Eine Nummer kleiner als der Premierenschauplatz Prager Burg, aber kaum minder prächtig ist der Ort, an dem sich am Donnerstag die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des neuen Gipfelformats Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) zum bisher zweiten Mal treffen. Das historistische Schloss Mimi im moldauischen Bulboaca, ein Herrenhaus aus dem späten 19. Jahrhundert, ist der Rahmen für das Stelldichein der Staats- und Regierungsspitzen von 47 europäischen Ländern – nur Russland, Belarus sowie der Vatikanstaat fehlten – sowie den Vertreterinnen und Vertretern der EU-Institutionen.

Die EPG ist ein informelles und noch junges Format. Die 27 EU-Regierungen sollen sich dort mit jenen europäischen Staaten austauschen, die noch nicht oder nicht mehr in der EU sind, neben der Ukraine und Gastgeber Moldau auch die Türkei und Großbritannien. Gerade die Londoner Regierung hatte beklagt, dass sie seit dem Brexit kaum noch Zugang zu Plattformen habe, auf denen paneuropäische Probleme besprochen werden können.

Solidarität gegen Russland

Dass man sich nun ausgerechnet in Moldau trifft, ist kein Zufall: Seit Kriegsbeginn in der Ukraine geht auch dort die Angst um, dass Russlands Aggression als Nächstes die kleine Ex-Sowjetrepublik trifft. Das bitterarme Land, gelegen zwischen der Ukraine im Osten und dem EU- und Nato-Staat Rumänien im Westen, werde "vom Westen in den Krieg in der Ukraine hineingedrängt", kommentierte Russlands Geheimdienstchef Alexander Bortnikow das Treffen, dessen Titel "Moldau ist nicht allein" für die EU erklärtermaßen Programm sein soll. Die Nato schickte ein Awacs-Luftüberwachungsflugzeug in den Himmel über Moldau, um zumindest während des Gipfels für einen möglichst sicheren Luftraum zu sorgen.

Auch wenn sich etwa Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) um Kontakt zu Serbiens autoritärem Präsidenten Aleksandar Vučić bemühte, um über die angespannte Lage im Kosovo zu sprechen, waren die Blicke zu Beginn des Treffens doch nur auf einen gerichtet: Wolodymyr Selenskyj. Der ukrainische Präsident, dessen Land trotz – oder gerade wegen – des russischen Angriffskriegs seit 2022 offiziell EU-Beitrittskandidat ist, reist seit Wochen quer um die Welt, um seine Verbündeten um mehr Hilfe gegen Russland zu bitten. Anders als in London, Jeddah und Tokio, wo Selenskyj bloß Gast war, gehört die Ukraine zu den Gründungsmitgliedern der halbjährlich tagenden Konferenz. 

In Olivgrün gekleidet, ließ sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von Maia Sandu in Moldau empfangen.
EPA/DUMITRU DORU

Dass Kiew noch lieber möglichst bald auch dem weit exklusiveren Klub der Nato-Staaten angehören würde, stellte der Präsident gleich zu Beginn klar: "Die Ukraine ist bereit für die Nato, wir warten darauf, dass die Nato bereit für die Ukraine ist", sagte er. Es brauche bereits beim Gipfel in Vilnius im Sommer eine "klare" Entscheidung sowie Sicherheitsgarantien für Nato-Aspirantenstaaten, fügte er an.

Das Bündnis sollte der Ukraine klar sagen, dass ein Beitritt des Landes nach Ende des Krieges schnell erfolgen werde, sagte der litauische Präsident Gitanas Nausėda und stimmte Selenskyj zu. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte anderenorts, konkret auf dem parallel stattfindenden Nato-Treffen in Stockholm, das Bündnis sei zwar offen für neue Mitglieder, auch für die Ukraine, "zugleich ist auch klar, dass wir mitten in einem Krieg nicht über eine neuere Mitgliedschaft sprechen können".

Dankbarkeit für Flüchtlingshilfe

So wie auch auf den vorherigen Stationen seiner Frühjahrstour appellierte der ukrainische Präsident unverdrossen an die westlichen Staaten, der Lieferung von Kampfjets an das von Russland angegriffene Land mehr Schub zu verleihen. Gegenüber seiner Gastgeberin, der proeuropäischen moldauischen Präsidentin Maia Sandu, die ihn am Tagungsort drei Autostunden von der ukrainischen Hafenstadt Odessa empfing, drückte Selenskyj Dankbarkeit für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge aus: "Das werden wir nie vergessen."

Ein riesiger Krater zeugt von einem Raketenangriff auf Kiew.
EPA/SERGEY DOLZHENKO

Wie dringlich die Situation in der Ukraine nach wie vor ist, verdeutlichte kurz vor Beginn des Gipfels in Schloss Mimi ein neuerlicher russischer Raketenangriff auf die Hauptstadt Kiew. Drei Menschen kamen dabei ums Leben, darunter eine Mutter und ihr Kind, die Berichten zufolge keinen Zugang zu einem Bunker bekamen. Obgleich die ukrainische Luftabwehr den Abschuss aller zehn ballistischen Raketen über Kiew verkündete, berichtete Bürgermeister Witali Klitschko von Schäden an Kindergärten, Schulen und Wohnhäusern. Ob diese durch herabfallende Teile abgeschossener Raketen entstanden oder durch nicht abgefangene Raketen, war unklar. 

Auch Kosovo war Thema

Abseits der Ukraine war es der wiederaufgeflammte Kosovo-Konflikt, der das Treffen der EPG dominierte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trafen sich im Schloss Mimi mit den Konfliktparteien, namentlich Serbiens Präsident Vučić und dessen kosovarische Amtskollegin Vjosa Osmani. Der Serbe forderte vorab die Absetzung der neugewählten albanischstämmigen Bürgermeister im Norden des Westbalkanstaats. Eine solche Entscheidung wäre "der stärkste Schritt", um die gegenwärtigen Spannungen aufzulösen, sagte er.

Deren Hintergrund sind die Kommunalwahlen vom 23. April, die von den Serbinnen und Serben im Norden des mehrheitlich albanischsprachigen Landes boykottiert wurden. In der Folge gewannen auch in mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden albanische Bürgermeisterkandidaten. Bei Ausschreitungen wurden auch 30 Nato-Soldaten verletzt. Die kosovarische Präsidentin wies Vučićs Forderungen in Moldau brüsk zurück. Der serbische Präsident solle endlich aufhören, ihr Land zu destabilisieren: "Die Bedrohung ist die Folge von Serbiens Weigerung, die Existenz des Kosovo als unabhängiger Staat zu akzeptieren." Wenn Vučić Frieden wolle, müsse er aufhören, kriminelle Banden zu unterstützen, fügte Osmani an. Die Nato entsandte indes 700 Soldaten in den Kosovo, um dort die 4.000 Mann starke Kfor-Truppe zu unterstützen. (Florian Niederndorfer, 1.6.2023)