Novak Djokovic steht gerne im Mittelpunkt.
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Paris  Novak Djokovic brachte es im Bauch des Court Philippe Chatrier auf den Punkt. "Einen Grand Slam ohne Drama scheint es für mich nicht zu geben", sagte der Major-Rekordchampion, der bei seiner Mission in Paris einmal mehr spürbar aneckt. Diesmal platzierte der 36 Jahre alte Serbe ganz bewusst kontroverse Aussagen zu den Konflikten im Kosovo - und erntet dafür scharfe Kritik.

Das neueste Getöse reiht sich ein in eine Serie von Vorfällen, die den sportlich unantastbaren Djokovic immer wieder ins Zwielicht rücken: Von der unendlichen Impfdebatte über die Ausweisung aus Australien bis zur Russland-Aufregung um seinen Vater - in den vergangenen Jahren sorgte Djokovic für reichlich Gesprächsstoff. Das gilt nun auch für Roland Garros.

"Viele werden nicht mit mir übereinstimmen, aber es ist, wie es ist. Es ist etwas, wozu ich stehe", sagte der Belgrader nach seinem Dreisatzsieg in der zweiten Runde der French Open am späten Mittwochabend gegen den Ungarn Marton Fucsovics: "Ich könnte es wiederholen, aber ich werde es nicht tun." Die Kritik treibe ihn auch an. Und sie kommt dieser Tage aus vielen Richtungen.

Kritik der Sportministerin

Nach seinem Erstrundensieg bei dem Sandplatz-Highlight hatte der Weltranglistendritte in kyrillischer Schrift auf die Kameralinse geschrieben, der Kosovo sei das "Herz Serbiens", und fügte "stoppt die Gewalt" an. Hintergrund des umstrittenen Kommentars sind die jüngsten politischen Unruhen im Kosovo, das 2008 seine Unabhängigkeit ausgerufen hatten. Serbien betrachtet das Gebiet weiterhin als seine Provinz.

Das Echo auf Djokovics Handeln fiel deutlich aus. Das Nationale Olympische Komitee des Kosovo versuchte ein Disziplinarverfahren zu erwirken, der kosovarische Tennisverband forderte Sanktionen seitens des Weltverbands ITF. Und die französische Sportministerin Amelie Oudea-Castera betonte, die Botschaft sei "militant" und "sehr politisch" gewesen und dürfe sich nicht wiederholen.

Daran hielt sich der 22-malige Grand-Slam-Sieger nach seinem Drittrundeneinzug, ohne an seiner Überzeugung zu zweifeln. Schon im Zuge der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo hatte sich Djokovic vor 15 Jahren an seine Fans gewandt. Dem Ausnahmekönner, der als Elfjähriger im Kosovokrieg traumatische Tage erlebte, wird seit jeher eine Nähe zu serbischen Nationalisten nachgesagt.

Rechtfertigung und Beflügelung

"Als öffentliche Persönlichkeit und Sohn eines im Kosovo geborenen Vaters habe ich eine besondere Verantwortung gegenüber dem serbischen Volk", betonte er nun nahe des Eiffelturms und nutzte die große Bühne erneut gezielt für eine Botschaft, mit der Djokovic einmal mehr polarisiert.

Dass ihn der Gegenwind aber sportlich beflügeln kann, hat er zuletzt bei den Australian Open bewiesen. Den ganzen Wirbel um Fotos seines Vaters Srdjan mit pro-russischen Fans wandelte Djokovic in Energie um und stürmte in Melbourne unangefochten zum Titel. (sid, 1.6.2023)