Hermann Wieser fackelt nicht lange herum. Er werde in den nächsten Tagen auf die Lieferanten zukommen, um sie über Details zu informieren und mit ihnen die dringend notwendigen Schritte zur Restrukturierung des Unternehmens zu besprechen, lässt der neue Eigentümer von Kika/Leiner Zulieferer am Freitag in einem Brief wissen, der dem STANDARD vorliegt.

Wofür stehen die beiden Marken? Konsumenten ein klares Bild davon zu vermitteln wird ein harter Job.
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Der Handelskonzern befinde sich in einer herausfordernden Lage, die umfangreiche und tiefgreifende Restrukturierungen erfordere, mit denen unmittelbar begonnen werde, heißt es weiter. Spätestens bis Ende Juni stehe ein Maßnahmenpaket fest.

Unterschrieben ist die Mitteilung von Wieser in der Funktion als Geschäftsführer von Kika/Leiner, von Gerrit Venter, der als neuer Finanzchef fungiert, und Alfred Draskovits, der künftig für Einkauf und Transport verantwortlich ist.

Als Geschäftsführer abberufen ist Reinhold Gütebier. Er hatte vor kurzem noch betont, von Schließungen abzusehen, und die solide finanzielle Lage des Konzerns unterstrichen.

Wie Wieser, der als Gebietsleiter für Lutz arbeitete, ehe er 2014 kurzzeitig in die Chefetage von Kika/Leiner wechselte, hat auch Venter eine lange Vergangenheit im Handel. 16 Jahre lang war er für die Steinhoff-Gruppe tätig, drei Jahre davon für ihre damalige Tochter Kika/Leiner.

Draskovits wiederum war einst Prokurist bei Rewe. Später machte er sich selbstständig, um kleine und mittelständische Betriebe bei Logistik und Einkauf zu unterstützen.

Trio an der Spitze

Wieser wird ein gutes Gespür für Immobilien und ein starkes Ego nachgesagt. Der Steirer gilt als zielstrebig und unkonventionell. Er gebe klare, harte Regeln vor. Es würde auch keinen wundern, wenn er spontan einen Fußballverein übernähme, ist aus seinem Umfeld zu hören.

Dass sich Wieser und seine Konsorten der Baustelle Kika/Leiner annehmen, überrascht in der Möbelbranche wenige. Die Frage, die diese aber weitaus mehr umtreibt: Wie wird das Trio das operative Geschäft des Konzerns finanzieren?

Die neuen Eigentümer werden ab sofort neben allen anderen Kosten auch Mieten stemmen müssen – die Immobilien hat sich ja wie berichtet Frank Albert gesichert. Im deutschsprachigen Raum gebe es so gut wie kein großes Möbelhaus, das angemietet werde, da sich das in diesem Geschäft schlicht nicht rechne, sagt ein Unternehmenskenner. Lieferanten appellieren an die Kartellbehörde: Diese müsse ein Auge auf den Deal und mögliche weitere Geldgeber im Hintergrund haben.

Erzrivale Lutz hat in der Vergangenheit immer wieder Interesse an Kika/Leiner in Teilen oder im Ganzen geäußert. Wie im Lebensmittel- ist auch im Möbelgeschäft die Angst österreichischer Zulieferer groß, infolge enormer Marktkonzentration in starke Abhängigkeit von einzelnen Platzhirschen zu geraten.

Finanzielle Löcher zu stopfen und Kika/Leiner einen neuen roten bzw. grünen Anstrich zu verpassen werde nicht reichen, ist Christian Wimmer, der als Chef der Einkaufsverbände Garant und Wohnunion 300 Fachhändler vertritt, überzeugt. Kika/Leiner versuche mittlerweile seit 15 Jahren neu Fuß zu fassen – liege jedoch immer noch auf der Intensivstation. "Es braucht fast ein Wundermittel, um den Konzern fit zu bekommen." Noch mehr, seit die Branche aufgrund der starken Teuerung mit sinkenden Umsätzen kämpfe.

