DER STANDARD hat die Android-Version des "Landwirtschaftssimulators 23" getestet. Der Username wurde mithilfe von Adobe Firefly anonymisiert.
Der Standard

Die "Landwirtschaftssimulator"-Reihe ist einfach eine Klasse für sich. Von Hardcore-Gamern stets belächelt, stürmt jeder neue Teil der Reihe stets die Verkaufscharts und wird auch teils von echten Landwirten genutzt, um neue Traktoren vor dem Kauf virtuell zu testen. Der dahinterstehende Entwickler Giants Software hat im schrumpfenden Markt der PC-Magazine inzwischen ein eigenes Heft zum Spiel ebenso wie ein Stickeralbum veröffentlicht und veranstaltet eigene Conventions. Und nicht nur dass der Entwickler selbst die Fans regelmäßig mit Updates – etwa zu neuen Traktoren – versorgt, auch die Community selbst ist äußerst aktiv: Man tauscht sich in Foren über Themen wie Bewässerung und Nutztierhaltung aus, entwickelt Zusatzinhalte für das Spiel oder bespricht das Thema auch in Social-Media-Beiträgen: "Cornhub" (sic!), ein Youtube-Kanal aus Deutschland, hat bereits 3.400 Videos veröffentlicht und kommt auf über 86.000 Follower.

Landwirtschafts-Simulator 23 - Gameplay Trailer
astragon

Stationäre Versionen des Spiels für PC sowie Xbox- und Playstation-Konsolen werden dabei abwechselnd mit mobilen Versionen für Smartphones und Nintendos Switch veröffentlicht. Und nachdem mit dem "Landwirtschaftssimulator 22" ("LS 22") zuletzt die Zuhausespieler versorgt wurden, ist nun mit dem "Landwirtschaftssimulator 23" ("LS 23") eine mobile Version für Android, iPhone (je 7,99 Euro) und Switch (44,99 Euro) erschienen. DER STANDARD hat die Android-Version auf einem Pixel 7 Pro ausprobiert.

Bekannt wie der "LS 22" ...

Beim Start des Spiels wird sogleich klar, dass viele Aspekte des "LS 23" der aktuellen PC-Version nachempfunden wurden. So wählt man auch hier auf einem Startscreen den "Karriere"-Modus aus, entscheidet sich für ein Setting und findet sich sogleich auf dem eigenen Hof inklusive Landwirtschaftsmaschinen, Feldern und Nutztieren wieder. Entscheidet man sich für die erste der beiden Karten, so wird man mit einem Tutorial versorgt, welches in die wichtigsten Aspekte des Spiels einführt.

Feld bearbeiten im LS 23
Der Mähdrescher unterwegs: Kenner der Reihe finden sich sofort zurecht.
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Und so steigt man auch im "Landwirtschaftssimulator 23" rasch in den eigenen Traktor, um das Feld zu grubbern, zu säen oder zu ernten. Wem diese Arbeit zu eintönig ist, der kann sie auch Feldarbeitern überlassen, deren Löhne jedoch gezahlt werden müssen. Geerntetes Getreide muss wiederum auf einen Anhänger geladen und entweder ins eigene Silo oder zu einer Verkaufsstelle transportiert werden. Eine eigene Wissenschaft ist es dabei wieder, die besten Zeitpunkte für Ernte und Verkauf sowie die unterschiedlichen Ertragsmodelle ausfindig zu machen. Hierbei helfen wieder diverse Statistiken, die über das Menü abgerufen werden können. Über selbiges hat man freilich auch die Finanzen des eigenen Hofs im Blick. 

Tiere im LS 23
Willkommen im frisch erworbenen Schafstall!
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Wem Ackerbau weniger zusagt, der kann sich auch einem der anderen beiden möglichen Karrierepfade widmen: Forstwirtschaft oder Nutztierhaltung. Hierfür werden wiederum spezielle Maschinen erworben, und selbstverständlich müssen die Nutztiere mit Futter versorgt werden. 

... und doch fehlen im "LS 23" viele Inhalte

Ist die Freude über das Wiedersehen mit dem altbekannten Auftreten einmal abgeklungen, so macht sich jedoch bald bemerkbar, dass die mobile Version in vielen Punkten nicht mit der stationären vergleichbar ist. Das beginnt mit dem Gameplay per se, zumal sich die Touch-Bedienfelder naturgemäß auf dem Bildschirm befinden und somit bei Traktorfahrten der Blick auf die Landschaft von den eigenen Fingern verdeckt wird. Diverse Steuerelemente der Landwirtschaftsgeräte wurden – vermutlich zugunsten der Niederschwelligkeit – weggespart: Anhänger hängen sich etwa von selbst an, sobald man mit dem Traktor an sie heranfährt.

Reduziert wurde auch der Umfang. Zum Start des "LS 23" sind nur zwei statt zum Launch des "LS 22" drei Szenarien spielbar, und die Größe dieser Karten wurde deutlich eingestampft: Konnte man beim "LS 22" noch Stunden mit dem Erkunden der ruralen Sandbox verbringen, so hat man das Endes des Gebiets im "LS 23" rasch erreicht. Und auch wenn Giants damit wirbt, dass über 100 unterschiedliche Maschinen von Herstellern wie Case IH, Claas, Deutz-Fahr, Fendt, John Deere, Krone, Massey Ferguson, New Holland und Valtra in das Spiel integriert wurden, so sind es beim "LS 22" doch viermal so viele.

