An diesem warmen Tag Ende März schreibt Diego "Säfehler Einheit 3 & 4" auf sein Bedienfeld. Er kommt nicht vom Fleck, also hat er Armin Daubek eine E-Mail geschickt. Der Landwirt ist nun zu ihm aufs Feld gefahren, um das Problem zu beheben. Nach ein paar Klicks schiebt sich der Hack- und Säroboter FD20 des Herstellers Farmdroid wieder vorwärts. Sein Besitzer erklärt: "Das Saatgut fällt auf eine gelochte, sich drehende Scheibe und dann auf ein Magnetventil. Wenn der Roboter an der passenden Position ist, lässt er es fallen und registriert das mit einem Sensor."

Der FD20 ist auf pillierte Zuckerrübensamen spezialisiert, die einzeln gesät werden. Anis ist herausfordernd für ihn. Seine Samen haben kleine Stielchen, zudem werden 25 Stück gleichzeitig gesät. Der Roboter bezieht laufend GPS-Daten von 16 Satelliten. Seit zwei Jahren fährt, sät und hackt er, angetrieben von Solarpaneelen auf seinem Dach, autonom über die Felder in Oberweiden im Marchfeld.

Feldroboter arbeiten allein oder im Schwarm. Sie erfassen Daten, bringen Dünger aus, besprühen Beikräuter mit Pestiziden, hacken sie oder drücken sie in den Boden. Sie säen Zwiebel und Zuckerrüben oder ernten Äpfel. Die Feldroboter heißen FD20, AMU-Bot, Robot One, BoniRob oder Xaver.

Feldroboter, angetrieben von Solarpanelen fährt über Acker
Intelligente Roboter in unterschiedlicher Gestalt helfen längst auch in der Landwirtschaft mit.
Laura Anninger

Agrarrobotik boomt

Der globale Markt ist mehrere Milliarden Euro schwer und wächst stetig. Universitäten, Institutionen, Start-ups und vor allem Konzerne wie Bosch, John Deere oder Fendt entwickeln und vermarkten dutzende Feldrobotermodelle.

Hierzulande sind sie noch rar. Nur 16 FD20 fahren auf Feldern vom Waldviertel in Niederösterreich bis in den Seewinkel im Burgenland. Die HBLFA Josephinum in Wieselburg testet aktuell den Farming GT des norddeutschen Unternehmens Farming Revolution. Auch er wurde für den Zuckerrübenanbau entwickelt.

Der Hackroboter fährt über das Feld und macht Fotos. Mittels Machine-Learning-Algorithmen lerne er, die Kulturpflanze von anderen zu unterscheiden. "Alles, was etwa keine Zuckerrübe ist, hackt er weg", erklärt Franz Handler, Leiter des Bereichs Verfahrenstechnik. Gerade lernt der Farming GT, verschiedene Kräuter zu erkennen.

Doch was bringt das?

Viele Hersteller argumentieren: Roboter wie er können die Landwirtschaft umweltverträglicher machen. In Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise ist das dringend nötig. Die Landwirtschaft verursacht EU-weit fast die Hälfte der Umweltbelastungen auf Böden, Wasser und Luft. Die organische sowie synthetisch-chemische Düngung heimischer Böden war 2020 für drei Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verantwortlich. Pestizide sind einer der Hauptgründe für den massiven Rückgang von Bestäubern.

Weil die meisten europäischen Kulturpflanzen auf ihre Dienste angewiesen sind, gefährden sie auf lange Sicht die Ernährungssicherheit. Expertengremien empfehlen, von der Output-steigernden industriellen Landwirtschaft abzukommen. "Immer schwerere Maschinen haben dazu beigetragen, dass mehr Flächen immer homogener bewirtschaftet wurden. Dünger und Pflanzenschutzmittel kamen auf die Felder, Böden wurden verdichtet. Jetzt dreht sich diese Entwicklung um", sagt Viktoria Motsch vom Institut für Landtechnik der Universität für Bodenkultur (Boku).

Ob Feldroboter den Anbau umweltgerechter machen können, hänge von ihrem Einsatzbereich ab. Eine Chance bietet die sogenannte Präzisionslandwirtschaft. "Viele Roboter haben optische Sensoren, die erkennen, in welcher Wachstumsphase eine Pflanze ist oder ob sie erkrankt ist. Anhand dieser und anderer Parameter werden Pflanzenschutzmittel oder Dünger gezielter ausgebracht", sagt Motsch. So gelangen auch weniger schädliche Stoffe in Grundwasser, Atmosphäre und Nahrungsketten.

Feldroboter, angetrieben von Solarpanelen beackert ein Feld
Der globale Markt für Feldroboter ist mehrere Milliarden Euro schwer. Hierzulande sind sie noch selten auf Äckern zu sehen.
Laura Anninger

Feldroboter könnten zudem helfen, kleinteiligen Anbau wirtschaftlicher zu machen, indem sie mühsame Handarbeit abnehmen. Auch in regenerativen Anbauformen wie Agroforsten oder Marktgärten könnte das funktionieren. In Ersteren wachsen Baum- oder Buschreihen zwischen einjährigen Kulturen.