Angeschlagenes Schiff

Wimmer zweifelt daran, dass der Konzern aus eigener Kraft künftige Herausforderungen bewältigen kann. Auch für Schließungen sei Kapital nötig. Ohne frisches Geld sei der Sprung aus der Krise nicht zu bewältigen, ist er sich sicher. "Ich halte es für nicht möglich, ein angeschlagenes Schiff ohne Financier auf Kurs zu bringen."

Bei Kika/Leiner selbst versichert man auf Nachfrage, dass für die Finanzierung vorgesorgt sei. Mehr ist Wieser, der vorhat, die Öffentlichkeit und Medien zu scheuen, derzeit nicht zu entlocken. Auch tausende Mitarbeiter bleiben weiter im Ungewissen. Bei Lutz weist Unternehmenssprecher Thomas Saliger Gerüchte zurück, dass man bei Kika/ Leiner hinter den Kulissen die Fäden ziehe. Ebenso wenig zur Diskussion stehe, Standorte zu übernehmen.

XXXLutz und Kika/Leiner lieferten sich in Österreich ein Duell um die Marktführung, das mittelständische Händler anders als in Deutschland fast völlig vernichtete, erinnert sich Martin Wetscher, der in vierter Generation ein Möbelhaus in Tirol führt. "Wer versuchte, gegen Lutz zu kämpfen, verlor." Sein Betrieb sei dank Fokus auf Planung einer der letzten Einzelkämpfer des Marktes.

Vom Allzeithoch ins Allzeittief

Seit dieser von einem Allzeithoch während der Corona-Krise in ein Allzeittief fiel, wie es Wetscher formuliert, seien etliche große Möbelhäuser auf dem Prüfstand. "Es ging zu lange Zeit nur darum, Standorte zu besetzen, nicht um den Ertrag."

Die hohe Konzentration des Handels sei ein Spiegel der Zeit, sinniert Josef Rutar. Von Kärnten aus lenkt er 17 Einrichtungshäuser in Österreich, Italien und Slowenien.

Inhabergeführte regionale Unternehmen überlebten nur, wenn ihre Größe überschaubar bleibe und man als Unternehmer selbst an Ort und Stelle sei, resümiert er. Seine Pläne, zu expandieren, stellte er aufgrund des raueren Marktumfelds zurück.

Verlorener Zweikampf

Vor 15 Jahren waren Lutz und Kika/Leiner in Österreich gleichauf – mittlerweile besetzt Ersterer 32 Prozent des Marktes, der für den Möbeleinzelhandel rund 5,5 Milliarden Euro wiegt. Kika/Leiner liegt mit 16 Prozent abgeschlagen hinter Ikea nur noch auf Platz drei, zieht Marktforscher Wolfgang Richter Bilanz. Dies, obwohl Ikea hierzulande allein mit elf Filialen vertreten ist – in denen sie pro Quadratmeter freilich mehr als dreimal so viel Umsatz erzielten wie der Mitbewerb.

Richter ortet bei Kika/Leiner massive Management- und Marketingfehler, die sich über mehr als ein Jahrzehnt zögen. Leiner habe die hochwertige Positionierung verloren – Kika den Ruf niedrigerer Preise. "Konsumenten wieder ein klares Bild zu vermitteln, wofür die beiden Marken stehen, wird ein harter Job."

Während Kika/Leiner Schließungen drohen, baut Lutz sein Netz an Filialen weiter aus und sichert sich über Übernahmen auch größere Anteile des Internetgeschäfts. 115 Euro gibt ein Österreicher online jährlich im Schnitt für Einrichtung aus, erhob Regiodata. 22 Prozent davon fallen Ikea zu, 13 Prozent Amazon und zehn Prozent Lutz. Kika/Leiner rangiert unter "ferner liefen". (Verena Kainrath, 2.6.2023)