Im zweiten Anlauf hat es also doch noch geklappt. ÖVP und Grüne haben am Donnerstag im Nationalrat eine neue Version des Energieeffizienzgesetzes beschlossen. Das Regelwerk war erst vergangene Woche ebendort durchgefallen, da die SPÖ so wie die FPÖ ihre Zustimmung verweigert hat. Was diesmal anders ist? Das Effizienzgesetz, das für Einsparungen beim heimischen Energieverbrauch sorgen soll und in Umsetzung von EU-Vorgaben ergeht, braucht keine Zweidrittelmehrheit mehr. Die Koalition kann also allein beschließen, im Nationalrat bekam sie dann auch nur die Zustimmung der Neos.

Das Ziel des Gesetzes ist grundsätzlich dasselbe geblieben: Das Regelwerk soll den Grundstein dafür legen, dass Österreich seinen Energieverbrauch bis 2030 um kumuliert 650 Petajoule reduziert. Aktuell liegt der Endenergieverbrauch im Jahr bei etwas mehr als 11o0 Petajoule. Unternehmen, Haushalte und der Staat sollen selbst durch diverse Förderungen und Beratungen dazu gebracht werden, weniger Energie zu verbrauchen.

Allerdings gibt es zwischen der neuen und der alten Version des Gesetzes einen entscheidenden Unterschied: So sah die erste Fassung vor, dass eine Bund-Länder-Vereinbarung getroffen werden muss. Damit wären auch die Länder verpflichtet gewesen. Wäre keine Einigung zustande gekommen, dann wäre festgeschrieben gewesen, dass für Teile der Einsparungen Bund und Länder gemeinsam aufkommen müssen, mit einem Schlüssel von 80:20. Das hätte Länder in die Pflicht genommen, eigene Gebäude zu sanieren oder den Privatsektor zu Einsparungen zu bewegen. Diese Komponente, eine mögliche Verpflichtung der Länder, entfällt im neuen Gesetz. In der Folge braucht es keine Zweidrittelmehrheit mehr.

Neuer Gegenwind aus der ÖVP

Fachleute bezweifeln, dass das Gesetz in dieser abgespeckten Variante Durchschlagskraft haben wird. "Die Gefahr ist groß, dass mit einfachgesetzlich beschlossenen Maßnahmen die Probleme nicht gelöst werden", sagt die Anwältin Michaela Krömer, die mehrere Klimaklagen vor Höchstgerichten eingebracht hat. In einem föderalen System wie Österreich, in dem der Bund nur beschränkte Kompetenzen habe, brauche es für wirksame Klimaschutzgesetze mit Zweidrittelmehrheit fixierte Vorgaben, so Krömer in der Videotalksendung "STANDARD mitreden".

Im Streitgespräch: Wie viel Klimaschutz können die Grünen in der Koalition noch durchsetzen?
DER STANDARD

Gestritten wurde in der Debatte, bei der auch die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler zu Gast war, um die Frage, wie viel Klimaschutz die Grünen in der Koalition mit der ÖVP noch durchbringen können – und was sie schon durchgebracht haben. Schließlich hat die ÖVP in den vergangenen Wochen ihre Rhetorik geändert und verschärftem Klimaschutz den Kampf angesagt: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat in seiner Grundsatzrede im Frühjahr erklärt, dass Verbrennermotoren eine Zukunft haben und dass Menschen lernen müssten, mit den Folgen des Klimawandels zu leben, inklusive steigenden Meeresspiegels. Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer legte nach: Hinter vorgehaltener Hand sage mittlerweile jeder, dass Österreich nicht bis 2040 klimaneutral werden könne, so Mahrer vor kurzem.

Angesichts dieser Haltung sieht der Klimaexperte Reinhard Steurer schwarz: "Ich komme mittlerweile zur Überzeugung, dass Klimaneutralität mit dieser ÖVP nicht einmal bis 2100 möglich ist. Das ist das Jahr, wo wir mit technischem Fortschritt allein hinkommen würden. Aber natürlich wäre das viel zu spät", so Steurer bei der Diskussion. Stärkster klimapolitischer Moment der Regierung sei gewesen, als Ministerin Gewessler 2021 den Bau der Lobau-Autobahn, "eines fossilen Projekts aus dem vergangenen Jahrhundert", unterbunden hat. Auch das Klimaticket und den Erneuerbaren-Ausbau lobte er.

Allerdings sei jetzt schon klar, dass die Emissionen nicht so stark sinken, wie notwendig wäre, um 2040 eine Nettonull zu erreichen oder die Emissionen bis 2030 zumindest um die Hälfte zu reduzieren. Am Ende des Tages sei nur das entscheidend. Die Grünen haben kein Druckmittel mehr in der Hand, um von der ÖVP Entgegenkommen zu erreichen.

Gewessler: Aufholprozess läuft

Hier hakte Ministerin Gewessler ein: "Wir sind mit Klimapolitik in dieser Regierung nicht fertig und auch in allen Folgeregierungen nicht. Es wäre vermessen zu glauben, dass wir nach drei Jahren Aufholjagd im Klimaschutz, in denen mehr getan wurde als in den vergangenen 30 Jahren, am Ziel wären." Gewessler verwies auf eine Berechnung des Bundesumweltamtes, wonach Österreich den halben Weg bis 2030 geschafft hat, also die Emissionen bis dahin um 27 Prozent sinken sollen. Dabei seien Maßnahmen aus den Jahren 2020 und 2021 berücksichtigt. Um die Ziele zu erreichen, werde es jedes Jahr bis 2040 neue Schritte brauchen – ob beim Bahnausbau oder der Umstellung von Heizsystemen.

Und in diesem Zusammenhang attackierte Gewessler auch Sven Hergovich, den SPÖ-Chef aus Niederösterreich. Der Sozialdemokrat hatte zuvor begründet, warum die SPÖ Nein sage zu dem Energieeffizienzgesetz und dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz, mit dem das Ende fossiler Heizsysteme im Wohnbau besiegelt werden soll und das ebenfalls im Parlament blockiert ist. "Wir sind grundsätzlich dagegen, soziale Anliegen und Klimaschutzanliegen gegeneinander auszuspielen", so Hergovich, und die SPÖ stehe bereit, gemeinsam mehr Maßnahmen umzusetzen. "Zugleich können wir nicht zulassen, dass die Regierung gegen die Ursachen dieser unglaublichen Teuerungskrise nichts unternimmt." Daher brauche es einen Mietpreisdeckel, Eingriffe in den Strommarkt und eine Senkung der Umsatzsteuer bei Lebensmitteln, um die Inflation zu bekämpfen. Dann stehe die SPÖ bereit, gemeinsam Maßnahmen umzusetzen.

Gewessler dazu: Hier werde klar, dass es der SPÖ nicht um Klimaschutz gehe. Die Grünen seien auch für Mietpreisdeckel. "Aber die Menschen haben genug von dieser Haltung: Wir blockieren etwas Sinnvolles, um etwas anderes Sinnvolles durchzusetzen." (András Szigetvari, 2.6.2023)

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APA