Die Einschätzung der EU als aggressivstes militärisches Bündnis, das es je gegeben hat, kann keiner marxistischen Analyse entsprungen sein. Aber vielleicht war Andreas Babler vor drei Jahren noch kein Marxist. So schwankend, wie seine Bekenntnisse zu dem zwar nicht in Europa, aber in Österreich umgehenden Schreckgespenst der Bourgeoisie zuletzt ausgefallen sind, muss das bis auf weiteres offenbleiben. Das aus purem Zufall knapp vor dem Parteitag bekannt gewordene Skandalon, Babler sei nicht einmal ausgelernter Maschinenschlosser, soll das ebenso rein zufällig aufgetauchte Video von 2020 verständlich machen. Doskozil ist immerhin ausgelernter Polizist, wurde aber im Kurier auch schon des Marxismus, in einer burgenländischen Variante, bezichtigt.

Marxismus in 3 Minuten
Was meint Andreas Babler, wenn er den Marxismus als gute Brille, um auf die Welt zu schauen, bezeichnet? Wir erklären Marxismus für Eilige. Dieses Video auf derStandrad.at: https://www.derstandard.at/story/2000146161578
DER STANDARD

Ein Hirngespinst geht um in Österreich, seit Babler die Nervosität über das Auftreten von Kommunisten in Graz und Salzburg bis an die Grenzen zum Wahnwitz verstärkt hat. Seit Wochen wird über Marxismus diskutiert, nicht nur, aber überwiegend auf eher rustikalem Niveau, nach der Devise, Babler sei schuld, dass sich Lenin, Stalin etc. auf Marx berufen haben. Als Tyrann von Traiskirchen ist er seinen Kritikern diesbezüglich einiges schuldig geblieben, hat er sich doch seine satte Mehrheit durch eine menschenfreundliche Amtsführung erarbeitet – von marxistischem Terror ist nichts bekannt.

Seit Wochen wird über Marxismus debattiert – jetzt auch noch über seine Sicht auf die EU: Andreas Babler.
Heribert Corn

Die Angst um eine zerrissene SPÖ, die plötzlich in vielen wabert, bei denen man das nie vermutet hätte, der viele Lärm um nichts, hat objektiv seine Funktion darin, in einem Vorwahljahr von der miesen Politik der türkis-grünen Regierung abzulenken. Wenn das nur teilweise gelingt, tut man doch, was man kann.

Ein extremes Beispiel war der Auftritt der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, für den ihr die Krone am Sonntag eine Dreiviertelseite zur Verfügung gestellt hat. Der pflichtgemäßen kurzen Erwähnung des Schreckensregimes des Nationalsozialismus stellte sie ausführlich die Verbrechen des Kommunismus gegenüber und beschwor die Gefahr, "die selbstzersetzenden Kräfte der Sozialdemokratie" mache die KPÖ für viele zur charmanten linken Alternative, die frischen Wind in die Politik bringt.

Die Hoffnung der ÖVP auf eine Selbstzersetzung der Sozialdemokratie kommt vielleicht etwas zu früh, in einer Vorsitzendenwahl besteht sie nicht. Mikl-Leitner geht es bei diesem geballten Unsinn darum, den Verdacht zu unterdrücken, die Erfolge der KPÖ könnten nicht auf neu erwachter Sehnsucht nach stalinistischem Terror beruhen, sondern bloß auf der Antiinflations- und Mietenpolitik ihrer Partei.

Vor allem war Mikl-Leitners Auftritt wieder einmal als Ablenkung von ihrer Sünde der freiheitlichen Selbstbefleckung gedacht. Im Kernland schwarzer Dollfußverehrung eine Koalition mit den geistigen Nachfahren seiner Mörder als Erfolg anzupreisen, der darin bestehen soll, die Sozialdemokraten fernzuhalten – ein Triumph des Vulgärantimarxismus. Jetzt darf sie sich in der Gesellschaft eines Waldviertler Herrenmenschen und Stacheldrahtziehers rassistischer Attacken sogar auf Schulkinder sonnen, der eine humanistische Namenserhebung zur Latrina Silvatica eher verdient hätte als die Berufung zum zweiten Präsidenten des niederösterreichischen Landtags. Da weiß man doch, was man hat. Nicht wie bei Babler. (Günter Traxler, 1.6.2023)