Rund um die zugespitzte Personalsituation in den Wiener Krankenhäusern verschärft die Ärztekammer im Konflikt mit der Stadt Wien die Gangart. Demnach wird die Kammer schon in den kommenden Tagen und Wochen zu Streikschulungen in den einzelnen Häusern des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) einladen. Das geht aus einer E-Mail hervor, die am Freitag an alle angestellten Ärztinnen und Ärzte in Wien ging. Das Schriftstück liegt dem STANDARD vor. Außerdem würden individuelle Streikschulungen mit ausgewählten Abteilungen stattfinden, "die bereits beschlossen haben, für ihre Interessen zu streiken, und auch bereits ihre Streikleitungen wählen", wie es heißt. Unterzeichnet ist die Mail von Kurien-Obmann Stefan Ferenci, der auch geschäftsführender Vizepräsident der Wiener Kammer ist, sowie den stellvertretenden Kurien-Obleuten Anna Kreil und Eduardo Maldonado-González.

Zudem wird bekanntgegeben, dass der Vorstand der Kammer weitere zwei Millionen Euro "zur Rechtsunterstützung im Falle von Streiks in den Wiener Krankenanstalten" freigegeben hat. Damit stehen derzeit drei Millionen Euro für Kampfmaßnahmen zur Verfügung. Die Kammer verweist darauf, dass die "teilweise katastrophalen Zustände in den Wiener Spitälern" von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sowie der Wigev-Generaldirektion "nicht mehr grundlegend geleugnet" würden. Die Gespräche würden aber "mehr als zäh" verlaufen. Die Ärztekammer verlangt vor allem mehr Geld: So sollen – unter dem Motto "Koste es, was es wolle" – die aktuell offenen Dienstposten sofort besetzt werden. Bekannt ist bereits die Forderung nach einer Rückkehr- und Bleibeprämie in Höhe von 24.000 Euro "netto und sozialversicherungsfrei". Zudem fordert die Kammer die Erhöhung der Bruttogehälter um 30 Prozent sowie eine massive Erhöhung bei den Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdiensten.

Die Wiener Ärztekammer fährt mit den Planungen für umfangreiche Streiks in den städtischen Spitälern fort. Eine der Forderungen, um die Personalsituation in den Krankenhäusern zu entschärfen, ist die Erhöhung der Bruttogehälter für Ärztinnen und Ärzte um 30 Prozent.
APA / Helmut Fohringer

Stimmung in der Ärzteschaft "am Kochen"

Ferenci bestätigte dem STANDARD die konkreten Streikvorbereitungen. "Es haben sich mehrere Kolleginnen und Kollegen an uns gewandt, die kein anderes Mittel als einen Streik mehr sehen." Die Stimmung in der Ärzteschaft sei "am Kochen". Andere Wiener Ärztinnen und Ärzte erzählen dem STANDARD hinter vorgehaltener Hand hingegen, dass ein Streik intern von Medizinern teils auch kritisch gesehen wird.

Mitte Mai sei ein Gespräch zwischen Ferenci und Hacker "zu großen Teilen sehr positiv, aber noch ohne konkrete Lösungen verlaufen", wie Ferenci, der geschäftsführende Vize der Kammer, nach dem Gespräch wissen ließ. Am 23. Mai folgte ein Krisengipfel zwischen den Spitzen des Wigev und der Kammer. Danach betonte der städtische Spitalsträger "konstruktive Gespräche". Der medizinische Direktor Michael Binder meinte in einer Aussendung: "Wir liegen gar nicht so weit auseinander." Die finanziellen Forderungen der Kammer würden aber "außerhalb unserer Entscheidungskompetenz liegen", wie es Wigev-Finanzdirektor Herwig Wetzlinger formulierte. "Ich freue mich, wenn die Wiener Ärztekammer Teil der Lösung wird", sagte Wigev-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb. (David Krutzler, 2.6.2023)