In Letzteren wachsen verschiedene Kulturen auf kleiner Fläche und bedecken den Boden laufend. Beide schonen den Boden, liefern mehr Ertrag als klassische Feldkulturen und bieten Habitate für Tiere. Doch oft sind sie sehr kleinteilig und haben einen unebenen Untergrund. Viele Roboter kommen damit nicht klar.

KI kennt Reifegrad

Die Ausnahme heißt Lero. Aktuell fährt der Prototyp in einem Marktgarten unweit von Osnabrück. Sven Lake vom Start-up Nature Robots, einem Spin-Off des deutschen Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz (DFKI), hat ihn mitentwickelt. "Lero tastet mit einem Laser laufend die Umgebung ab, stellt sie in einer 3D-Punktwolke dar und kartiert sie. So bewegt er sich dreidimensional im Raum", erklärt er.

Leros Technologie soll in Agroforsten, Markt-, Obst- oder Weingärten arbeiten können. Sie kann vorhersagen, wann Pflanzen reif sind und könnte auch bei anderen Robotern zum Einsatz kommen. Sven Lake ist überzeugt: Diese Art der Landwirtschaft ist langfristig wirtschaftlich.

"Die Rohstoffpreise steigen und damit auch Preise für Kraftstoff, chemisch-synthetische Dünger und Pestizide. In der regenerativen 3D-Landwirtschaft gibt es weniger Input von Ressourcen und mehr Output pro Quadratmeter. So können Lebensmittel noch marktfähiger angeboten werden", sagt er. Bald soll Lero auch Beikräuter bodenschonend kontrollieren können.

Generationenwechsel mit Roboter

Währenddessen sitzt Armin Daubek neben seinem Onkel Franz Neduchal an einem soliden Holztisch. Sie trinken eine Tasse schwarzen Kaffee, bevor es wieder aufs Feld geht. Auf rund 90 Hektar bauen die beiden Biogemüse und Biogewürze an, das unter anderem bei Hofer und Sonnentor verkauft wird. Vor zwei Jahren haben sie ihren FD20 gekauft – ein Zeichen des Generationenwechsels.

Ohne die Initiative seines Neffen, sagt Neduchal, hätte er ihn nicht gekauft. Heute ersetzt Diego dutzende Arbeitskräfte, die bislang händisch Beikräuter auf dem Zwiebelacker entfernt haben. Gute Leute zu bekommen sei immer schwieriger geworden. An guten Tagen schafft Diego zwei Hektar. 120.000 Euro hat er gekostet. "Wir haben dadurch die Lohnkosten um mehr als 60 Prozent gesenkt. Wenn er funktioniert, rechnet er sich hoffentlich in acht bis zehn Jahren", sagt Neduchal. Seit Jahresbeginn erhalten Landwirte 20 Prozent der Netto-Ankaufssumme gefördert.

Funktionieren Feldroboter, könnte sich die Anschaffung vor allem für große Biobetriebe rechnen. Für kleinere ist die Abwägung schwieriger. "Die Haupttriebfeder für die Anschaffung ist Arbeitskräfteersparnis. Kann ich Beikräuter durch Flächenspritzung chemisch entfernen, rechnet sich der Roboter zurzeit nicht. Dazu kommt: Die Flächen, die Betriebe bewirtschaften, könnten so größer werden", erklärt Verfahrenstechniker Franz Handler.

Mehr Roboter, mehr Dünger

Er beschreibt den Rebound-Effekt. Setzt man Roboter ein, um Praktiken zu intensivieren, könnten die Anbauflächen ausgeweitet werden und so noch mehr chemisch-synthetische Dünger und Biozide auf die Felder gelangen. Das schreiben Forschende des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in einer neuen Studie.

Auch wenn sie keine Kraftstoffe brauchen: Um Agrarroboter zu bauen, braucht man Rohstoffe, die Verarbeitung der Datenmengen in Rechenzentren verbraucht Energie. Ohne ökologische und soziale Leitlinien könnte Agrarrobotik laut den Autoren bestehende Probleme verschärfen. Dazu könnte ein weiteres kommen. Etablieren sich Feldroboter, könnte das Landwirte in neue Abhängigkeiten bringen. Denn die Technik eilt der Debatte schon längst voraus. Allen voran steht die Frage: Wer hat die Datenhoheit?

Damit Feldroboter autonom fahren können, benötigen sie Daten, etwa über Feldgrenzen und den Zustand des Bodens. "Die Hersteller sammeln natürlich laufend Daten. Daraus generieren sie Informationen für den Landwirt und die Weiterentwicklung. Schon heute verlangen einige jährliche Gebühren für die Betreuung und Nutzung der Datenplattformen", erklärt Handler. Auch das Geschäftsmodell des Farming GT scheint sich in diese Richtung zu entwickeln.

