Mann zählt Dollarscheine
Drei Billionen Dollar haben Vermögende im Vorjahr aufgrund der Korrekturen an den Börsen verloren.
AP / Elise Amendola

Die Korrektur an den Börsen im Vorjahr hat auch deutliche Spuren in den Portfolios der Reichen hinterlassen. Die Zahl der vermögenden Privatpersonen (High Net Worth Individuals; HNWI) ist im Jahr 2022 weltweit um 3,3 Prozent auf 21,7 Millionen gesunken. Der Wert ihres Vermögens ging im gleichen Zeitraum um 3,6 Prozent auf 83 Billionen US-Dollar zurück. Das zeigt der aktuelle World Wealth Report von Capgemini. Dem Report zufolge ist dies der stärkste Rückgang seit zehn Jahren (2013–2022). Ursachen waren die geopolitischen wie auch makroökonomischen Unsicherheiten.

Nordamerika verzeichnete den stärksten Vermögensrückgang (minus 7,4 Prozent), gefolgt von Europa (minus 3,2 Prozent) und Asien-Pazifik (minus 2,7 Prozent). Im Gegensatz dazu zeigten sich Afrika, Lateinamerika sowie der Nahe Osten widerstandsfähig und verzeichneten im Jahr 2022 ein finanzielles Wachstum, das auf starke Entwicklungen im Öl- und Gassektor zurückzuführen ist.

Rückläufiges Vermögen in Österreich

In Österreich sank 2022 die Anzahl der HNWIs um 3,4 Prozent auf knapp 170.000 Dollar-Millionäre. Das sind rund 6.400 HNWIs weniger als im Vorjahreszeitraum. 2021 stieg diese Zahl in Österreich noch um acht Prozent auf rund 176.000 Personen. Das Vermögen dieser Personengruppe betrug im Jahr 2022 in Summe 469 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Vermögensverlust von 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Nur 23 Prozent der befragten HNWIs gaben an, eine höhere Rendite aus Anlagen nach ESG-Kriterien erzielt zu haben, dennoch bekunden sie weiterhin Interesse an solchen Produkten: 41 Prozent der Befragten sehen Investitionen mit ESG-Bezug als oberste Priorität. 63 Prozent der HNWIs gaben an, dass sie ESG-Bewertungen für ihre Anlagen angefordert haben. Allerdings sehen nur rund die Hälfte der Vermögensverwalter (52 Prozent) die Analyse von ESG-Daten und deren Rückverfolgbarkeit (31 Prozent) als oberste Priorität an.

Von den befragten Kundenbetreuern gaben 40 Prozent an, dass sie mehr Daten benötigen, um die ESG-Auswirkungen zu verstehen, und fast jeder Zweite gab an, dass sie mehr ESG-Informationen benötigen, um effektiv mit ihren Kunden in Kontakt treten zu können.

Vermögensverwalter bemängeln Datenqualität

Dem Bericht zufolge hindert der derzeitige Mangel an digitaler Unterstützung die Kundenbetreuer daran, ihre Kunden zeitnah und wertschöpfend zu beraten. Im Durchschnitt stufte nur eine von drei Führungskräften die digitale Reife ihres Unternehmens über den gesamten Betreuungszyklus hinweg als hoch ein. Darüber hinaus gaben 45 Prozent der Befragten an, dass die Kosten pro Kundenbetreuer steigen, was in erster Linie auf Ineffizienzen in der Wertschöpfungskette der Vermögensverwaltung zurückzuführen ist.

Insgesamt nimmt dabei der Zeitaufwand der Kundenbetreuer für Aktivitäten zu, die außerhalb ihrer Kerntätigkeit liegen. Aufgrund mangelnder digitaler Reife und unzureichender Omnichannel-Plattformen steht ihnen nur noch ein Drittel ihrer Zeit für die Kundenbetreuung zur Verfügung. Die Unzufriedenheit ist auf beiden Seiten zu spüren: 56 Prozent der befragten HNWIs gaben an, dass Mehrwertdienste ihre Wahl eines Vermögensverwaltungsunternehmens beeinflussen, doch nur jeder Zweite äußerte sich zufrieden mit der Fähigkeit seines Kundenbetreuers, diese Dienstleistungen zu erbringen. Fast 31 Prozent würden in den nächsten zwölf Monaten wahrscheinlich den Vermögensverwaltungsanbieter wechseln.

Digitales Cockpit für Berater

Vermögensverwalter sollten laut World Wealth Report ihren Kundenbetreuern einen integrierten "One-Stop-Shop" zur Verfügung stellen und ein besseres Kundenerlebnis schaffen, um so das Ertragswachstum wie auch die Kundenzufriedenheit zu steigern. So liegt die Zukunft beispielsweise in einem digitalen Cockpit für die Berater. Mit diesem lassen sich Produktivität wie auch Kundenbindung verbessern. Auch erhalten die Kundenbetreuer die Möglichkeit, für ihre Kunden die richtigen Experten zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen.

"Vermögensverwaltungsunternehmen befinden sich an einem kritischen Wendepunkt", sagt Martina Sennebogen, Vorstandsvorsitzende bei Capgemini in Österreich. Der Zeitgeist fordere einen Wechsel der Denkweise und der Geschäftsmodelle, um ein nachhaltiges Ertragswachstum zu erzielen. Um relevant zu bleiben, müsse die Branche ihren Mehrwert für den Kunden steigern, Kundenbetreuer technisch besser unterstützen und neue Wachstumsmöglichkeiten für sich erschließen. „Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob sie die Herausforderungen der unzureichenden digitalen Reife in der Vermögensverwaltungsbranche bewältigen können", fasst Sennebogen zusammen.

Wachstumspotenzial bei Nachkommen

Nach Angaben des World Wealth Reports besteht für die Vermögensverwalter ein langfristiges Wachstumspotenzial in der Ausweitung des Pools potenzieller Wealth-Management-Kunden. Das Segment der wohlhabenden Privatkunden (Affluents) mit einem investierbaren Vermögen zwischen 250.000 und einer Million US-Dollar stellt nun eine neue Zielgruppe dar, da diese in Bezug auf Größe und finanzielles Gewicht weiter wächst.

Regional gesehen haben Nordamerika (46 Prozent) und der asiatisch-pazifische Raum (32 Prozent) den größten Anteil an diesen wohlhabenden Kunden, sowohl gemessen am Vermögenswert als auch an der Anzahl. Obwohl sie über ein Vermögen von fast 27 Billionen US-Dollar verfügen (was rund 32 Prozent des Vermögens der HNWIs entspricht), befassen sich 24 Prozent der klassischen Vermögensverwalter und 33 Prozent der Universalbanken nicht mit diesem Segment.

Die Affluents sind in den nächsten zwölf Monaten in überwältigender Mehrheit (71 Prozent) daran interessiert, von ihrer Bank eine Vermögensberatung in Anspruch zu nehmen. 

Der World Wealth Report 2023 deckt 71 Märkte ab, auf die mehr als 98 Prozent des globalen Bruttonationaleinkommens und 99 Prozent der weltweiten Börsenkapitalisierung entfallen. Im Rahmen der Capgemini 2023 Global HNW Insights Survey wurden 3.171 HNWIs in 23 wichtigen Vermögensmärkten in Nordamerika, Lateinamerika, Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum befragt. (bpf, 1.6.2023)