Im Vorjahr nahmen an der Regenbogenparade hunderttausende Menschen teil.
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Am Donnerstag hat in Wien der Pride-Month als Aktionsmonat für Diversität und gegen Diskriminierung begonnen. Mehrere Institutionen in Wien hissen die Regenbogenfahne.

Etwa schmückt sich das Rathaus im gesamten Juni mit der Flagge. Dabei gehe es um mehr als Symbolik, sagte Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos). Er verweist auf mehrere Projekte der Stadt, die die Gleichberechtigung von Menschen aus der LGBTQ+-Community fördern sollen, darunter ein Denkmal für homosexuelle NS-Opfer sowie das erste queere Jugendzentrum in Österreich.

Auch die Wiener Linien zeigen sich solidarisch: Straßenbahnen zeigen bis Monatsende Flagge. Damit wolle man "die LGBTQI+-Community sowie People of Colour" unterstützen, hieß es. Zahlreiche Kultureinrichtungen, darunter das Kunsthistorische Museum, das Technische Museum, das Volkskundemuseum und das Belvedere, bieten ein spezielles Programm mit queeren Themen an. Das Gebäude der Wiener Volksoper wird den ganzen Juni lang mit der Regenbogenfahne ausgestattet.

Symbolik reiche nicht

Aus Sicht der grünen Studierenden ist es zu wenig, "Happy Pride-Month" zu sagen: Gerade im Hinblick auf die "letzten politischen Entwicklungen Österreichs ist es unglaublich wichtig, laut zu sein gegen die strukturelle Diskriminierung der LGBTQ+ Community“, sagt Sarah Rossmann, Bundessprecherin der Grünen und Alternativen Student_innen (Gras).

Noch immer gebe es genügend Menschen und politische Organisationen, die sich offenkundig gegen die Antidiskriminierungsbewegung aussprechen und vermehrt queerfeindliche Äußerungen tätigen. Darunter falle beispielsweise auch die FPÖ, die sich erst kürzlich im Fall von Dragqueen-Lesungen für Kinder transfeindlich geäußert hat: Sie forderte ein generelles Verbot derartiger Shows mit Minderjährigen und unterstellte Dragqueens, mit solchen Veranstaltungen ihre "Lust auszuleben". 

Neos: gesellschaftlicher Backlash

Die Neos stellen zum Pride-Month vier Forderungen an die Regierung: An erster Stelle stehe ein Verbot von sogenannten Konversionstherapie, wie LGBTQI-Sprecher Yannick Shetty bei einer Pressekonferenz vor dem Justizministerium betonte.

Erstmals seit Jahrzehnten erlebe man europaweit einen gesellschaftlichen Backlash, angetrieben von Ländern wie Ungarn und Polen, bedauerte Shetty. Auch in Österreich gehe es zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder rückwärts. Die ÖVP schließe nicht aus, FPÖ-Obmann Herbert Kickl zum Kanzler zu machen, kritisierte er. Der von ihm beschriebene Backlash gegen Homosexuelle würde dann auch in Gesetzen Form annehmen.

Für ein Verbot von "Homo-Heilungen" liege bereits ein einstimmiger Entschließungsantrag des Nationalrats vor. Wie groß dieses Phänomen in Österreich ist, könne man nicht beziffern, meinte Shetty. Würden Psychotherapeuten oder Ärzte solche Konversionstherapien durchführen, würden sie gegen berufsrechtliche Normen verstoßen. "Homo-Heilungen" würden aber auch im nichttherapeutischen Kontext stattfinden, etwa bei "klerikalen, erzkonservativen Familiencamps". Mit einem Verbot würde man auch ein Signal setzen, dass ein solches Verhalten inakzeptabel sei.

Auch appellieren die Neos für Kampagnen gegen Diskriminierung, qualitätsvolle Sexualbildung an Schulen, die diverse Lebensrealitäten gleichwertig darstellt, sowie Schulungen für Behörden und die Polizei im Umgang mit LGBTQI-Themen. Shetty erinnerte an den Fall eines Geflohenen, dem von der Asylbehörde ein zu wenig schwuler Gang attestiert und dessen Asylantrag abgelehnt wurde.

SPÖ fordert Aktionsplan

Auch die SPÖ will gegen Diskriminierung kämpfen und hisste die Regenbogenfahne an ihrer Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße. Gemeinsam mit der sozialdemokratischen LGBTQI-Organisation SoHo fordert die Partei den vollen Diskriminierungsschutz für LGBTQI-Personen. Auch brauche es einen nationalen Aktionsplan gegen Hass.

Einer aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) zufolge denken 24 Prozent der LGBTQ+-Personen in Österreich, beruflich mehr Chancen zu haben, wenn sie heterosexuell wären. "Viele glauben, dass sie erfolgreicher wären, wenn sie ihre sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz nicht preisgeben. Sie sind zurückhaltend dabei, mit allen Aspekten ihrer Persönlichkeit aufzutreten", sagte Lukas Haider, Leiter des Wiener BCG-Büros. (muz, APA, 1.6.2023)