Ein Model in der Kollektion von Johannes Hartmann
„Maybe there is an alternative“ heißt die Kollektion von Johannes Hartmann, für die er den mit 3000 Euro dotierten RONDO-Modepreis erhält.
Luca Celine

Es ist viel Pink, Rosé und Flieder im Spiel. Picksüß ist die Farbpalette von Johannes Hartmanns Kollektion. Die Entwürfe: einladend. Ein großer Mantel (Bild rechts) wirkt weich und gemütlich, während des RONDO-Fotoshootings wird er zum Lieblingsstück des kleinen Teams.

Ein Zufall ist das nicht, der 25-Jährige ist sich der Wirkung seiner Entwürfe bewusst. Mehr noch, er setzt seine Farbpalette als eine Art Lockmittel ein. Denn der Schein trügt. Das Thema von Hartmanns Kollektion, die der Diplomand "maybe there is an alternative" genannt hat, ist keine ganz so leichte Kost. Der gebürtige Wiener hat sich mit einigen großen Fragen der Gegenwart auseinandergesetzt. Welche Auswirkungen haben neoliberale Arbeitswelten, prekäre Beschäftigung und fragmentierten Arbeitszeiten auf das Zwischenmenschliche?

Wie er das in eine Kollektion übersetzt hat? Zum Beispiel mithilfe eines alienartigen Wesens, das menschliche Züge trägt: An ihm hängen ein kleiner und ein großer Arm mit vielen Fingern. Die Stoffskulptur verkörpere das "Immer schneller und weiter", "die Steigerung von Wachstum und Profiten". Ob damit auch die Modeindustrie gemeint ist? "Nicht nur, aber auch.

Model in grünem Strickkleid mit Stoffskulptur in der Hand
Ein Strickkleid und mehrarmige Stoffskulpturen ...
Luca Celine
Stoffskulptur auf Holzblöcken
... sind Teil der Kollektion.
Luca Celine

Hinter dem Screen

Dass der 25-jährige Wiener, der 2018 an der Modeklasse aufgenommen wurde, in den vergangenen beiden Jahren von der Modedesignerin Grace Wales Bonner unterrichtet wurde, spürt man. Die Britin hat ihrem Interesse für Theorie und Recherche an der Modeklasse Raum gegeben. In einer Branche, die gerade noch Zeit findet, Inspirationen in Form von Moodboards zusammenzustellen, ist die vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema ungewöhnlich. Wer sich Johannes Hartmann allerdings neben einem Bücherstapel vorstellt, liegt daneben. Er habe während der Arbeit an der Kollektion "wahnsinnig viel Zeit" am Computer verbracht, erzählt er. Zwar fußen seine Digitaldrucke auf Zeichnungen und Malereien, die in einem klassischen Skizzenbuch entstanden sind, doch ein Gros der Vorarbeit hat der Diplomand am Bildschirm erledigt: Dort liest er, dort recherchiert er und arbeitet mit 3D-Programmen.

Model in pinkem Mantel
Die Pink- und Rosé-Töne habe er bewusst als Teaser eingesetzt, erklärt Hartmann.
Luca Celine

Überhaupt kann man sich Johannes Hartmann, der in Wiens 12. und 14. Bezirk aufgewachsen ist und in der Schule gut in Mathe war, als maschinenbegeisterten Menschen vorstellen. Während Studienkollegen von Modehäusern schwärmen, begeistert er sich neben 3D-Prints für Strick- und Nähmaschinen – wie eine alte Bernina: "Da spürt man bei jedem Stich das Feedback." Aber da ist noch mehr. Das Rattern der Maschinen klingt wie Musik in den Ohren des 25-Jährigen. An Soundarbeiten hat sich der Wiener schon in der Vergangenheit versucht. Während des Studiums trat diese Leidenschaft in den Hintergrund, zu wenig Zeit.

Ein Model in der Kollektion von Johannes Hartmann
40 Meter Stoff hat Johannes Hartmann für seine Kollektion mit eigens entwickelten Prints bedruckt.
Luca Celine

Dass der Wiener ein Perfektionist ist und die Dinge genau nimmt, schwingt während des Gesprächs immer wieder mit. Johannes Hartmann sagt Sachen wie: "Noch mehr Spaß würde mir die Arbeit an der Maschine machen, wenn jeder Stich perfekt säße, so wie nach dreißig Jahren Näherfahrung." Sitzt er selber an der Maschine, kann er sich über Millimeter ärgern. Oder die Sache mit den Farben: Weil dem Diplomanden die "Tiefe der Farben" wichtig ist, ärgert er sich regelmäßig über die beschränkte Auswahl an Farbkarten.

Ein Model in einem rosa Kleid
Für die Kollektion wurden unter anderem recyceltes Polyester...
Luca Celine
Ein Model in der Kollektion von Johannes Hartmann
... sowie recyceltes Cotton-Canvas verarbeitet.
Luca Celine

Sieben Hosen musst du nähen

Vielleicht hat der Mittzwanziger deshalb das halbe Jahr, das er bei der Künstlerin Jakob Lena Knebl Transmediale Kunst studiert hat, besonders genossen. Während es in der Modeklasse passieren könne, eine Hose siebenmal nähen zu müssen, bis sie passe, spiele das "modische Schönsein" in jenem Studiengang keine Rolle. Damals hat Johannes Hartmann sich auf andere Dinge konzentrieren können. Er begann, mit Computerprogrammen zu arbeiten und skulpturale Elemente auszutesten: "Ohne diese Zeit sähe mein Diplom anders aus", ist er sich sicher. Auch ohne seine Modeprofessorin an der Angewandten wäre seine Abschlusskollektion wahrscheinlich anders ausgefallen. Dass es Kleidungsstücke wie eine mit Kunstfell gefütterte kurze Jacke und eine eng anliegende Hose in seine Diplomkollektion geschafft haben, ist dem Einfluss von Grace Wales Bonner zu verdanken, glaubt Johannes Hartmann. Zu Beginn seines Studiums habe er nichts Tragbares entwerfen wollen, das habe sich verändert, sagt er. "Heute mache ich Kleidung, die man anziehen kann und die nicht über den Boden schleift, weil sie so schwer ist", kommentiert der Mittzwanziger mit einem Anflug von Selbstironie.

Modeabsolvent Johannes Hartmann
Der 25-jährige Wiener Johannes Hartmann hat nicht nur an der Modeklasse studiert. Er sammelte auch im Studiengang Transmediale Kunst bei der Künstlerin Jakob Lena Knebl Erfahrungen.
Luca Celine

Ob er sich vorstellen kann, für ein großes Modehaus zu arbeiten? "Nun ja, eigentlich nicht", sagt Hartmann, von der Lederjacke bis zum Sweater in Secondhandmode und eine selbstgenähte Hose gekleidet, und hebt die Schultern. Das Thema "Luxury" widerspreche vielen Dingen, die ihm wichtig seien. Festlegen möchte er sich aber nicht. Nach dem Diplom entspannt er erst mal auf der Donauinsel. Und dann? Schau ma mal. (Text und Produktion: Anne Feldkamp, Fotos: Luca Celine; Haare & Make-up: Max Artemis; Styling: Johannes Hartmann; Model: Mitzi)

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Der RONDO-Modepreis powered by Authentic Beauty Concept ist mit 3000 Euro und einer Modestrecke dotiert.
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