Der Winterschlaf ist ein extremer körperlicher Zustand. Um die frostige Jahreszeit ohne nennenswertes Nahrungsangebot zu überleben, haben einige Säugetierarten die Fähigkeit entwickelt, wochenlang gleichsam durchzuschlafen, nur von ihren angefressenen Fettreserven versorgt. Während dieses Torpor genannten Zustandes werden die Stoffwechselaktivitäten zurückgefahren, Atem- und Pulsfrequenz verlangsamen sich, und die Körpertemperatur sinkt auf wenige Grad über null. Der reduzierte Energiebedarf wird von im Sommer angefressenen Fettreserven gedeckt.

Das geht sogar so weit, dass während der saisonalen Auszeit die biologische Uhr bei einigen Arten praktisch angehalten wird. Das haben bereits frühere Untersuchungen bestätigt. So konnte beispielsweise ein Team von der Universität Maryland im Vorjahr nachweisen, dass die erstaunlich hohe Lebenserwartung von Fledermäusen dem Winterschlaf geschuldet ist: Während der Ruhezeit beobachteten die Forscher ein Anhalten der epigenetischen Altersuhr in zahlreichen Genen.

Winterschlaf und Tagestorpor

Eine aktuell im Fachjournal "Scientific Reports" erschienene Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmed) konnte diese Ergebnisse nun aus einem etwas anderen Blickwinkel ergänzen. Die Gruppe verglich echten Winterschlaf mit einem Zustand namens Tagestorpor, bei dem die Tiere nur tageweise ruhen. Am Beispiel eines Beuteltiers, das beides kann, zeigte sich: Jene Tieren, bei denen die Erstarrung zum Teil Wochen anhält, dürften Überlebensvorteile haben.

Die beiden unterschiedlichen Muster – einerseits "Überwinterer", andererseits sogenannte Heterotherme, die ihren Winterschlaf auf Tagesfrist beschränken beziehungsweise erstarren (Tagestorpor) – haben sich evolutionär vermutlich aus unterschiedlichen Gründen entwickelt, so das Team rund um Thomas Ruf vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie.

Ein reichlich verschlafen dreinblickender Dickschwanz-Schlafbeutler. Die Tiere werden etwa mausgroß und sind in Australien und Tasmanien zu Hause.
Foto: EPA/DAN HIMBRECHTS

Der Dickschwanz-Schlafbeutler

In Zusammenarbeit mit der University of New England (Australien) untersuchten sie dazu den Winterschlaf des Dickschwanz-Schlafbeutlers (Cercartetus nanus), eines in Australien und Tasmanien beheimateten, mausgroßen Beuteltiers, bei unterschiedlichen Umgebungstemperaturen. Im Fokus stand dabei, wie das Langzeitüberleben mit dem gespeicherten Körperfett – das für die Überwindung ungünstiger Phasen entscheidend ist – und dem Muster des Winterschlafs zusammenhängt. Der Versuch wurde abgebrochen, sobald die Tiere ein bestimmtes Mindestgewicht erreicht hatten, erklärte Ruf. Bei 15 und sieben Grad stieg die Anzahl der Tage mit geringerer Körpertemperatur auf fünf bis 16, was die Lebensdauer auf 195 beziehungsweise 310 Tage erhöhte.

Verschiedene Ursachen

"Solche ausgeprägten Unterschiede in den Torpormustern und Überlebenszeiten selbst unter ähnlichen thermischen Bedingungen liefern eine starke Unterstützung für das Konzept, dass der Winterschlaf bei Überwinterern und Heterothermen physiologisch unterschiedlich ist und sich für unterschiedliche ökologische Zwecke entwickelt hat", so Ruf.

Winterschläfer haben demnach einen viel niedrigeren Sauerstoffverbrauch, auch bei kurzem Torpor. "Kurz gesagt: Winterschläfer überleben lange, Heterotherme erniedrigen den kurzfristigen Nahrungsbedarf", erklärte der Experte. (tberg, red, 3.6.2023)