Viele Daten in wenigen Händen

Boku-Expertin Motsch kritisiert vor allem die Intransparenz vieler Hersteller. "Fragt man die Unternehmen, gehören die Daten ihnen. Der Landwirt hat nur mehr Nutzungsrecht. Die meisten der Agrarroboter, die nicht von oder mit Universitäten entwickelt wurden, verfügen über ein sogenanntes Closed-Box-System. Man kann weder als Landwirt noch als Forscher auf Software und Daten zugreifen. Das ist alles eine riesige Grauzone", sagt sie.

Die Studie von ZALF und IÖW hebt die Gefahr des "Data-Grabbing" hervor. Schon heute beherrschen die US-amerikanischen Konzerne AGCO, CNH-Industrial und Deere & Company (John Deere) die Hälfte des globalen Agrarmaschinenmarktes.

"Die ohnehin stark konzentrierten oligopolistischen Marktstrukturen im Agrarsektor werden durch die Verzahnung von Agrochemie-, Landmaschinen-, Finanz- und Versicherungskonzernen mit den großen IT-Konzernen weiter verstärkt. Das zeigt sich in einer Reihe von Übernahmen, Fusionen und Joint Ventures, in kartellartigen Praktiken, etwa wenn Datenportabilität nur zwischen wenigen großen Plattformen gewährt und kleinere Wettbewerber von Datenstandards ausgeschlossen werden", schreiben die Autoren. Auch Franz Handler und Viktoria Motsch beobachten, dass viele kleine Start-ups von großen Herstellern aufgekauft werden.

Längst mischt auch Google-Mutter Alphabet mit. Mineral, ein Unternehmen in dessen Portfolio, hat nach eigenen Angaben mehr als ein Zehntel der globalen Landwirtschaftsflächen mit Tools analysiert, die auf Machine-Learning und KI basieren.

Datenmacht der Konzerne

Daten liefern auch landwirtschaftliche Geräte, etwa der Roboter Rover. Die Tools werden an Industriepartner, etwa den weltweit größten Beerenhersteller Driscolls, vertrieben. John Deere will bis 2026 Erntedaten von einer halben Milliarde Hektar Feldflächen sammeln. Auch Millionen Bilder von Beikräutern, die man mit Pestiziden besprühen kann, sollen auf der konzerneigenen Cloud gespeichert werden. "Diese Datenmacht weniger Konzerne ist besorgniserregend. Landwirtschaft ist schließlich kritische Infrastruktur", hebt Viktoria Motsch hervor.

Ein Beispiel, wie Konzerne auf die Produktion eingreifen können, wenn sie die Software kontrollieren, ereignete sich im Mai 2022. Damals hat John Deere die Steuerungseinheiten mehrerer Hightech-Sämaschinen auf russischen Feldern per Fernzugriff gesperrt. Die Handlung war eine Reaktion auf die Konfiszierung ukrainischer Landmaschinen.

Auch die Daten der Oberweidner Felder liegen zentral auf Servern des dänischen Unternehmens Farmdroid. "Natürlich müssen Felddaten gespeichert werden, sonst würde das System ja nicht funktionieren. Die Firma pflegt eine enge Zusammenarbeit mit Landwirten. Ich kann garantieren, dass keine Daten aus dem Haus kommen. Es gibt hohe Sicherheitsstandards", sagt Robert Kurka. Der niederösterreichische Landwirt besitzt selbst zwei FD20 und vertreibt diese über seine Firma für Farmdroid in Österreich. Dazu gehören im ersten Jahr kostenlos Einschulung, Service und Support für Landwirte.

Motorische Feinheiten

Franz Neduchal und Armin Daubek sorgen sich nicht um ihre Daten. Seine Feldgrenzen könne man auch im Grundbuch einsehen, meint Neduchal. Sein Neffe Armin Daubek ist zufrieden mit der Software des FD20. Er habe noch nie eingreifen müssen oder wollen. Nur bei der Hardware gebe es noch Verbesserungspotenzial, meint er.

Diego bleibt immer mal wieder auf unebenem Boden hängen oder kämpft mit unterschiedlichem Saatgut. Er schiebt mit den Hinterrädern, statt mit dem Vorderrad zu ziehen. Ein befreundeter Schlosser hilft den Pionierlandwirten, ihn anzupassen. Sind diese Kinderkrankheiten ausgemerzt, werde Feldrobotern die Zukunft gehören. Davon scheinen zumindest die beiden Landwirte überzeugt.

"Kleinere Modelle können helfen, die kleinstrukturierte Landwirtschaft zu erhalten und ökologischer zu gestalten. Ob sie sich durchsetzen, kann man nicht sagen. Es bleibt eine ökonomische Entscheidung", ist Franz Handlers Fazit. Ob Roboter die Landwirtschaft nachhaltiger machen, entscheidet sich ohnehin nicht auf den Feldern, sondern in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Start-ups, Unternehmen und Konzernen. (Laura Anninger, 3.6.2023)