Vergangenheit sagt Roiss, seine Zielsetzung (damals war Roiss Generaldirektor der OMV) sei ein Drittel Gas aus Russland, ein Drittel aus Norwegen und ein Drittel aus Rumänien gewesen. "Das war meine Zielsetzung, man ist von dem abgegangen, hat alle Karten auf Russland gesetzt, hat sich abhängig gemacht von Russland". (Renate Graber, 31.5.2023)