Hinterhäuser
Sieht keinen Anlass, an der Integrität von Wilfried Haslauer und Stefan Schnöll zu zweifeln: Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser.
Neumeyr

Vor einer Woche wurde Schwarz-Blau in Salzburg fixiert. Die Kulturagenden ressortieren zwar weiterhin bei der ÖVP (bei Landesrat Stefan Schnöll), mit Wohnbau und Sozialem haben die Freiheitlichen aber ein Kernressort erhalten. Bereits während der Koalitionsverhandlungen meldeten sich von Burgtheaterdirektor Martin Kušej bis Schriftsteller Karl-Markus Gauß über 250 Kulturschaffende mit einem offenen Brief zu Wort, ihr Anliegen: "Keine Koalition mit der FPÖ." Am Montag dann eine Demonstration mit über 1.200 Teilnehmern, bei der eine Rede von Schauspieler Cornelius Obonya verlesen wurde. Von den großen Salzburger Kultureinrichtungen war dagegen bisher kaum etwas zu hören. Jetzt spricht Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser.

STANDARD: Der ehemalige Jedermann Cornelius Obonya hat angesichts von Schwarz-Blau dazu aufgefordert, bei Beginn von Haslauers Eröffnungsrede die Felsenreitschule zu verlassen. Können Sie dieser Idee etwas abgewinnen?

Hinterhäuser: Nein, kann ich nicht. Der Aufruf von Cornelius Obonya ist von einer bemerkenswerten gedanklichen Schlichtheit. Wir haben seit der ersten Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000 viele Male diesen abrufbaren, mittlerweile auch ziemlich abgenutzten Aktionismus erlebt. Man sollte nicht immer in dieselbe Falle tappen: Will man eine Position gegen die FPÖ formulieren, und es gibt viele gute Gründe dafür, dann muss man eine politische Antwort finden.

STANDARD: Wie kann diese aussehen?

Hinterhäuser: Indem man einen aufrichtigen, präzisen und, wenn notwendig, auch harten politischen Diskurs führt. Im Jahr 2000 gab es unzählige Aktivitäten vonseiten der Kunst und Kultur gegen die FPÖ als Regierungspartei. Das war richtig und notwendig. Jetzt, 23 Jahre später, und nach zwei Regierungsbeteiligungen der FPÖ auf Bundesebene, leben wir in einer anderen politischen Wirklichkeit, die andere politische Strategien braucht. Diese ewig gleichen Empörungsrituale, die mit der Sicherheit eines Pawlowschen Reflexes daherkommen, dieser schon etwas müde gewordene, sich selbst auf die Schulter klopfende Aktionismus, das alles wird nicht ausreichen.

STANDARD: Das hört sich nach politischer Gleichgültigkeit an.

Hinterhäuser: Von Gleichgültigkeit kann keine Rede sein. Mir ist die FPÖ in allem fremd, sie ist mir unsympathisch und in wesentlichen Punkten auch zuwider. Aber wir müssen mit ihr als politischer Realität umgehen und auch umzugehen wissen.

STANDARD: Mittlerweile kennen wir das ÖVP-FPÖ-Koalitionsprogramm. Wie reagieren Sie?

Hinterhäuser: Die Kultur liegt bei Wilfried Haslauer und Stefan Schnöll und ist dort gut aufgehoben. Ich habe Vertrauen in beide und nicht den geringsten Anlass, an ihrer Integrität zu zweifeln. Ich wüsste auch nicht, wo oder wie die FPÖ in dieser Koalition Einfluss auf die Salzburger Festspiele nehmen könnte. Ich war in einer Zeit Intendant, in der die FPÖ in der Bundesregierung war. H.-C. Strache war einmal in einer Jedermann-Aufführung, ansonsten habe ich kein Regierungsmitglied der FPÖ je bei den Festspielen gesehen. Das Interesse an dem, was wir hier machen, scheint überschaubar zu sein. Aber Sie können sicher sein: Eine Einflussnahme auf die Festspiele würden wir ganz bestimmt nicht zulassen.

STANDARD: Der rassistische, antihumanistische Diskurs der FPÖ steht dem von Hofmannsthal formulierten Gründungsgedanken der Festspiele diametral entgegen. Ersterer betrifft Sie ja nicht erst, wenn man in Ihr Programm eingreift.

Hinterhäuser: Da kann ich Ihnen nicht widersprechen. Nichts von dem, was für uns die Festspiele sind, nichts von dem, wie wir sie positionieren wollen, hat auch nur irgendeine Nähe zu dem, was die FPÖ repräsentiert. Es wird an uns sein, den Gründungsgedanken der Festspiele konsequent und entschieden zu verteidigen und mit unserem Programm klarzumachen, wofür wir stehen. Und um noch einmal auf Ihre Anfangsfrage zurückzukommen: Bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele wird die Europahymne gesungen und nicht das Horst-Wessel-Lied.

STANDARD: Man könnte auch sagen, Sie wollen die Hand nicht beißen, die Sie füttert. Das Kuratorium der Festspiele ist ÖVP-dominiert.

Hinterhäuser: Das musste ja kommen. Aber, verzeihen Sie, so läppisch sollte man das nicht sehen. Noch einmal: Mir ist diese Koalitionsvariante alles andere als sympathisch, ich habe sie mir nicht gewünscht, aber sie ist nun einmal politische Realität.

STANDARD: Haslauer hätte auch eine Minderheitsregierung bilden können.

Hinterhäuser: Er hat sich für eine andere Koalitionsform entschieden, die übrigens weder auf Bundes- noch auf Landesebene eine Erfindung der ÖVP ist. Im Burgenland etwa gab es zwischen 2015 und 2020 eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ. Und wer hat 2019 in St. Margarethen die Zauberflöte inszeniert? Cornelius Obonya. Da scheinen seine Berührungsängste nicht besonders ausgeprägt gewesen zu sein.

STANDARD: Haben Sie nicht Angst, dass der Ruf Salzburgs als weltoffene Kulturstadt durch diese Koalition leiden könnte?

Hinterhäuser: Auch wenn es nicht jedem gefallen wird, ich bin da relativ gelassen. Die Festspiele haben schon einiges erlebt und auch überlebt. (Stephan Hilpold, 1.6.2023)