LS 23 weniger Inhalte als LS 22
Die Karten sind kleiner, allgemein gibt es im "LS 23" weniger Inhalt als im "LS 22".
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Auf technischer Ebene soll nicht unerwähnt bleiben, dass der "LS 23" deutlich schneller startet als die stationäre Version auf PCs und Konsolen, dafür im Rahmen des Testzeitraums jedoch auch einige Male abgestürzt ist. Und die KI-Helfer sind in der mobilen Version übrigens genauso unfähig wie in der stationären: Auch hier brechen sie teils Aufgaben ab und verstehen nicht, dass sie einfach auf den nächsten, bereits gegrubberten Feldabschnitt wechseln sollten. 

Kein Multiplayer, dafür ein In-Game-Shop

Andere Spielelemente fehlen leider komplett. Zu kritisieren ist etwa der fehlende Multiplayer, der uns im STANDARD-Test des "LS 22" äußerst viel Freude bereitete: Einen Hof gemeinsam mit Freunden und Kollegen zu bewirtschaften birgt zwar Konflikt-, aber auch sehr viel Spaßpotenzial. Dafür ermöglicht es der "LS 23", die bei Mobile-Games weit verbreiteten "Achievements" freizuschalten, welche mit Wortspielen auf Dad-Joke-Niveau punkten: Wer etwa genug grubbert, kann sich schon bald über die Errungenschaft "Wer anderen eine Grubbe gräbt" freuen.

Ebenfalls wurde die Option weggelassen, anderen Landwirten das Feld zu grubbern, zu säen oder zu ernten, um mit diesen Aufträgen die eigene Bilanz aufzupeppen und Geld für eigene Anschaffungen aufzutreiben. Und auch beim Shopper sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt: Bestehende Felder und Ställe können zwar hinzugekauft, neue Gebäude aber nicht im Shop erworben und auf dem eigenen Gelände platziert werden. Das ist schade, zumal gerade dieser Aspekt einen großen Anteil am Spielspaß des "LS 22" hatte: Hier den ganzen Hof mit ertragreichen Gewächshäusern zuzupflastern, Bienenstöcke an jeder möglichen Ecke zu platzieren und die Erträge im hofeigenen Restaurant zu verkaufen sorgte für stundenlanges Kopfzerbrechen zwecks Optimierung der eigenen Abläufe.

LS 23 Ingame Shop
Der "LS 23" hat einen In-Game-Shop, dessen Sinn sich nicht ganz erschließt.
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Dafür gibt es einen In-Game-Shop, bei dem "Coins" für reales Geld erworben werden können. Diese Coins kann man im Spiel wiederum für neue Maschinen ausgeben, anstatt sich das Geld im Spiel zu verdienen. Die Sinnhaftigkeit dessen darf angezweifelt werden. Denn immerhin ist das Gefühl der Gemächlichkeit eben das, was dieses Franchise von anderen adrenalingetriebenen Games abhebt: Wer erst nach stundenlangem Grubbern und Ernten den heißersehnten Kuhstall oder Traktor kaufen kann, der hat anschließend das befriedigende Gefühl, sich den Lohn wirklich erarbeitet zu haben. Schnellerer Fortschritt für Echtgeld? Es ist schwer vorstellbar, dass die Community darauf anspringt. 

Fazit: Endlich auch unterwegs spielen, dass man arbeitet

Und ja, die Ironie hinter den "Landwirtschaftssimulator"-Spielen ist bekannt – wer den ganzen Tag in Meetings und vor Exceltabellen verbracht hat, der setzt sich abends hin, um die Finanzen des eigenen Bauernhofs in Form zu halten und Aufgaben an Hilfsarbeiter zu delegieren. Und das geht nun auch unterwegs: Beim Pendeln schnell die Hühner füttern? Das Feld ernten, während man im Garten neben dem Rasenmähroboter sitzt? Neue Traktoren kaufen, während man im Baumarkt in der Schlange steht? Alles möglich. Die Frage ist ein wenig, ob man das möchte.

So werden Hardcore-Fans des Franchises eher enttäuscht sein, im "LS 23" nicht alle Funktionen und nur eine begrenzte Auswahl an Traktoren vorzufinden, während sich Casual Gamer eher in Titeln wie "Hayday" oder "Farmville" wiederfinden. Die technischen Mankos und der fehlende Multiplayer machen es nicht besser. Es gibt also noch viel Verbesserungspotenzial, dem sich Giants Software in den kommenden Titeln zuwenden kann. Andererseits: Gerade die Smartphone-Version ist in der Anschaffung nicht unbedingt teuer – und kann Fans wohl auch im Urlaub und während eines Familienausflugs ein wenig unterhalten, wenn die vollumfängliche PC- oder Konsolenversion gerade nicht bei der Hand ist. (Stefan Mey, 3.6.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Spiel wurde dem STANDARD von Giants Software zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.