Gegenstände aus Silber tauchen im alten Ägypten bereits im 4. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung auf. Bisherige Funde aus dem Alten Reich sind allerdings dünn gesät, was vermutlich auch daran liegen mag, dass Ägypten keinen nennenswerten eigenen Silbererzabbau betrieben hat. Woher also kam das Silber der ersten zehn Dynastien?

In altägyptischen Texten jedenfalls werden keine lokalen Quellen genannt, weshalb Fachleute davon ausgehen, dass das Edelmetall wohl importiert wurde, wahrscheinlich über Byblos an der libanesischen Küste. Zumindest lassen das Silberartefakte aus 5.000 Jahre alten Gräbern in Byblos vermuten.

Die Analyse von Objekten aus einem der bedeutendsten altägyptischen Silberschätze könnte nun das Rätsel um die Herkunft des ägyptischen Silbers gelöst haben: Wahrscheinlich zählte Griechenland zu den wichtigsten Quellen, berichtet ein internationales Forschungsteam im "Journal of Archaeological Science: Reports".

Zwei der silbernen Armreifen aus Königin Hetepheres' Grab. Die Schmuckstücke verraten viel über das überraschend weitläufige Handelsnetz im Alten Reich Ägyptens.
Foto: Sowada et al

Ein fast 5.000 Jahre alter Schatz

Die umfangreiche Sammlung von Silberartefakten, um die es hier geht, entdeckten Archäologen 1925 im Schachtgrab von Königin Hetepheres I. in Gizeh. Hetepheres gilt als eine der bedeutendsten Königinnen Ägyptens. Sie war wahrscheinlich die Gemahlin von Pharao Snofru der 4. Dynastie und Mutter von Cheops (etwa 2620 bis 2580 v. d. Z.), dem Erbauer der berühmten gleichnamigen Pyramide. Hetepheres' unversehrtes Grab enthielt zahlreiche Beigaben, darunter vergoldete Möbel, Goldgefäße und viele Schmuckstücke.

Dies ist der Anblick, der sich den Archäologen nach der Öffnung des Grabes von Königin Hetepheres geboten hat. Rechts eine grafische Rekonstruktion des ursprünglichen Grabinhalts.
Foto/Illustr.: Harvard University - Boston Museum of Fine Arts

Herausragend sind dabei die Armreifen aus Silber, die die Forschenden aus den Überresten einer mit Goldfolie überzogenen Holzkiste bargen. Insgesamt waren es zwanzig Stück, je zehn für jeden Arm. Dass die Kostbarkeiten in Ägypten und nicht anderswo hergestellt worden waren, ließ sich an ihrem Stil erkennen: Die Schmuckstücke sind aus dünnem halbmondförmigem Metall gearbeitet und mit Intarsien aus Türkis, Lapislazuli und Karneol versehen.

Die offenen Ringe haben unterschiedliche Durchmesser, die in Vertiefungen angebrachten Edelsteineinlagen bilden jeweils vier Schmetterlinge, die durch ein rundes Karneolstück voneinander getrennt sind. An einigen Stellen wurden echte Lapislazuli durch bemalte Gipsstücke ersetzt.

Video: Tour durch das Grab von Königin Hetepheres I.
Harvard University

Verräterische Isotope

"Die Herkunft des Silbers, das im dritten Jahrtausend für die Artefakte verwendet wurde, war bisher ein Mysterium", sagt Karin Sowada, Archäologin an der Macquarie University in Sydney, Australien. Doch nun hat eine genaue Untersuchung der Schmuckstücke eine mögliche Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Silbers geliefert. Sowada und ihre Kolleginnen und Kollegen fanden zunächst heraus, dass die Armbänder der Königin Hetepheres aus Silber mit Spuren von Kupfer, Gold, Blei und anderen Elementen bestehen.

Bei der Analyse der Blei-Isotopenverhältnisse wurde das Team schließlich fündig: Die Zusammensetzung passte genau zu jener von Erzen, die auf den Kykladeninseln in Griechenland abgebaut wurden. In geringerem Ausmaß stellte es auch Übereinstimmungen mit Erz aus Lavrion in Attika fest. Wahrscheinlich, so die Forschenden, wurde das Silber über den Hafen von Byblos bezogen. Damit lieferten die Untersuchungen das früheste Zeugnis eines Fernhandels zwischen dem Alten Ägypten und Griechenland.

Die Armreifen von Königin Hetepheres wurden gemeinsam mit zahlreichen anderen Beigaben 1925 in Gizeh entdeckt.
Fotos: Sowada et al./Harvard University - Boston Museum of Fine Arts

Überraschend weitläufiges Handelsnetz

"Unsere Analyse zeigt erstmals die geografische Ausdehnung der Handelsnetze, die der ägyptische Staat während des frühen Alten Reiches auf dem Höhepunkt der Pyramidenbauzeit nutzte", meint Sowada. Mehr noch: Die Studie ermöglichte erstmals auch detaillierte Einblicke in die Methoden der frühen ägyptischen Silberverarbeitung.

"Proben aus der Sammlung des Museum of Fine Arts in Boston und ihre elektronenmikroskopische Untersuchung zeigen, dass die Armbänder durch Hämmern von kaltbearbeitetem Metall hergestellt wurden. Zwischendurch wurden sie auch erhitzt, um Brüche zu vermeiden", erklärt Damian Gore, Co-Autor der Studie von der Macquarie University. "Die Armbänder wurden wahrscheinlich auch mit Gold legiert, um ihr Aussehen und ihre Formbarkeit während der Herstellung zu verbessern." (Thomas Bergmayr, 1.6.2023)